Großunternehmen halten Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit für vereinbar
Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit – friends or foes?
Die EU will bis zum Jahr 2050 und Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Das sich damit verändernde wirtschaftliche und regulatorische Umfeld ist insbesondere für stark im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen eine Herausforderung. Steigende CO2 -Preise und sonstige Auflagen führen zu höheren Produktionskosten und bergen das Risiko von Carbon Leakage, also einer Verlagerung von Produktionsstätten in Länder mit geringeren Klimaschutzambitionen und CO2 -Kosten. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Länder, die sich zur Klimaneutralität bekennt, stetig – und damit auch der weltweite Bedarf an Klimaschutztechnologien und treibhausgasneutralen Produkten. Grüne Märkte sind die Leitmärkte der nahen Zukunft. Als weltweit zweitgrößtem Exporteur von Umwelt- und Klimaschutzgütern ergeben sich dadurch für deutsche Unternehmen beträchtliche Chancen auf zukünftiges Wachstum und Beschäftigung.
Großunternehmen sehen mehrheitlich positive Auswirkungen
Vor diesem Hintergrund ist interessant, wie die Unternehmen selbst auf den Zusammenhang zwischen Klimaneutralität und internationaler Wettbewerbsfähigkeit blicken. Das KfW-Klimabarometer, für das auch die – traditionell stärker im internationalen Wettbewerb stehenden – Großunternehmen in Deutschland befragt wurden, zeichnet hier ein überraschend positives Bild.
So erwarten rund 44 % aller Großunternehmen, dass sich der Umbau der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität positiv auf ihre eigene internationale Wettbewerbsfähigkeit auswirken wird. Weitere 31 % gehen davon aus, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die grüne Transformation nicht beeinflusst wird. Mit negativen Effekten rechnen nur 16 % der Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 500 Mio. EUR. Weitergehende Analysen deuten darauf hin, dass dieses Ergebnis branchenunabhängig ist. Auch im Verarbeitenden Gewerbe überwiegen die positiven Einschätzungen. Gleichwohl sind Großunternehmen mit geringeren Energiekostenanteilen an den Gesamtkosten mit Blick auf die Auswirkungen der grünen Transformation auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit tendenziell zuversichtlicher als Unternehmen mit höheren Energiekostenanteilen – und vermutlich höherer Emissionsintensität.
Wirtschaftsstandort Deutschland gewinnt durch grüne Transformation
Auch auf die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt blicken die Großunternehmen zuversichtlich: Mehr als drei Viertel erwarten, dass dieser durch die grüne Transformation an Attraktivität gewinnen wird. Negative Auswirkungen befürchten dagegen nur rund 12 % der Groß-unternehmen. Diejenigen, die sich bereits Klimaneutralitätsziele gesetzt oder Klimaschutzinvestitionen getätigt haben sehen den notwendigen Strukturwandel dabei generell positiver.
Rahmensetzung ist entscheidend
Wie sich der Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit auswirkt, hängt letztlich von der konkreten Ausgestaltung der nationalen und der EU-Klimapolitik ab. Solange das Ambitionsniveau wichtiger EU-Handelspartner beim Klimaschutz noch deutlich geringer ist, bedarf es für die Akzeptanz der grünen Transformation in Europa eines wirksamen Schutzes vor Wettbewerbsnachteilen, insbesondere für energieintensive Industrien. Der jüngst von der EU beschlossene CO2-Grenzausgleichsmechanismus und die geplanten Contracts for Difference, staatliche Betriebskostenzuschüsse für klimafreundliche Produktionsverfahren, zielen in diese Richtung. Die aktuelle Diskussion um den US-Inflation Reduction Act macht allerdings deutlich, dass beim Rennen um die Marktführerschaft grüner Technologien weitere strategische Antworten gefunden werden müssen – ohne dabei in einen kostspieligen Subventionswettbewerb zu geraten. Ein Muss für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas ist auf jeden Fall der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien und der Markthochlauf von grünem Wasserstoff.