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Trends und Entwicklungen im digitalen Marketing

Acht Fragen an Dominik Matyka, Chief Advisor der Dmexco, zu neuen Möglichkeiten und Herausforderungen im digitalen Marketing.
Dominik Matyka ist seit Januar 2018 Chief Advisor der Dmexco © DMEXCO
 

Das digitale Marketing bringt zahlreiche neue Entwicklungen und Trends voran, die zu heißen Diskussionen auf den Marketing-Messen des Landes führen. Dominik Matyka ist Chief Advisor der Dmexco und zuständig für das Thema Strategy. Er spricht darüber, wie Unternehmen die relevantesten Plattformen und Kanäle optimal nutzen können, um ihre Zielgruppen anzusprechen. Welchen Einfluss fortschreitende Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality und sprachgesteuerten Assistenten haben. Darüber hinaus wird die Bedeutung von Influencer Marketing und Kooperationen mit Meinungsführern bei der Markenbildung sowie die Zukunft von Live-Veranstaltungen und die strategischen Nachhaltigkeitsziele der Koelnmesse Thema sein.

Welche zukünftigen Entwicklungen und Trends im digitalen Marketing siehst Du als besonders vielversprechend?

Ich sehe derzeit zwei große Entwicklungen: einmal ein stark zunehmender Grad an Automation im Marketing und dann natürlich das Querschnittsthema Künstliche Intelligenz. In der Kombination beider Phänomene entstehen sehr viele neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Natürlich können diese Entwicklungen Prozesse im Marketing stark beschleunigen und effizienter machen, aber es braucht auch sehr viel kreative Exzellenz, um in dieser neuen Werbewelt noch genügend Aufmerksamkeit zu bekommen.  Deswegen lautet das Motto der Dmexco 2023 auch “Empowering Digital Creativity”.

Retail Media schiebt sich im Marketingmix mit Macht nach vorne: Die GroupM prognostiziert, dass dieser Kanal schon 2028 mehr Werbegelder bekommen soll als TV. Es mischen gerade viele neue Anbieter im Retail-Media-Markt mit und die Entwicklung wird sehr dynamisch bleiben. Ob Amazon die unangefochtene Nr. 1 bleiben wird, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Ein Dauerbrenner, aber ebenfalls wichtig für das Basisgeschäft, ist das Targeting ohne Third-Party-Cookies. Auch hier stehen Marketer vor großen Herausforderungen, neue Lösungen, Anbieter und deren Ideen zu sondieren, auszuwählen und in den nächsten Monaten umzusetzen.

Ebenfalls spannend und verlässlich dynamisch bleibt das Geschäft rund um neue Kanäle und Plattformen: Connected TV etwa oder Digital Audio, auch Web3 und alle sich darum herum entwickelnden Ideen. Das Influencer Marketing und Creator Business ist schon ziemlich im Mainstream angekommen, wird aber auch weiter für Gesprächsstoff in der Branche sorgen. Denn die Mega-Influencer haben sich eine derart große Reichweite aufgebaut, dass sie immer öfter eigene Marken aufbauen, statt mit vorhandenen Marken zu kooperieren. 

All diesen und weiteren Themen werden wir auf der Dmexco eine Bühne bieten und den Besucherinnen und Besucher damit den bestmöglichen Überblick über alle Trends und Entwicklungen geben. 

Welche Rolle spielen Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen im digitalen Marketing?

Das kann man heute nur schwer ermessen, weil wir ganz am Anfang stehen. Ich glaube, die zentrale Aufgabe für das nächste Jahrzehnt wird sein, die Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine neu zu definieren. Viele Tätigkeiten und Prozesse sind computergestützt und KI-unterstützt automatisierbar und deutlich effizienter. Da stehen wir vor einer echten Disruption, die unsere Branche von Grund auf verändern wird. Künstliche Intelligenz wird eine Querschnittstechnologie, die das Leben der Menschen allgemein stark beeinflussen wird, nicht nur das Marketing. Aber: Marketing und Werbung im Speziellen lebt auch vom Unerwarteten, vom Regelbruch, vom kreativen Augenblick. Je mehr perfekt gestylte Midjourney-Bilder wir sehen werden, umso mehr wird uns das mit der Zeit langweilen. Der Mensch will überrascht, emotional berührt und bestätigt werden. Vielleicht führt die KI dazu, dass unsere Kernkompetenz künftig die emotionale Intelligenz wird. 

Welche Plattformen und Kanäle sind derzeit besonders relevant und wie können Unternehmen diese optimal nutzen, um ihre Zielgruppen anzusprechen?

Das lässt sich leider nicht verallgemeinern, sondern hängt stark von der Zielsetzung der Unternehmen ab. TikTok ist zwar gerade der Shooting-Star, aber das heißt ja nicht, dass die Plattform auch für alle Marken geeignet ist. Gerade unsere Branche neigt dazu, Hypes in immer schnellerer Reihenfolge zu produzieren. Da gehören Mut und Überzeugung dazu, sich auf die Kanäle zu beschränken, die am besten funktionieren und diese bestmöglich zu vernetzen. Oft bespielen die Firmen zu viele Channels parallel, statt sich auf die Erfolgversprechendsten zu konzentrieren. Stichwort Clubhouse: Letztes Jahr the next big thing, dieses Jahr spricht kaum noch jemand darüber. Und wenn, dann bei LinkedIn Audio. Auch bei Threads und Twitter würde ich mich als Werbetreibender erst mal entspannt zurücklehnen, testen, die Performance vergleichen und dann entscheiden. Was heute als Marketer anders ist als früher: Die Gewissheiten, was gut funktioniert, haben eine kürzere Halbwertszeit.

Welche Rolle spielen Influencer Marketing und Kooperationen mit Meinungsführern bei der Markenbildung und wie können Unternehmen diese Strategien erfolgreich einsetzen?

Dieser Bereich hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt und ist weltweit zu einem Milliarden-Business geworden. Wir haben dazu gerade in Deutschland eine kleine Marktumfrage unter 10 Agenturen gestartet, die zeigt, dass Influencer Marketing auch künftig Potenzial hat: Aktuell, so die befragten Agenturen,  steigen die Ausgaben und 2024 sollen die Spendings sogar um rund 20 Prozent anziehen. Diese Ergebnisse decken sich auch mit globalen Studien.

Die Dmexco-Umfrage zeigt zusätzlich: Besonders wichtig ist den Werbetreibenden bei der Auswahl eines passenden Influencers die Zielgruppe und die Identifikation mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung. Natürlich gibt es auch weiterhin klar performance-getriebene Ansätze, aber in Summe geht das Geschäft in Richtung Content Creation auf Augenhöhe. Denn Konsumentinnen und Konsumenten sind inzwischen deutlich kritischer und für Werbetreibende ist es daher erfolgsentscheidend, dass Creator hinter den vermarkteten Produkten stehen. Und diese authentisch über ein langfristiges Storytelling in ihrer Community platzieren. Bei den Mega-Influencern, die eine eigene Millionen-Reichweite aufgebaut haben, geht der Trend sogar weg von Marken-Kooperationen hin zu eigens gestalteten Marken. Damit wird der Influencer zum Wettbewerber klassisch aufgebauter Marken.   

Wie verändert die fortschreitende Technologie (z. B. Virtual Reality, Augmented Reality, sprachgesteuerte Assistenten) die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Zielgruppen ansprechen und Kundenbindungen aufbauen?

Erfolgreiche Digital-Marketer haben den Finger am Puls der Branche, testen viel und scheuen sich vor allem nicht davor, eine zuvor gefällte positive Entscheidung zügig zu kassieren, wenn sie nicht funktioniert. Um was es dabei geht, ist eigentlich egal. Wichtig ist es, agil zu sein, seine Zielgruppe nicht aus den Augen zu verlieren und die eigenen Schritte selbst laufend zu hinterfragen und wenn nötig zu korrigieren. Bestellen wir heute mehrheitlich Toilettenpapier über Alexa? Nein, aber wir lassen uns morgens wecken, den Wetterbericht vorlesen und die Playlist abspielen. Laufen wir alle mit Datenbrillen durch das virtuelle Universum? Nein, und wir werden auch in Zukunft nicht mit einer Apple Vision Pro an einer virtuellen Dmexco teilnehmen. Aber es gibt durchaus auch Business-Anwendungen für diese Headsets, die absolut Sinn ergeben. Jeder Marketer entscheidet selbst, welcher Mix für sein Unternehmen und seine Produkte der sinnvollste ist.  

Wie wichtig ist die Teilnahme an Messen und wie können Unternehmen davon bestmöglich profitieren?

Persönliche Treffen und Kontakte sind essenziell für den Erfolg. Und Events wie die Dmexco bieten die perfekte Möglichkeit, möglichst viele davon innerhalb kurzer Zeit wahrzunehmen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir über Entfernung digital kommunizieren können. Sie hat uns aber auch gezeigt: Emotionaler und effektiver ist es persönlich vor Ort. Am Tresen ist es schöner als bei Teams. 

Digitale Angebote können das persönliche Erlebnis dann perfekt ergänzen: Mit der Dmexco-App beispielsweise kann man den Besuch im Vorfeld planen und sich eine eigene Agenda erstellen, gezielt networken und auch wichtige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für das eigene Business finden. Auf unserer Website bieten wir ganzjährig thematische Specials rund um das gesamte Spektrum der Dmexco: von Retail Media über CTV bis hin zu Influencer Marketing und künstlicher Intelligenz. Und auch über unsere Social-Media-Kanäle kommunizieren wir laufend: Welche Speaker kommen, welche Branchen-Themen trenden gerade und in welchem Rahmen covern wir diese wo auf der Dmexco.

Aus diesem umfangreichen Angebot können sich natürlich auch die Aussteller die für sie relevanten Themen rauspicken und in ihr Angebot vor Ort integrieren, z.B. indem sie auf das Motto aufsetzen und es für ihr Business adaptieren. Wir haben dazu auch redaktionell auf unseren Seiten einige ganz konkrete Tipps für Aussteller zusammengestellt, die für Newbies, aber sicher auch für Dmexco-Profis ein paar gute Infos enthalten.In jedem Fall gilt: Mit einem gut strukturierten Konzept und einem klaren Ziel vor Augen, ist ein Dmexco-Auftritt der optimale Weg, um alte Kontakte zu pflegen, neue zu knüpfen und den wirtschaftlichen Erfolg anzutreiben.

Wie sieht die Zukunft von Live-Veranstaltungen aus? Könnten diese eine Mischung aus physischen und virtuellen Elementen sein, um den Bedürfnissen einer breiten Zielgruppe gerecht zu werden? Werden wir im Metaverse unsere Zielgruppe treffen?

Es gibt einen passenden Songtitel der Band Opus: Live is life. Wenn die Dmexco 2022 nach der Pandemie eins gezeigt hat, dann dass die Menschen sich persönlich und vor Ort treffen wollen! Nichts geht über den persönlichen Austausch! Die Qualität der Gespräche ist einfach eine andere und auch das gemeinsam Erlebte – eine inspirierende Keynote, eine coole Standparty, eine erfolgreicher Abschluss, der Abend in einem Kölner Brauhaus – schweißt über Jahre zusammen und das macht natürlich auch den Charme als Dmexco aus. Nicht umsonst sprechen alle vom jährlichen Klassentreffen der Branche. Das Live-Erlebnis gibt es nur vor Ort in Köln. Digital kann das aber ergänzen. Deshalb bieten wir im Nachhinein eine Video-Library der Vorträge an. Ich kann nicht komplett ausschließen, dass wir uns bei einer neuen Pandemie dann im Metaverse treffen – wenn es bis dahin mehr Reichweite bekommt. Aber den persönlichen Austausch zwischen Menschen wird die virtuelle Technologie niemals ersetzen können. 

Zum Schluss noch zum Thema Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit wird zu einem wichtigen Aspekt von Konferenzen und Messen. Welche strategischen Nachhaltigkeitsziele möchte die Koelnmesse erreichen und welche Meilensteine sind bereits erreicht worden? 

Die Koelnmesse als Veranstalter der Dmexco arbeitet zurzeit intensiv an ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und hat sich bereits zum Ziel gesetzt, bis 2035 komplett klimaneutral zu sein. Dazu werden CO2-Emissionen reduziert, Ressourcen gespart und erneuerbare Energien eingesetzt. Den Rahmen dafür sowie für zahlreiche weitere Aktivitäten bilden die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Schon heute tragen das dynamische Logistikmanagement eSlot, das weltweit größte Messe-Verkehrsleitsystem, zur Reduzierung von Staus und Kfz-Emissionen bei. Die Koelnmesse hat außerdem komplett auf Ökostrom umgestellt und ist auch Mitglied des Gemeinschaftsprojekts Net Zero Carbon Events und damit Teil einer globalen Initiative mit dem Ziel, die CO2-Emissionen im Veranstaltungssektor in Richtung Netto-Null zu führen. Zu den größten Herausforderungen zählen in diesem Geschäft ein effektives Abfall- und Wertstoffmanagement, Einsparpotenziale für Energie- und Materialverbrauch sowie nachhaltige Energiebeschaffung.

Um das alles gut zu schultern, hat die Koelnmesse das Label „Tradefairer“ entwickelt. Unter diesem Dach wird die zunehmende strategische Bedeutung des Themas vorangetrieben und zugleich der Geschäftsbereich Unternehmensentwicklung um den Themenschwerpunkt Sustainability erweitert. Dazu gehört auch mehr Personal für diesen Bereich.

Diese Ansätze sind natürlich nicht das Ende der Reise: Nachhaltigkeit ist ein Prozess der kontinuierlichen Optimierung aller Abläufe. Auch bei der Dmexco versuchen wir, möglichst ressourcenschonend zu planen und zu bauen. So bestehen unsere Bühnen und Networking Areas fast ausschließlich aus wiederverwendbaren Bauteilen und wir verzichten weitestgehend auf Einweg-Elemente wie Teppichböden oder Spanplatten-Konstruktionen. Außerdem haben wir 2019 den Dmexco Forest gestartet, um die CO2-Emissionen anreisender Gäste zu kompensieren. 2022 zum physischen Restart haben wir unser Engagement fortgesetzt und inzwischen auch Wälder in Ecuador, Kamerun und Madagaskar unterstützt und insgesamt über 3.000 Bäume gepflanzt. 2023 kommen 750 Bäume dazu, sodass das Aufforstungsprojekt bis zu seiner kompletten Realisierung 2029 ca. 1.000 Tonnen CO2 in der Atmosphäre absorbieren und speichern kann. Das entspricht etwa dem CO2-Ausstoß von 6.000 Economy-Class-Flügen von London nach Köln (Hin- und Rückflug).

Wir tun etwas, aber uns ist bewusst, dass wir noch mehr tun müssen, wir bei der Dmexco, aber auch wir als Gesellschaft.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview  führte Gabriele Braun, marketing-BÖRSE