Warum Composable Commerce und Direct-to-Consumer-Vertrieb mehr als nur ein Hype sind
Von Casper Aagaard Rasmussen, Global SVP of Technology Valtech
Egal ob Matratzen, Rasierklingen oder Möbel: Unternehmen mit einer Direct-To-Consumer (D2C)-Vertriebsstrategie lassen sich aus dem Online-Handel nicht mehr wegdenken. Immer mehr Unternehmen verlassen sich für ihren Vertrieb nur noch auf ihre eigenen digitalen Kanäle. Durch das Wegfallen der Zwischenhändler:innen bleibt die Beziehung zu Kund:innen in der Kontrolle der Händler:innen. Im Gegenzug können sie ihren Kund:innen qualitativ hochwertige Ware zu einem günstigeren Preis anbieten. Um eine erfolgreiche D2C-Strategie implementieren zu können, müssen Unternehmen ihre internen Prozesse digitalisieren und den Weg für einen “Digital First”-Ansatz im gesamten Unternehmen ebnen.
Das Konzept des Direktvertriebs an sich ist zwar nichts neues, jedoch machen Technologien wie KI und Machine Learning die Analyse großer Datenmengen für D2C deutlich leichter. Bisher hatten Einzelhändler:innen Kontrolle über die von ihnen erhobenen Marktdaten und konnten diese analysieren, um die Beliebtheit von Produkten herauszufinden. Mit dem D2C-Ansatz bleibt die Kontrolle über die Daten von Kund:innen beim Hersteller und diese können nun zentral analysiert werden, um Muster im Verkaufsverhalten zu erkennen.
Neben D2C lässt sich noch ein weiterer “Digital-First”-Trend im Bereich Commerce erkennen: Composable Commerce. Anders als D2C bezieht sich Composable Commerce nicht auf den Vertriebskanal, sondern auf die zum Verkauf verwendete Plattform. Anstatt ein Komplettpaket zu verwenden, werden kompatible Komponenten in Form einzelner Bausteine hinzugefügt. Das Konzept eignet sich daher besonders für große Konzerne, die mit unterschiedlichen Marken und in verschiedenen Märkten gleichzeitig operieren. Was beide Ansätze gemein haben: Sie fördern service- und datenorientiertes Denken sowie die Offenheit für grundlegende Veränderungen in Unternehmen – sowohl in Bezug auf neue unternehmerische Ansätze als auch interne Organisationsstrukturen.
Bei der Umstellung gilt: “Gewagt ist halb gewonnen”
Den meisten traditionellen Unternehmen fallen Veränderungen schwer, auch wenn sie notwendig sind. Laut Gartner übertreffen Unternehmen, die einen Composable-Commerce-Ansatz verfolgen, ihre Konkurrenz bei der Geschwindigkeit der Implementierung neuer Funktionen um bis zu 80 Prozent. Im Klartext bedeutet das, dass diejenigen Unternehmen, die sich erfolgreich an die sich ändernden Anforderungen des digitalen Handels anpassen können, langfristig erfolgreich sind. Diejenigen, die das nicht können, laufen hingegen Gefahr, zurückzufallen.
Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass ein Großteil der Unternehmen nicht gut auf den digitalen Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen im Online-Handel vorbereitet sind. Das Problem ist nicht das Erkennen des Wandels, sondern dass er sich so schnell vollzieht. Zwar lassen sich Exponentialkurven im Mathematikunterricht durchaus verstehen, in der realen Welt lässt uns exponentielles Wachstum jedoch oft erstaunt zurück.
Selbst Unternehmen wie Amazon und Alibaba sehen sich mit Einbußen bei ihrem Geschäft konfrontiert. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Unternehmen die Online-Marketplaces der beiden Giganten umgehen und sich stattdessen soziale Medien, die Gig-Economy und Mikro-Finanzmarktplätze wie Klarna zunutze machen. Wenn Ihr Unternehmen also vom TikTok-Trend überrascht wurde, stellen Sie sich vor, was erst in einem Jahr auf Sie zukommen könnte – und mit welcher Geschwindigkeit.
Flexibilität und Serviceorientierung als Wettbewerbsvorteil
Früher hing der Erfolg eines Produktes davon ab, ob, wie und wo es im Supermarkt oder anderen Geschäften platziert wurde. Heute stehen Kund:innen eine riesige Auswahl an Produkten zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die Markentreue nachlässt und Kund:innen immer anspruchsvoller werden. Für Unternehmen ist es daher umso wichtiger, ein echtes Einkaufserlebnis bieten zu können und sich damit von der wachsenden Konkurrenz abzuheben. Dafür müssen Marken direkt mit ihren Kund:innen interagieren und Unternehmen Daten über sich verändernde Vorlieben erfassen.
Die dadurch gewonnen Erkenntnisse gilt es kontinuierlich zu nutzen, um das eigene Produkt auf dem Markt zu positionieren, zu optimieren und von denen der Konkurrenz zu differenzieren. Das alles erfordert mehr als nur eine neue digitale Infrastruktur oder Arbeitsweise. Schlussendlich geht es darum, eine digitale Denkweise einzunehmen. Jedoch ist die Entwicklung eines Digital-First-Ansatzes im gesamten Unternehmen kein einfacher Prozess. Eine solche Umstellung wird und muss den Kern eines Unternehmens erschüttern. Um langfristig erfolgreich zu digitalisieren, muss die Motivation für die Umsetzung von dem Unternehmen selbst ausgehen.
Mit kompatibler Technologie Schritt für Schritt zu einer digitalen Denkweise
Composable Commerce ermöglicht es Unternehmen, schnell, effizient und proaktiv zu handeln, um direkte Beziehungen zu ihren Verbraucher:innen und Kund:innen zu pflegen – sowohl über ihre eigenen Kanäle als auch über die Kanäle von Drittparteien. Es ist ein Paradigmenwechsel, der digitales Denken auf allen Ebenen eines Unternehmens berücksichtigt.
Mit der Einführung von Composable Commerce wird sich zum einen die Denkweise eines Unternehmens verlagern – weg von der Konzentration auf Projekte hin zur Konzentration auf digitale Produkte. Denn durch den modularen Ansatz passt sich die Plattform den wachsenden Anforderungen an, statt dass Unternehmen sich an die Grenzen der Plattform anpassen müssen. Zum anderen wird die Technologiebranche in die Lage versetzt, Dienstleistungen, anstatt ganzer Systeme zu liefern. Auf diese Weise kann eine digitale Umgebung ganz einfach an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens angepasst werden. Composable Commerce bietet eine Reihe an Möglichkeiten und eine unvergleichliche Flexibilität. Wenn Ihr Unternehmen bislang mit eher statischen Technologie-Suiten gearbeitet hat, ist es so, als ob Sie Lego entdecken, nachdem Sie bisher nur mit Playmobil spielen konnten.
Mit seiner flexiblen technischen Architektur wird Composable Commerce ein wichtiger Faktor bei der Modernisierung von Unternehmen sein. Indem Datensilos abgebaut und Kund:innen-Daten an einer zentralen Stelle gesammelt werden, werden Unternehmen automatisch eine digitale Denkweise entwickeln. Das wird für Unternehmen immer wichtiger. Unternehmen, die die Umstellung auf einen anpassungsfähigeren, an Verbraucher:innen orientierten Ansatz hinauszögern, werden immer weiter hinter die Konkurrenz zurückfallen. Diejenigen, die den Composable-Commerce-Ansatz verfolgen, werden hingegen eher in der Lage sein, Digital-Commerce-Strategien umzusetzen und sich von anderen Unternehmen abzuheben.