Bei Anruf Deutsch
Der Markt für deutschsprachige Callcenter in Istanbul boomt - und zieht viele aus Deutschland ausgewanderte Türken an. Nicht alle sind freiwillig da. Die Jobs empfinden sie als Rettungsanker in der Fremde.
Immer wenn das Geld knapp wird, wechselt Yilmaz* seinen Namen. Dann jobbt er in einem kleinen Callcenter auf der asiatischen Seite von Istanbul. Am Telefon stellt sich der 23-Jährige als Markus Braun in Hamburg vor. "Ja Mensch, was für ein Gewitter!", plaudert er über das Wetter in der Hansestadt, während draußen die Istanbuler in der Mittagssonne schwitzen.
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Mit Charme, Tricks und geschliffenem Deutsch versucht er, Menschen in Deutschland Zeitschriftenabonnements zu verkaufen. Dass er in Istanbul sitzt, darf er am Telefon auf keinen Fall verraten - "sonst würden die Kunden uns nicht vertrauen", sagt er. Yilmaz hat einen türkischen Pass, doch aufgewachsen ist er in einem Dorf bei Köln.
Eigentlich war er vor einem Jahr nach Istanbul gekommen, um als Schauspieler Karriere zu machen. Doch bisher gelang das nicht. Zu groß die Konkurrenz, zu mager seine Kontakte zur türkischen Filmwelt. Nach ein paar Monaten war er blank.
In seiner Not bewarb er sich bei einem Callcenter. "Ich habe mich vorgestellt, und 20 Minuten später konnte ich anfangen." Seit Jahren boomt die deutschsprachige Callcenter-Branche in der Türkei. Denn die Löhne sind hier niedrig und viele Menschen sprechen Deutsch. Viele große deutsche Firmen lassen von hier aus Telefonmarketing und Kundenservice betreiben - vom Elektrohersteller bis zur Fluggesellschaft. Experten vermuten Hunderte von deutschsprachigen Callcentern allein in Istanbul, doch so genau weiß das niemand.
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