Programmatic ist tot, lang lebe Programmatic!
3rd Party Cookie-Blocking, Googles Ankündigung alternative Identifier aus dem Ökosystem auszuschließen und coronabedingte Marktverschiebungen wirbeln das Geschäft vieler Marktteilnehmer gehörig auf. Doch neben der Diskussion sind es häufig die Werbetreibenden, die ratlos vor der Frage stehen: auf welches Pferd nun setzen? Die gute Nachricht ist: es existieren bereits vielversprechende Alternativen und diese müssen keinesfalls isoliert betrachtet werden.
Die Ankündigung von Google keine alternativen Identifier im eigenen Werbekosmos zuzulassen, versetzte die Branche rund um die programmatische Werbeausspielung zuletzt in helle Aufregung. Nicht zu Unrecht, denn würde der amerikanische Konzern mit der angekündigten Kohorten-Lösung sich als alleiniger Targeting-Ansatz durchsetzen und gleichzeitig aus dem immensen, hauseigenen Datenpool schöpfen, wären die Preisentwicklungen für programmatische Ads im luftleeren Raum. Ein Weckruf für die Branche sich aus der Komfortzone zu bewegen. Aber welche Lösung ist eigentlich die Beste für Advertiser?
Im Spiel zwischen nutzerbasiertem- und kontextuellem Targeting
Nutzerbasiertes Targeting ohne 3rd Party Cookie kann auch in Zukunft mit Hilfe von Identity-Lösungen möglich sein. Anbieter in dem Bereich, bieten die Möglichkeit den Nutzer-Consent zur Datenverarbeitung auf unterschiedlichen Websites zentralisiert über einen Dienst zu bündeln. Der Erfolg dieser zentralisierten Lösungen ist jedoch von der Kooperation mit möglichst vielen Publishern abhängig. Im Feld um die Log-In-Daten mischen auch die Walled Gardens mit und pushen mit ihren marktdominierenden Daten-Pools schon länger eine werberelevante Nutzung von First-Party-Daten. Auch der in der Entwicklung befindliche FLoC-Ansatz von Google kann verwendet werden, um Nutzer anhand von kohortenbasierten Nutzergruppen zu identifizieren. Nach heutigem Erkenntnisstand könnten zum Beispiel Kampagneninsights daraus gewonnen werden, dass analysiert wird, welche FLoC-IDs welches Kampagnenverhalten von Nutzern anzeigen und entsprechend eine höhere Wahrscheinlichkeit haben zur Conversion zu führen. Auch bei First-Party-Daten und Identity-Lösungen ist immer noch ein Consent der Nutzer notwendig, etwa über die Registrierung auf der Seite der Publisher. Auch bei cookiefreien Lösungen kann somit in Zukunft nicht auf die Zustimmung der Nutzer verzichtet werden, wenn diese auch weiterhin anhand eines Nutzerprofils gezielt angesteuert werden sollen.
Eine Alternative stellen die ID-freien Lösungen dar. Diese kommen ohne einen Consent der Nutzer aus und ermöglichen Nutzeridentifizierung und -adressierung. Ein Beispiel dafür ist das kontextuelle Targeting, welches bereits in den Anfängen der Online-Werbung stark genutzt wurde. Kontextuelles Targeting hat sich in den vergangenen zehn Jahren technologisch stark weiterentwickelt und gilt als eine der ausgereiftesten Targeting-Lösungen. Durch Machine Learning und Natural Language Processing (NLP) werden Inhalte von Websites sekundenschnell analysiert und relevante Werbeumfelder präzise erfasst. Hierbei geht es nicht mehr um bloße Content-Kategorien oder einzelne im Text vorhandene Wörter, vielmehr kann der tatsächliche Kontext und dessen Bedeutung erfasst und in Echtzeit für die Aussteuerung von Werbung berücksichtigt werden.
Individuellen Bedürfnissen von Advertisern gerecht werden durch Vereinheitlichung
Der beste Weg Nutzer zu erkennen und gezielt anzusprechen, gelingt nur mit der effektiven Kombination von ID-freien und ID-basierten Lösungen, um deren individuelle Stärken zur Geltung zu bringen. Werbetreibende sollten die Lösungen als unterschiedliche Datenpunkte miteinander verknüpfen können, um die individuell passende Kampagnenstrategie für sich zu finden. Auf der technischen Ebene würde ein Zusammenschluss von Lösungen bedeuten, dass bei jeder Ad-Impression geprüft wird, welche Informationen vorhanden sind, die für einen Rückschluss auf die Zielgruppe genutzt werden können. Es wird also eruiert, ob und wie ein Nutzer identifiziert werden kann, ob es ein entsprechendes Nutzerprofil gibt und auf welcher URL sich der Nutzer befindet. Auch weitere Attribute wie die Tages- und Uhrzeit oder der genutzte Browser können mit in das Kalkül einbezogen werden. Anhand aller vorhandenen Attribute entscheidet dann ein Targetingsystem, welche Zielgruppe sich hinter der Impression verbirgt und welche Maßnahme am besten für die Kampagne geeignet ist. Diese technische Verknüpfung bietet gleich mehrere Chancen für Marketing-Verantwortliche: sie bleiben damit unabhängig in der Wahl ihrer Targeting-Lösung und erlangen gleichzeitig wertvolle Insights über den Campaign-Fit der unterschiedlichen Methoden. Außerdem lässt sich Targeting dabei auf der Buy- sowie auf der Sell-Side aktivieren und ist damit auch bei zukünftigen Verschiebungen im programmatischen Ökosystem flexibel einsetzbar.
Fazit
In unsicheren Zeiten hilft es sich auf den Kern des digitalen Marketings zu besinnen: es geht darum möglichst viel über Konsumenten zu erfahren und einen großen Teil der Zielgruppe auf die effizienteste Art und Weise zu erreichen. Das lässt sich am effektivsten umsetzen, wenn möglichst viele Quellen nutzbar gemacht und damit Reichweitenüberschneidungen von fragmentierten Lösungen beseitigt werden. Um also in der Übergangszeit zur cookielosen Werbeausspielung eine wetterfeste Media-Strategie zu entwickeln, müssen sich Werbetreibende jetzt mit der Vereinheitlichung von Targeting-Lösungen befassen und sollten vermeiden alles auf ein Pferd zu setzen. Denn nur diese Strategie kann auch in Zukunft sicherstellen, dass Kampagnen-Performances genau analysiert und anhand von transparenten Insights kontinuierlich optimiert werden.