print logo

Customer Journey Mapping - Denken wie ein Kunde

Erkenntnisse aus 3.400 Praxisübungen zeigen, wer sich am besten in den Kunden versetzen und so deren Customer Journey entscheidend verbessern kann.
Phil Winters | 28.08.2017
©
 
Wer im Unternehmen kann sich am Besten in die Rolle der Kunden versetzen?

Customer Journey Mapping ist heute in aller Munde. Während B2C Unternehmen sich mit dem Thema schon länger beschäftigen, ist es jetzt auch im B2B-Umfeld angekommen. Wie sieht es aber in der Praxis aus und welche Stolperfallen gibt es? 2016 habe ich weltweit eine Reihe von Workshops gehalten. Ziel für die Teilnehmer war, eine Customer Journey Map aus der Kundenperspektive zu erstellen. Als Grundlage diente die Customer IMPACT Methode, die ich ausführlich in meinem Buch „Customer Strategy - Aus Kundensicht denken und handeln“ beschreibe. Mehr als 3400 Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Branchen haben teilgenommen. Die wichtigsten Erkenntnisse sind in der oberen Grafik zusammengefasst.

B2B-Unternehmen sind von der Methode begeistert

Die größte Überraschung war, dass die Mehrheit der Teilnehmer aus B2B- und nicht aus B2C-Unternehmen stammte, wie ursprünglich erwartet.
In der Tat hatten die Teilnehmer aus B2C sowie kunden- und serviceorientierten Unternehmen bereits mehr Erfahrung und haben die Methode, die Kundenperspektive einzunehmen, schneller erfasst.

Für Teilnehmer aus B2B-Unternehmen war die Methode überwiegend komplett neu. Sie berichteten, über eine extreme Veränderung im Verhalten ihrer Kunden bei schwerwiegenden Entscheidungen und Investitionen. Fakt ist: Der Vertriebsmitarbeiter ist nicht mehr „der einzige und entscheidende Kontaktpunkt“ und wird erst viel später im Entscheidungsprozess involviert, in der Regel, wenn es um spezifischere Unterstützung und Fragen geht. Vor diesem Zeitpunkt wird er vom Kunden oft als unnötig oder sogar störend betrachtet.

Sich in das Denken und Handeln der Kunden zu versetzen braucht Zeit


Der häufigste Fehler, den selbst erfahrenere Teilnehmer bei der Übung machten, war zu verstehen, wie sich eine Customer Journey (Kaufentscheidungsprozess) zusammensetzt. Die entscheidenden Elemente sind: Entscheidungsphasen oder -schritte, Meilensteine, Touchpoints (Kontaktpunkte) sowie besondere Ereignisse, die einen Kauf auslösen. Alle Phasen werden ausführlich in meinem Buch beschrieben. Die wichtigste Aufgabe zu Beginn ist, die Phasen oder Entscheidungsschritte einer Customer Journey richtig zu benennen und zwar in den Worten des Kunden. Diese Aufgabe alleine, statt im Team mit Kollegen, durchzuführen ist nicht einfach, selbst wenn Sie Ihr Geschäft verstehen.

Wie Sie Lücken entdecken und das große Ganze sehen

Ein wichtiges Resultat aus den Workshops war, dass Teilnehmer aus unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens sich aufgeschlossener gegenüber Standpunkten von Mitarbeitern aus anderen Abteilungen zeigten, da jeder eine andere Sicht auf die Dinge hatte. Vertriebsmitarbeiter kannten sich meist nur mit den Phasen aus, in denen es um die „Shortlist“ und die Vertragsunterschrift ging. Die Serviceabteilung wusste was in den Phasen, nach dem Auftrag passierte. Die Marketingabteilung beschäftigte sich vor allem mit den frühen Phasen vor dem Kauf, in denen häufig der Lieferant bei einem potenziellen Kunden noch nicht einmal bekannt ist.

Daher betone ich in meinem Buch immer wieder, die besten Customer Journey Maps und Definitionen werden erstellt, wenn eine abteilungsübergreifende Gruppe erfahrener Mitarbeiter mit Kundenkontakt sich zusammensetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrung und Aufgaben entwickeln sie gemeinsam relativ schnell eine vollständige und verständliche Customer Journey Map aus der Kundenperspektive.

Es stellte sich außerdem heraus, dass aus den Wörtern, die die Teilnehmer nutzten, um die einzelnen Schritte und Phasen im Kaufentscheidungsprozess zu beschreiben, Lücken entdeckt oder grundlegende Missverständnisse aufgeklärt werden konnten, wie ihre eigenen Kunden sich für ihre Produkte und Dienstleistungen entschieden. Um alle Customer Journey Maps aus den Workshops zu analysieren, habe ich ein Wörterbuch mit 4000+ Begriffen erstellt (in acht Sprachen) die, die Teilnehmer benutzt haben, um die Phasen ihrer Kunden im Kaufentscheidungsprozess zu beschreiben. Im Anschluss habe ich jeden Begriff bewertet: War es ein Begriff, den ein Kunde wirklich nutzen würde („gut“) oder eher Firmenjargon („schlecht“)? War er kurz und prägnant („gut“) oder zu lang und ungenau „(schlecht“)? Eine Liste an Begriffen, die am wenigsten mit dem Kunden zu tun haben finden Sie im vollständigen Artikel (in englischer Sprache).

Die Kundenperspektive einzunehmen ist für manche Abteilungen leichter als für andere

Anhand der Auswertungen konnte man erkennen welche Abteilungen die Methode verstehen und sich gut in die Perspektive des Kunden versetzen können. Für diese Personen war es leicht eine akkurate Customer Journey Map zu erstellen. Welche Mitarbeiter glauben Sie schneiden am besten und welche am schlechtesten ab?

Sie denken IT? Falsch. Die IT-Mitarbeiter kamen gut zurecht, wahrscheinlich, weil sie viel mit CRM-Anwendungen zu tun haben. Sie sind daran gewöhnt die Brücke zwischen den Business-Units und IT-Systemen zu bilden und haben somit Erfahrung sich in die Rolle der Mitarbeiter anderer Abteilungen (interne Kunden) zu versetzen. Die Einnahme der Kundenperspektive erscheint für sie als der nächste logische Schritt.

Die Mitarbeiter im Marketing verstanden es am besten die Kundenperspektive einzunehmen und sie in den Worten ihrer Kunden zu beschreiben. Der Grund hierfür ist, dass sie sich bereits seit geraumer Zeit mit den digitalen Touchpoints auseinandersetzen und Erfahrungen gesammelt haben, wie sich ihre Kunden verhalten. Dieses Wissen konnten sie in den entsprechenden Entscheidungsphasen ihrer Kunden einbringen.

Die Gruppe, die sich am schwersten getan hat, waren die Mitarbeiter aus dem Vertrieb (Operations). Ja, diejenigen, die die größte Verantwortung für die Kundenbeziehung haben und Kunden direkt betreuen tun sich schwer sich in ihre Perspektive zu versetzen. Meine Analyse der guten und schlechten Begriffe, die Vertriebsmitarbeiter genutzt haben war sehr ernüchternd. Mehr dazu im ausführlichen Artikel (in Englischer Sprache).

Fazit: Wir stehen alle vor den gleichen Herausforderungen

Wie sieht es Länderübergreifend aus? Nord Amerika hat in Sachen Customer Journey Mapping die meiste Praxis-Erfahrung, sind im Allgemeinen aber unzufriedener mit den Ergebnissen. Der Grund hierfür liegt häufig darin, dass die meisten Methoden damit beginnen die Touchpoints zu bestimmen bevor sie den eigentlichen Entscheidungsprozess aus der Kundenperspektive definieren und sich damit auseinandersetzen in welcher Phase sich der Kunde bewegt und welche Touchpoints tatsächlich für ihn wichtig sind.

Die Unterschiede zwischen den Ländern, waren jedoch insgesamt nicht allzu gravierend. In jedem Workshop gab es einige Teilnehmer, die die Methodik erfasst haben und andere die mit der Methode strauchelten.
Branchen, die einem hohen Wettbewerbsdruck spüren und sich in stagnierenden Märkten bewegen, sind aufgeschlossener und denken darüber nach wie sie Customer Journey Mapping künftig einsetzen können.

Offensichtlich ist, ALLE B2B-Unternehmen wollen verstehen wie sich der Kaufentscheidungsprozess verändert hat. Das resultiert zum einem aus der großen Anzahl an verschiedenen Touchpoints, die heute zur Verfügung stehen und genutzt werden, zum anderen weil mehrere Verantwortliche auf Kundenseite in den unterschiedlichen Phasen involviert sind. Alle stimmten darin ein, dass es von größter Wichtigkeit ist zu analysieren wie sich das Verhalten und die Nutzung von Touchpoints ändert, um auch künftig im B2B-Umfeld zu bestehen, neue Kunden anzusprechen, zu gewinnen und zu binden.