3 Strategien für E-Commerce-Entscheider, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen
Vielleicht steht der lange prophezeite Untergang des Einzelhandels nun doch bevor. Mehr als eine Million Menschen haben sich weltweit mit dem Coronavirus infiziert und wenn man bisher schon der Meinung war, dass sich die digitale Welt und damit auch der E-Commerce schnell veränderte, gehen die E-Commerce-Verantwortliche nun bei maximaler Unsicherheit und dem Wissen, dass sie ihr Vorgehen fast täglich anpassen müssen in die Planung für das nächste Quartal.
Nun da die Börsenkurse einbrechen, die Unternehmen unter Liquiditätsengpässen leiden und die Menschen anfangen ihre Jobs zu verlieren, zeigt sich, dass der Optimismus, den viele noch Ende Februar versprühten, reine Naivität war. Glücklicherweise bilden sich so langsam aber auch einige neue Konstanten in den Zeiten der Unsicherheit heraus, mit denen die E-Commerce-Verantwortlichen arbeiten können. Hier 3 E-Commerce-Strategien für Q2, die es sich lohnt genauer unter die Lupe zu nehmen:
#1: Arbeiten Sie an Ihrer Marktplatz-Strategie
Marktplätze wie Amazon und eBay dürften sich über den Anstieg von Besuchern und Bestellungen gefreut haben, als quasi jeder versuchte alle seine Besorgungen von der Couch zu erledigen. Auf der anderen Seite mussten sich die Branchenriesen aber auch harsche Kritik anhören, als sie raffgierige Verkäufer auf ihrer Plattform nicht (oder nicht schnell genug) in die Schranken wiesen, die Schutzmasken, Desinfektionsmittel & Co. zu horrenden Preisen verkauften.
Einzelhändler sollten in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs erwägen, alle Initiativen zur Einführung eigener Marktplätze deutlich zu beschleunigen. Diejenigen, die bisher noch keine Marktplatzstrategie haben, sollten die Einführung eines Marktplatzmodells prüfen und Drittanbieter einladen, auf ihrer Plattform zu verkaufen. H&M hat sich hier mit seinem Outlet-Marktplatz Afound bereits gut positioniert. Neben den Eigenmarken werden auch Schnäppchen anderer Marken angeboten. Leider gibt es das Angebot bisher nicht in Deutschland.
Andere Online-Händler unterstützen in der Krise kleinere stationäre Händler. So hat sich Zalando, trotz der prognostizierten Umsatz- und Profitabilitätsprognosen, dazu entschieden Händlern den Eintritt in ihren Marktplatz zu erleichtern, indem diese ihre Ware bis 31. Mai provisionsfrei verkaufen können.
Für Marken kann es durchaus Sinn ergeben sich mit großen Online-Händlern und Marktplätzen zusammenzutun, tummeln sich doch hier viele Verbraucher rein aus Gründen der Bequemlichkeit. Dafür spricht auch ein Ergebnis unseres diesjährigen Reimagining Commerce Reports das besagt, dass Verbraucher in 43 % der Fälle zuerst zu Amazon oder einem anderen Marktplatz gehen, wenn sie ein konkretes Produkt im Sinn haben. Während immerhin genau so viele nach dem Produkt googlen, gehen nur 10 % direkt zum Händler bzw. der Marken-Webseite. Und dieser Trend wird sich eher verstärken, da Verbraucher noch immer Preise, Bequemlichkeit und eine große Auswahl über das Markenerlebnis und die Produktinformation stellen.
Heineken stellt sich diesem Trend mit einem innovativen Marktplatzansatz entgegen. Man entschied sich mit BeerWulf einen eigenen Online-Bier-Händler auf der Episerver Plattform auszugründen. Im Shop kann man europaweit Bier, inklusive der hauseigenen Craft-Biere, bestellen. Ergänzt wird das Sortiment durch Biere kleinerer Microbreweries sowie Heinekens In-Home-Bierzapf- und Schankanlagen. Das ist kein Zufall, sondern ein sehr kluger Schachzug, um einen neuen Direktvertriebskanal zu schaffen, ohne dabei die bestehenden Vertriebskanäle zu stören.
Fazit
Als Händler sollten Sie unbedingt darüber nachdenken, einen eigenen Marktplatz zu eröffnen, um Amazon etwas entgegenzusetzen und ihren Kunden neben der Auswahl auch eine optimale Digital Experience zu bieten. Sind Sie hingegen ein Markenartikler (ohne Shop), sollten Sie über eine Listung bei Amazon oder einem der anderen großen Online-Händler nachdenken. Und wenn Sie es wirklich wissen wollen, dann nehmen Sie sich ein Beispiel an Heineken und starten Sie Ihren eigenen Direct-to-Consumer-Kanal. Kurz gesagt, Sie brauchen eine Marktplatzstrategie.
#2: Geschwindigkeit ist alles
Investitionen in die eigenen E-Commerce-Strategie, die kurz- und mittelfristig geplant waren, sollten direkt nochmals überprüft und angegangen werden. Brechen Sie die Initiativen in kleine Pilotprojekte herunter, die entweder unmittelbar die Customer Experience verbessern oder operative Probleme, die durch die aktuelle Krise offensichtlich wurden, lösen.
Ein Beispiel dafür wäre die Investition in das Omnichannel-Fulfillment als Teil der E-Commerce Strategie. Jetzt, da Läden wieder öffnen, kann Click-and-Collect dabei helfen, die Lagerbestände des stationären Handels zu reduzieren und den Verbrauchern im Umkehrzug eine schnellere „Lieferung“ anzubieten.
Große wie kleine Händler, inklusive des Lebensmittelhandels und der Gastronomie, sollten jetzt die Chance ergreifen und sich neu erfinden. Amerikanische Einzelhändler machen bereits erste Gehversuche damit ihre Geschäfte auf Drive-Ins umzustellen. Selbst Gourmet-Restaurants bieten mittlerweile Take-away oder Menüs samt Anleitung zum Selberkochen an. Unser Kunde Buffalo Wild Wings passte sich der neuen Situation an, indem er Online-Bestellungen und kostenfreie Lieferungen ins Programm aufnahm.
Grundsätzlich müssen sich wohl alle Händler umstellen, wenn es um die direkte Interaktion mit den Kunden geht. Für die Einhaltung der physischen Sicherheitsabstände müssen ebenso Konzepte erarbeitet werden, wie für das emotional veränderte Sicherheitsbedürfnis der Menschen.
Drive-in und die Lieferung durch lokale Märkte, sind zwei vielversprechende Kandidaten. Beim Drive-in kauft der Verbraucher quasi vorab ein und fährt nur zur Abholung vor. Bei der Ankunft legt ein Mitarbeiter den Einkauf in den geöffneten Kofferraum seines Autos. Diese Form des Einkaufs ist logistisch jedoch recht anspruchsvoll und erfordert oft erhebliche Investitionen in Software, Prozesse und Schulung der Mitarbeiter. Die andere Möglichkeit, der Versand ab Lager des lokalen Marktes durch den Händler, ist logistisch häufig einfacher abzubilden, da die Bestellungen von Mitarbeitern direkt aus dem Lagerbestand des Geschäfts kommissioniert und versandt werden. Der Vorteil für den Händler ist, dass ihre eigenen Mitarbeiter zu Lagermitarbeitern werden und ihre Altbestände so schneller in Bewegung kommen.
Fazit
Wie man es auch dreht und wendet, es ist Zeit für den Direktvertrieb. Hören Sie auf, sich hinter „business as usual“ und potenziellen Kanal-Konflikten zu verstecken. Wagen Sie den nächsten Schritt! Alles was es dazu braucht, ist eine klare Vision, eine durchdachte Kommunikation und die Bereitschaft, eingetretene Pfade zu verlassen.
Einige Lebensmitteleinzelhändler, die die Episerver-Plattform nutzen, haben auf Ersuchen ihrer Regierungen in nur vier Wochen den Direktvertrieb als zusätzliche Strategie eingeführt. Unglaublich, aber wahr!
#3: Nichts ist so stetig wie der Wandel
Das Coronavirus wird aller Voraussicht nach sowohl unser Leben als auch unser Arbeiten nachhaltig verändern. Werden die Büros etwa als Relikte der 2000er in die Geschichte eingehen? Was passiert, wenn weiterhin Kitas und Schulen geschlossen bleiben? Niemand weiß es, dennoch müssen sich die (Online) Händler auf alle (oder zumindest möglichst viele) Eventualitäten und deren Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten einstellen.
Die Verbraucher legen bereits jetzt großen Wert auf Transparenz und Flexibilität und es ist davon auszugehen, dass sich dieses Bedürfnis eher noch steigern wird. Transparente Preise und Bezahloptionen werden ein absolutes Muss. Sehen Sie die Pandemie daher als Chance eine authentische Kundenbeziehung aufzubauen. Sprechen Sie offen und ehrlich darüber, wie Ihr Unternehmen Kunden aktuell unterstützt und was sie erwarten können, wenn das Leben wieder zur Normalität zurückkehrt (sofern das jemals der Fall sein wird). Sollten z.B. Angebote, Rabatte oder Gebührenreduktionen auf die Krise beschränkt sein, kommunizieren Sie das jederzeit klar und deutlich.
Fazit
Auch Chaos bietet Chancen, wenn man für Veränderungen offen ist. So werden Schwachpunkte aufgedeckt und Teams wachgerüttelt, die plötzlich sehr kreativ an Lösungen arbeiten. Hürden, die unüberwindbar schienen, werden mit einem Mal fast spielend genommen – weil es sein muss. Menschen, die Veränderungen bisher eher kritisch gegenüberstanden, kommen in Bewegung um das Überleben ihres Unternehmens (und ihren Job) zu sichern.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Händler und Markenunternehmen müssen sich selbst neu erfinden – und zwar schnell.