Die Welt nach Corona: Perspektiven für die Modebranche
Die Art, wie wir einkaufen, hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verändert. Im Zuge von – meist vorübergehenden, teils aber auch dauerhaften – Ladenschließungen wandten sich mehr Modebegeisterte denn je dem E-Commerce und Online-Marktplätzen zu. Marken und Händler folgten ihren Kunden und bauten die Präsenz auf Kanälen wie Zalando stark aus.
Inzwischen werden die strengsten Lockdown-Maßnahmen vielerorts wieder zurückgefahren. Ladengeschäfte öffnen, und auch Modehändler hoffen, dass in den kommenden Monaten wieder mehr Kunden in die Läden strömen, während das Online-Geschäft weiter anzieht. Doch auch, wenn es sicher Gründe gibt, optimistisch zu sein, steht die Modebranche in der nächsten Zeit vor einigen Hindernissen. Wie können Händler und Marken das Beste aus der nun anstehenden Erholungsphase machen – in den Einkaufsstraßen und auf digitalen Kanälen?
Verbraucher kombinieren Offline- und Online-Shopping. Der Handel sollte dies auch tun.
Die Kundenfrequenz in Ladengeschäften wieder zu steigern, könnte sich als schwieriger erweisen, als viele derzeit erwarten. Online-Kanäle haben sich während der Lockdowns als unkomplizierte Shopping-Adressen mit einem praktisch endlosen Produktsortiment etabliert. Die Verbraucher werden nicht vergessen, wie einfach es war, von Zuhause aus Artikel, Varianten und Preise zu vergleichen. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 40 % der Kunden davon ausgehen, auch nach Ende des Lockdowns häufiger online einzukaufen.
Händler sollten ihre Ladengeschäfte deshalb heute als weiteren Kanal im Kontext einer Gesamtstrategie sehen – nicht als Gegenpart zu ihren digitalen Ansätzen. Aber führt dies nicht automatisch zu mehr Komplexität beim Einkauf für die Kunden? Nicht unbedingt: Innovative Händler haben erkannt, dass jeder Touchpoint auf eine bestmögliche Kaufwahrscheinlichkeit optimiert werden muss und dass im Post-Lockdown-Shopping mit mehr kanalübergreifender Aktivität zu rechnen ist als zuvor.
Bei einer zwischen den Lockdowns im letzten Sommer durchgeführten Studie kam ChannelAdvisor zu dem Ergebnis, dass 36 % der Verbraucher häufiger online recherchieren, bevor sie ein Produkt im Laden kaufen. Dies kann verschiedene Gründe haben. Möglicherweise möchten viele Kunden sich nicht längere Zeit in potenziell vollen Geschäften aufhalten (Stichwort Infektionsrisiko). Es kann aber auch sein, dass die Verbraucher keine Lust mehr haben, in verschiedenen Läden Preise zu vergleichen, wenn sie das beste Angebot ganz einfach online finden.
Zumindest auf kurze Sicht wird sich dieser Trend wahrscheinlich fortsetzen. Umso wichtiger für Marken, ihren Verbrauchern auf allen Kanälen brauchbare Informationen zur Verfügbarkeit und andere Produktdaten bereitzustellen. Mit den richtigen Hinweisen auf Online-Plattformen können auch Ladengeschäfte nach wie vor Kunden anziehen.
Eine neue Ära der „Handelsdiplomatie“
Auch die Dynamik der Beziehungen zwischen Modemarken und Händlern dürfte sich zum Ende des Lockdowns nachhaltig verändert haben. Viele Brands haben im letzten Jahr neue Vertriebskanäle wie Social Selling für sich entdeckt, nutzen mehr Online-Marktplätze als zuvor oder gehen mit eigenen Direct-to-Customer-Websites in die Offensive. In etlichen Fällen konnten die Marken nur dank dieser digitalen „Schaufenster“ überleben und haben sich so eine ganz neue Online-Kundenbasis aufgebaut. Damit stehen plötzlich ganz neue Fragen im Raum: Welche Priorität sollen künftig die Partner im Handel innerhalb dieses Ökosystems haben? Was bedeuten die Veränderungen für die eigene Verhandlungsposition über Gewinnmargen? Und lohnt es sich für eine Marke überhaupt noch, in Anzeigen zu investieren, die Traffic auf Händler-Websites weiterleiten, wo doch die eigenen Kanäle zuletzt so erfolgreich waren?
Tatsächlich ist die Zeit reif für eine Verbesserung der Händlerbeziehungen. Marken sollten nicht länger nur Lieferanten sein. Sie sind echte Geschäftspartner. Eine solche Zusammenarbeit kann für beide Seiten profitabel sein.
Tatsächlich kann es sich für Marken langfristig sogar mehr lohnen, ihre Digital-Marketing-Strategie so anzupassen, dass Kunden wieder verstärkt zu Händlern weitergeleitet werden. Möglicherweise leidet das D2C-Geschäft ein wenig darunter, doch in den meisten Fällen wird das Conversion-Volumen insgesamt ansteigen. Viele Kunden sind „ihren“ Händlern nach wie vor treu verbunden. Diesen Konsumenten den Weg zum Kauf zu erleichtern, erhöht die Erfolgschancen signifikant. Die Weiterleitung von Leads an Partner im Handel ist darüber hinaus ein Zeichen echter Wertschätzung und geht über eine einfache Lieferantenbeziehung weit hinaus.
Übrigens: Eine datengestützte Zusammenarbeit funktioniert natürlich in beide Richtungen. Händler können von der Fülle an Daten, die die Marken über neue Online-Plattformen bereitstellen, profitieren und so auch ihre eigenen Marketing-, Verkaufs- und Produktinitiativen verbessern.
Immer am Puls der Zeit – bei Verbrauchern genauso wie bei neuen Plattformen
Das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit macht auch vor dem boomenden E-Commerce nicht Halt. Zum einen wird es für Konsumenten immer wichtiger. Aber auch Marktplätze und Händler greifen es auf und verändern ihre Anforderungen.
Ein gutes Beispiel ist Zalando: Der Mode-Marktplatz verkündete jüngst das Ziel, bis 2023 ein Viertel seines Warenwerts aus nachhaltigen Produkten zu erwirtschaften. Brands, die langfristig weiter so gute Geschäfte auf Zalando machen wollen wie im Lockdown, sollten sich dieses Versprechen zu eigen machen. Sonst verprellen sie womöglich Kunden und Vertriebspartner gleichermaßen.
Fürs Erste ist ein deutlicher Rückgang im Online-Geschäft auch nach der erneuten Öffnung des stationären Handels unwahrscheinlich. Daher sollten Umweltrichtlinien für das Versandgeschäft nicht vernachlässigt werden. Nachhaltige Verpackungen und papierlose Retourmöglichkeiten waren schon vor der COVID-19-Pandemie gute Ideen. In Zeiten steigender Online-Absätze sind sie es allemal.