Ganz persönlich, aber bitte anonym
Über die Frage nach der richtigen Balance zwischen persönlicher Kundenansprache und Respekt vor Privatsphäre diskutierten hochkarätige Vertreter von Konsumentenforschung, Datenschutz, Consulting und Handel im Rahmen der Veranstaltung frei[handels]zone am 13. März, die der Handelsverband in Kooperation mit dem Dialog Marketing Verband Österreich (DMVÖ) durchführte. Schnell zeichnete sich ab: Auf der einen Seite der Thematik steht der sachlich-rechtliche Aspekt der Datenschutz-Gesetzgebung. Auf der anderen Seite steht das Stimmungsbild in der Bevölkerung, das geprägt ist von Schlagworten wie NSA, Datenkraken und Datenklau. Und irgendwo in der Mitte geht es für den Händler darum, seine Kunden zu kennen und zu respektieren.
Die rechtliche Seite – Status Quo EU-Datenschutzverordnung
Vorgestern hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die die Regeln für die Verarbeitung und den Schutz von personenbezogenen Daten EU-weit vereinheitlichen soll, die erste Lesung im EU-Parlament passiert. Mit einer schnellen Entscheidung sei aber nicht zu rechnen, so Waltraut Kotschy, u.a. ehem. Leiterin der Datenschutzabteilung im Bundeskanzleramt. „Im EU-Rat wird die Verordnung schwer umkämpft, denn die Länder haben hier sehr unterschiedliche Haltungen.“ Anton Jenzer, Präsident des Dialog Marketing Verband Österreich DMVÖ, sieht in der neuen Verordnung eine Chance: Die europaweite Harmonisierung der nationalen Datenschutzregelungen fördere grenzübergreifenden E-Commerce. Aber in der aktuellen Version bliebe der Nutzen aus: Die Formulierungen seien „schludrig“ und Begrifflichkeiten nicht eindeutig definiert.
Zielgruppenmarketing unverzichtbar für Unternehmen
Werber sehen in den strengen Richtlinien Gefahren. „Sinkende Werbebudgets erfordern treffsichere Maßnahmen“, so Gudrun Liska, Head of Division Marketing bei Palmers. Dank seinem Kundenkartensystem weiß Palmers, in welchen Warengruppen der Kunde Umsätze generiert hat, und offeriert ihm maßgeschneiderte Angebote. Das erhöht die Conversion-Rate und senkt die Marketingausgaben. Auch im Internet ist personalisierte Werbung nicht mehr wegzudenken: Retargeting mithilfe von Cookies macht schon heute einen beträchtlichen Anteil am gesamten Online-Werbemarkt aus. „Im Internet nehmen wir ständig kostenlose Leistungen in Anspruch, alles werbefinanzierte Angebote. Wer soll das bezahlen, wenn die Datenschutzbehörde zielgruppenspezifische Werbung erschwert und das Medium für Werber unattraktiv macht?“, fragt Anton Jenzer vom DMVÖ.
Opt-In oder Opt-Out – eine Frage des Willens
Eine wichtige rechtliche Grundlage für die Verwendung persönlicher Daten ist „Einwilligung“. Was aber ist darunter zu verstehen, und wie muss diese Zustimmung aussehen? Ein ausdrückliches „Opt-In“ fordern die strengen Datenschützer, während die „konkludente“ Variante, also die Möglichkeit des „Opt-Out“, von Werbern bevorzugt wird. Dies gilt nicht nur für die Einwilligung für den Empfang von Newslettern, Push-Nachrichten etc., sondern auch für den Gebrauch von Cookies und ähnlich gelagerten Technologien. Jenzer vom DMVÖ sieht’s locker: „Im Fernsehen habe ich auch keine Zustimmung zum Werbeblock gegeben.“
„Privatsphäre als Luxusgut“
Jenzer weiter: „Würden wir 20 Euro für eine Zeitung ausgeben, die keine Inserate enthält?“ Tatsächlich finanziert Werbung zahllose Angebote, die wir vergünstigt oder kostenlos wahrnehmen. Das Internet ermöglicht zusätzlich die Personalisierung dieser Werbung, was den Wert unserer persönlichen Daten – und sei es nur in aggregierter Form oder mithilfe von Cookies – deutlich erhöht. Als Gegenleistung für die Nutzung kostenloser Dienste gibt der Nutzer folglich sich selbst preis, in Form seiner Daten. „Privatsphäre als Luxusgut“ nennt das Sebastian Loudon, Herausgeber der Zeitschrift Horizont: Kostenloses nur gegen Profildaten, und Privatsphäre nur für die, die es sich leisten können.
Verantwortungsbewusstsein in Unternehmen – nicht alle sind „datenfressende Monster“
Accountability, also das Bewusstsein der Unternehmen, dass sie die alleinige Verantwortung für die Sicherheit der Kundendaten tragen, hat in den letzten Jahren zugenommen. „Die meisten Firmen sind durchaus willens, datenschutzrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Aber nur dann, wenn sie auch wissen, WAS sie zu tun haben“, erläutert Waltraud Kotschy. Eindeutigkeit in der Gesetzgebung sei hierfür Voraussetzung. Im Übrigen würde die neue EU-Verordnung auch für Unternehmen gelten, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, sich mit ihren Angeboten aber an EU-Bürger wenden. Betroffen davon wären unter anderem US-amerikanische Unternehmen wie Facebook und Google. „Datensammlung im Rahmen der nationalen Sicherheit steht aber auf einem anderen Blatt. Hier sollten wir nicht zu naiv sein“.
Kunden entspannt – Viel Lärm um nichts?
Auch der Bäcker um die Ecke kennt unsere Gewohnheiten: Höhe der Umsätze, Frequenz der Einkäufe, soziographisches Profil. Sonja Holzschuh, Marketing Manager Consumer Panel Services der GfK Austria bestätigt: „Die Kunden sind eigentlich ganz entspannt. In unserem 4.000 Haushalte umfassenden Panel haben wir keinerlei Änderung des Konsum- oder Surf-Verhaltens nach Bekanntwerden der NSA-Affäre erkennen können“. Und auch Palmers hat die Erfahrung gemacht: „Kunden verzichten sogar auf ihre physische Kundenkarte. Die Angabe von Postleitzahl und Namen im Geschäft reicht ihnen völlig aus für Buchungen im Kundenkonto.“ Solange der Kunde einen konkreten Mehrwert, etwa geldwerte Vorteile, erhält, hat er gegen die Speicherung und Verwendung seiner Daten nichts einzuwenden.
Respekt und gesunder Menschenverstand
Umso mehr, wenn die persönlichen Daten für den jeweiligen Nutzer vorteilhaft und respektvoll eingesetzt werden. Liska von Palmers findet, dass über die Akzeptanz personalisierter Werbung am Ende der gesunde Menschenverstand entscheidet. Kein Kunde möchte eine Brust-OP angeboten bekommen, nur weil das intelligente CRM-System anhand der letzten Bestellungen eine Zunahme der Körbchengröße identifiziert hat. Ein knackiger Rabatt zum Geburtstag dagegen ist durchaus willkommen.
Durch die Veranstaltung führte mit Humor und großer Sachkompetenz Sebastian Loudon, Verlagsleiter und Herausgeber von HORIZONT. Mehr als 70 BesucherInnen aus dem Handel folgten den Vorträgen im Handelsverband und beteiligten sich an der lebhaften Publikumsdiskussion, darunter Astrid Grasser (IKEA), Bettina Gruber (Wein & Co.), Martin Messinger (Leiner) Martin Wäg (Kastner & Öhler). Abschließend bot sich bei einem Cocktailempfang die Gelegenheit zu ausführlichem Networking.
Die rechtliche Seite – Status Quo EU-Datenschutzverordnung
Vorgestern hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die die Regeln für die Verarbeitung und den Schutz von personenbezogenen Daten EU-weit vereinheitlichen soll, die erste Lesung im EU-Parlament passiert. Mit einer schnellen Entscheidung sei aber nicht zu rechnen, so Waltraut Kotschy, u.a. ehem. Leiterin der Datenschutzabteilung im Bundeskanzleramt. „Im EU-Rat wird die Verordnung schwer umkämpft, denn die Länder haben hier sehr unterschiedliche Haltungen.“ Anton Jenzer, Präsident des Dialog Marketing Verband Österreich DMVÖ, sieht in der neuen Verordnung eine Chance: Die europaweite Harmonisierung der nationalen Datenschutzregelungen fördere grenzübergreifenden E-Commerce. Aber in der aktuellen Version bliebe der Nutzen aus: Die Formulierungen seien „schludrig“ und Begrifflichkeiten nicht eindeutig definiert.
Zielgruppenmarketing unverzichtbar für Unternehmen
Werber sehen in den strengen Richtlinien Gefahren. „Sinkende Werbebudgets erfordern treffsichere Maßnahmen“, so Gudrun Liska, Head of Division Marketing bei Palmers. Dank seinem Kundenkartensystem weiß Palmers, in welchen Warengruppen der Kunde Umsätze generiert hat, und offeriert ihm maßgeschneiderte Angebote. Das erhöht die Conversion-Rate und senkt die Marketingausgaben. Auch im Internet ist personalisierte Werbung nicht mehr wegzudenken: Retargeting mithilfe von Cookies macht schon heute einen beträchtlichen Anteil am gesamten Online-Werbemarkt aus. „Im Internet nehmen wir ständig kostenlose Leistungen in Anspruch, alles werbefinanzierte Angebote. Wer soll das bezahlen, wenn die Datenschutzbehörde zielgruppenspezifische Werbung erschwert und das Medium für Werber unattraktiv macht?“, fragt Anton Jenzer vom DMVÖ.
Opt-In oder Opt-Out – eine Frage des Willens
Eine wichtige rechtliche Grundlage für die Verwendung persönlicher Daten ist „Einwilligung“. Was aber ist darunter zu verstehen, und wie muss diese Zustimmung aussehen? Ein ausdrückliches „Opt-In“ fordern die strengen Datenschützer, während die „konkludente“ Variante, also die Möglichkeit des „Opt-Out“, von Werbern bevorzugt wird. Dies gilt nicht nur für die Einwilligung für den Empfang von Newslettern, Push-Nachrichten etc., sondern auch für den Gebrauch von Cookies und ähnlich gelagerten Technologien. Jenzer vom DMVÖ sieht’s locker: „Im Fernsehen habe ich auch keine Zustimmung zum Werbeblock gegeben.“
„Privatsphäre als Luxusgut“
Jenzer weiter: „Würden wir 20 Euro für eine Zeitung ausgeben, die keine Inserate enthält?“ Tatsächlich finanziert Werbung zahllose Angebote, die wir vergünstigt oder kostenlos wahrnehmen. Das Internet ermöglicht zusätzlich die Personalisierung dieser Werbung, was den Wert unserer persönlichen Daten – und sei es nur in aggregierter Form oder mithilfe von Cookies – deutlich erhöht. Als Gegenleistung für die Nutzung kostenloser Dienste gibt der Nutzer folglich sich selbst preis, in Form seiner Daten. „Privatsphäre als Luxusgut“ nennt das Sebastian Loudon, Herausgeber der Zeitschrift Horizont: Kostenloses nur gegen Profildaten, und Privatsphäre nur für die, die es sich leisten können.
Verantwortungsbewusstsein in Unternehmen – nicht alle sind „datenfressende Monster“
Accountability, also das Bewusstsein der Unternehmen, dass sie die alleinige Verantwortung für die Sicherheit der Kundendaten tragen, hat in den letzten Jahren zugenommen. „Die meisten Firmen sind durchaus willens, datenschutzrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Aber nur dann, wenn sie auch wissen, WAS sie zu tun haben“, erläutert Waltraud Kotschy. Eindeutigkeit in der Gesetzgebung sei hierfür Voraussetzung. Im Übrigen würde die neue EU-Verordnung auch für Unternehmen gelten, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, sich mit ihren Angeboten aber an EU-Bürger wenden. Betroffen davon wären unter anderem US-amerikanische Unternehmen wie Facebook und Google. „Datensammlung im Rahmen der nationalen Sicherheit steht aber auf einem anderen Blatt. Hier sollten wir nicht zu naiv sein“.
Kunden entspannt – Viel Lärm um nichts?
Auch der Bäcker um die Ecke kennt unsere Gewohnheiten: Höhe der Umsätze, Frequenz der Einkäufe, soziographisches Profil. Sonja Holzschuh, Marketing Manager Consumer Panel Services der GfK Austria bestätigt: „Die Kunden sind eigentlich ganz entspannt. In unserem 4.000 Haushalte umfassenden Panel haben wir keinerlei Änderung des Konsum- oder Surf-Verhaltens nach Bekanntwerden der NSA-Affäre erkennen können“. Und auch Palmers hat die Erfahrung gemacht: „Kunden verzichten sogar auf ihre physische Kundenkarte. Die Angabe von Postleitzahl und Namen im Geschäft reicht ihnen völlig aus für Buchungen im Kundenkonto.“ Solange der Kunde einen konkreten Mehrwert, etwa geldwerte Vorteile, erhält, hat er gegen die Speicherung und Verwendung seiner Daten nichts einzuwenden.
Respekt und gesunder Menschenverstand
Umso mehr, wenn die persönlichen Daten für den jeweiligen Nutzer vorteilhaft und respektvoll eingesetzt werden. Liska von Palmers findet, dass über die Akzeptanz personalisierter Werbung am Ende der gesunde Menschenverstand entscheidet. Kein Kunde möchte eine Brust-OP angeboten bekommen, nur weil das intelligente CRM-System anhand der letzten Bestellungen eine Zunahme der Körbchengröße identifiziert hat. Ein knackiger Rabatt zum Geburtstag dagegen ist durchaus willkommen.
Durch die Veranstaltung führte mit Humor und großer Sachkompetenz Sebastian Loudon, Verlagsleiter und Herausgeber von HORIZONT. Mehr als 70 BesucherInnen aus dem Handel folgten den Vorträgen im Handelsverband und beteiligten sich an der lebhaften Publikumsdiskussion, darunter Astrid Grasser (IKEA), Bettina Gruber (Wein & Co.), Martin Messinger (Leiner) Martin Wäg (Kastner & Öhler). Abschließend bot sich bei einem Cocktailempfang die Gelegenheit zu ausführlichem Networking.