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Die Zukunft des Frequency-Capping

Drei neue Ansätze für eine datenschutzorientierte Werbeindustrie.
RTB House GmbH | 28.06.2022
© freepik / senivpetro
 

In den letzten zwei Jahren hat die gesamte Werbeindustrie lebhaft über die bevorstehende Abschaffung der Third-Party-Cookies und die Auswirkungen auf die Werbeindustrie diskutiert. Es gibt zahllose Artikel, die das allgemeine Konzept der Google Privacy Sandbox und ihrer Alternativen erläutern, und der Frage, was mit der Branche geschehen wird, nachgehen. 

Die Auswirkungen des Cookie-Aus auf das Frequency-Capping werden jedoch kaum thematisiert. Dabei ist Frequency-Capping eines der wichtigsten Instrumente sowohl für Publisher als auch für Werbetreibende. Denn Frequency-Capping ermöglicht es zu limitieren, wie oft einem/r User*in eine bestimmte Werbung angezeigt wird. Ziel ist es, sowohl die Aufmerksamkeit für die Anzeige zu erhöhen als auch zu verhindern, dass die Werbung als störend empfunden wird. Eine zu hohe Ausspielfrequenz führt zu Ad-Fatigue. Da diese Methode bisher stark auf Third-Party-Cookies angewiesen war, ist deren Abschaffung ein großes Problem für Werbeplattformen. 

Die Google Initiative „Privacy Sandbox“ zielt darauf ab, Vorschläge für verschiedene Anwendungsfälle zu liefern, darunter auch Werbemaßnahmen wie das Frequency-Capping. Zwar gibt es noch keinen sofortigen Ersatz für die derzeit verwendeten Methoden, jedoch gibt es einige vielversprechende Ansätze, mit denen sich einige Funktionen des Frequency-Capping unter bestimmten Bedingungen  nachbilden lassen. Am 9 Juni haben Przemysław Iwańczak und Mateusz Rumiński ihr Paper beim IAB Tech Lab Summit vorgestellt, in dem sie drei verschiedene Ansätze für die Zukunft des Frequency Capping diskutieren. 

FLEDGE

FLEDGE ( https://github.com/WICG/turtledove/blob/main/FLEDGE.md ) ist eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee TURTLEDOVE ( https://github.com/WICG/turtledove/blob/main/Original-TURTLEDOVE.md ). Es zielt darauf ab, interessenbasierte Werbung auf eine datenschutzfreundliche Art und Weise anzubieten. FLEDGE verbietet ein seitenübergreifendes Tracking. Einfach ausgedrückt: Nutzerdaten und Interessen bleiben im Webbrowser gespeichert und verlassen das Gerät nicht und die Anzeigenauktion für interessenbasierte Werbung findet auf dem Gerät statt. Zu den berücksichtigten Merkmalen gehören "Browser Signals". Dabei handelt es sich um ein vom Browser erstelltes und verwaltetes Objekt, das Informationen, die dem Browser bekannt sind und von ihm überprüft wurden, den Sellern und Käufer*Innen von Codes zur Verfügung stellt. 

Für den Use-Case des Frequency-Capping könnten Marketer oder Werbeanbieter ein vom Browser bereitgestelltes prevWins-Array verwenden, um die vorherigen Anzeigenaufrufe (Anzeigendetails sowie Datum und Uhrzeit der Anzeige) aufzuzeichnen, ohne dass Informationen über das User-Level des Geräts hinaus geteilt werden. Die Daten für den Optimierungsprozess der Marketingkampagne können sie dann wiederverwenden. Alles findet auf dem Gerät statt. FLEDGE zielt darauf ab, den Vorschlag für interessenbasierte Werbung zu bewerten. In seiner ursprünglichen Form bietet FLEDGE kein Frequency-Capping bei kontextbezogener, Cookieless Werbung.

Die Erweiterung von FLEDGE wird jedoch laufend diskutiert. Kontextbezogene Anzeigen sollen mit umfangreichen Funktionen wie seitenübergreifendem Frequency-Capping ausgestattet werden. Um diese Funktion einzubinden, müssten kontextbezogene Anzeigen in FLEDGE einbezogen werden. Dazu gehört die Darstellung spezieller isolierter Frames (Fenced Frames), Private Reporting (Attribution Reporting) und weitere Anzeigen-Arten.

Shared Storage Proposal 

Beim Shared Storage Proposal handelt es sich um einen einfachen, privaten Datenspeicher, auf den nur der/die Eigentümer*in Zugriff hat und der eine Reihe von Use-Cases für das Marketing bieten könnte. Der wichtigste Unterschied zu der vorherigen Methode besteht darin, dass Shared Storage auch außerhalb von FLEDGE-Auktionen für eine breitere Auswahl von Use-Cases nützlich sein könnte, die nicht auf die Werbung selbst beschränkt sind (z.B. Kundenumfragen). Die einzige Voraussetzung ist die Verwendung von Fenced Frames für den Zugriff auf Shared Storage. Unter der Annahme, dass einige kontextbezogene Anzeigen auch in Fenced Frames dargestellt werden, könnte dieses Tool eine einheitliche Grundlage für die Begrenzung der Häufigkeit von interessenbasierten FLEDGE-Anzeigen und anderen Anzeigentypen bieten, die das Marketing-Arsenal stärken, wie zum Beispiel, kontextbezogene Anzeigen oder Anzeigen mit FLoC- oder Topics-API-ähnlichen Funktionen. Es könnte einen "globalen" Zähler für nicht-interessensbasierte Anzeigen bieten, der das Problem des Frequency-Capping vollständig lösen könnte, sowohl aus der Sicht der Käufer*in als auch aus der des Sellers im Hinblick auf Yield-/Adserving-Management. 

Microsoft PARAKEET

Microsofts PARAKEET ( https://github.com/WICG/privacy-preserving-ads/blob/main/Parakeet.md ) verspricht ähnliche Datenschutzfunktionen wie Chrome's FLEDGE. Die beiden unterscheiden sich dabei besonders in einem wichtigen Punkt. PARAKEET zielt darauf ab, ein vom Browser bereitgestellter Dienst zu werden, der den Datenschutz und die Verschleierung privater Daten auf Anzeigenanfragen anwendet, bevor diese an Werbenetzwerke gesendet werden. Zu den Änderungen gehören eine gröbere Geolokalisierung der Nutzer*Innen, die Anonymisierung der vom Publisher bereitgestellten Kontextmerkmale, und die anonymisierten Anzeigeninteressen von User*Innen, um diese vor Identifizierung und Deanonymization zu schützen. Der vorgeschlagene Anfragefluss ähnelt der heutigen RTB-Auktion. In der Lösung werden sowohl kontextbezogene als auch Nutzerinteressen-Merkmale in derselben Anfrage an den Käufer weitergeleitet, im Gegensatz zu dem in FLEDGE vorgeschlagenen dualen Fluss. In FLEDGE werden kontextbezogene und interessenbasierte Daten in getrennten Anfragen übermittelt. Die nachfrageseitige Plattform des Käufers ist in der Lage, den Gebotswert zu berechnen und geeignete Anzeigen auszuwählen, auf ähnliche Weise wie heute.  Auf der Serverseite kann der Gebotswert ohne die Leistungseinschränkungen der geräteinternen Gebotsabgabe berechnet werden. Ausgewählte Anzeigen, Gebotswerte und Metadaten werden über den Parakeet-Dienst an das Gerät der Nutzenden gesendet, und die endgültige Gewinnanzeige wird auf dem Gerät aus allen konkurrierenden Teilnehmenden ausgewählt. Es wird erwartet, dass das Frequency-Capping ähnlich wie bei FLEDGE durch die Verwendung von Daten ermöglicht wird, die im Browser der User im browserSignals-Objekt  gespeichert sind. 

Die neue Art des Frequency-Capping 

Das Internet, wie wir es kennen, verändert sich laufend. Die Erwartungen der Nutzer, die technischen Möglichkeiten und das rechtliche Umfeld ändern sich. Alles bewegt sich auf ein privateres Internet zu. Während einige Fragen bezüglich der Nachfolgetechnologie zu Third-Party-Cookies noch unbeantwortet sind, ist eines sicher: Advertising-Frequency-Control bietet einen klaren Mehrwert im offenen Internet-Ökosystem. Sie widerspricht auch nicht den Grundsätzen der Privatsphäre, so dass sie auch mit den neuen Privatsphäre-Maßnahmen neugestaltet werden kann. Marketer können also davon ausgehen, dass sie auf die ein oder andere Weise zukünftig zur Verfügung stehen wird. Die Entwicklung des Frequency-Capping ist Teil eines umfassenden Wandels hin zu einem Internet, das die Privatsphäre der Nutzer respektiert.