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Bruttoinlandsprodukt schrumpft

Die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende deutlich abgeschwächt.
Bruttoinlandsprodukt © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023
 

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im 4. Quartal 2022 gegenüber dem 3. Quartal 2022 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,4 % gesunken. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war das BIP damit um 0,2 Prozentpunkte niedriger als in der Schnellmeldung vom 30. Januar 2023 berichtet. Die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende deutlich abgeschwächt. In den ersten drei Quartalen des letzten Jahres konnte das Bruttoinlandsprodukt trotz schwieriger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen noch zulegen (+0,8 %, +0,1 % und +0,5 %).Für das gesamte Jahr 2022 haben die neuesten Berechnungen das Wachstum von 1,8 % zum Vorjahr (kalenderbereinigt +1,9 %) bestätigt.

Private Konsumausgaben und Investitionen bremsten die Wirtschaftsleistung

Die weiterhin starken Preissteigerungen und die anhaltende Energiekrise belasteten die deutsche Wirtschaft zum Jahresende. Das machte sich besonders bei den privaten Konsumausgaben bemerkbar, die im 4. Quartal 2022 um 1,0 % zurückgingen (preis-, saison- und kalenderbereinigt). Nach dem Wegfall von Vergünstigungen wie Tankrabatt und 9-Euro-Ticket gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher im 4. Quartal 2022 weniger für Konsumzwecke aus als im 3. Quartal 2022. Zudem wurde auch weniger investiert als im Vorquartal: Die Bauinvestitionen nahmen wie schon in den beiden vorangegangenen Quartalen preis-, saison- und kalenderbereinigt ab (-2,9 %). Die Investitionen in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – gingen zum Jahresende ebenfalls deutlich zurück (-3,6 %). Die Konsumausgaben des Staates stiegen dagegen leicht gegenüber dem Vorquartal (+0,6 %).

Im 4. Quartal 2022 wurden preis-, saison- und kalenderbereinigt insgesamt 1,0 % weniger Waren und Dienstleistungen exportiert als im 3. Quartal 2022. Die Importe sanken mit -1,3 % noch etwas stärker. Neben der angespannten internationalen Situation mit nach wie vor gestörten Lieferketten war dies vor allem den hohen Preisen für Energie geschuldet, die sich unter anderem im schwächeren Handel mit chemischen Produkten bemerkbar machten.

Bruttowertschöpfung in den meisten Dienstleistungsbereichen im Minus

Die preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttowertschöpfung war im 4. Quartal 2022 um 1,4 % niedriger als im Vorquartal. Dabei erstreckte sich der Rückgang über fast alle Wirtschaftsbereiche. Lediglich in den Bereichen Information und Kommunikation, Grundstücks- und Wohnungswesen sowie bei den Unternehmensdienstleistern gab es leichte Zuwächse. Vor dem Hintergrund der hohen Inflationsraten fiel die Bruttowertschöpfung bei den sonstigen Dienstleistern (-6,8 %) und im Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe (-2,9 %) deutlich niedriger aus als im Vorquartal. Aufgrund starker Produktionsrückgänge in den energieintensiven Branchen wie der Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung ging die Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe im 4. Quartal 2022 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,6 % zurück. Im Baugewerbe sank die Wirtschaftsleistung mit 2,4 % das dritte Quartal in Folge.

Bruttoinlandsprodukt im Vorjahresvergleich gestiegen

Im Vorjahresvergleich war das BIP im 4. Quartal 2022 preisbereinigt 0,3 % höher als im 4. Quartal 2021. Preis- und kalenderbereinigt war der Anstieg mit 0,9 % höher, da weniger Arbeitstage zur Verfügung standen als ein Jahr zuvor.

Investitionen gegenüber Vorjahr deutlich im Plus, privater und staatlicher Konsum mit moderaten Zuwächsen

Die inländische Verwendung legte im Vorjahresvergleich trotz starker Preisanstiege und globaler Unsicherheiten weiter zu. Das gilt vor allem für die Ausrüstungsinvestitionen, die preisbereinigt gegenüber dem 4. Quartal 2021 um 3,1 % stiegen. Ein wesentlicher Grund dafür war der kräftige Anstieg der gewerblichen Pkw-Neuzulassungen zum Jahresende. Bei den Bauinvestitionen führten dagegen die weiterhin hohen Baupreise, einhergehend mit steigenden Bauzinsen, zu einer zunehmenden Anzahl von Stornierungen von Bauvorhaben. Zusätzlich wirkte sich die kalte Witterung im Dezember 2022 ungünstig aus. Insgesamt verzeichneten die Bauinvestitionen einen deutlichen Rückgang von preisbereinigt 4,9 % im Vergleich zum Vorjahr, sodass auch die Bruttoanlageinvestitionen insgesamt etwas geringer ausfielen als vor einem Jahr (-1,2 %).

Die privaten Konsumausgaben stiegen moderat um preisbereinigt 0,4 %. Dabei wurden die negativen Auswirkungen der hohen Preissteigerungen durch die Nachholeffekte der Corona-Krise überlagert, die sich zum Jahresende besonders durch gestiegene Ausgaben für Reisen und Gastronomie zeigten. Die staatlichen Konsumausgaben nahmen mit preisbereinigt 0,5 % ebenfalls moderat zu. Der Staat gab zwar deutlich mehr aus, um die zahlreichen Schutzsuchenden aus der Ukraine und anderen Staaten unterzubringen, zu verpflegen und zu unterrichten. Gleichzeitig reduzierten sich aber die Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Der Handel mit dem Ausland nahm im Vergleich zum Vorjahr noch leicht zu, verlor aber insbesondere im Warenhandel deutlich an Dynamik: Im 4. Quartal 2022 wurden preisbereinigt insgesamt 0,5 % mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als im 4. Quartal 2021, wobei die Warenexporte leicht rückläufig waren. Die Importe nahmen insgesamt im selben Zeitraum preisbereinigt um 1,9 % zu, was vor allem an kräftig gestiegenen Reiseverkehrsausgaben der Inländer im Ausland und anderen Dienstleistungsimporten lag, während die Warenimporte nur leicht stiegen.

Dienstleistungsbereiche steigerten ihre Wirtschaftsleistung im Vorjahresvergleich, restliche Wirtschaftsbereiche im Minus

Insgesamt lag die preisbereinigte Bruttowertschöpfung im 4. Quartal 2022 um 0,4 % über dem Niveau des 4. Quartals 2021.

Dieser Anstieg wurde alleine von den Dienstleistungsbereichen getragen. Hohe Zunahmen gegenüber dem Vorjahr verzeichneten die Sonstigen Dienstleister (+5,9 %), der Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit und der Bereich Information und Kommunikation (jeweils +3,7 %). Der Wirtschaftsbereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe konnte seinen Aufholprozess zum Jahresende nicht weiter fortsetzen und verzeichnete mit -0,7 % erstmals wieder einen Rückgang zum Vorjahresquartal. Verantwortlich hierfür waren vor allem die starken Preissteigerungen, die insbesondere den Handel belasteten. Das Gastgewerbe konnte dagegen deutlich zulegen, nachdem es im Vorjahr noch stark unter den Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie gelitten hatte.

Das Baugewerbe setzte seinen Abwärtstrend fort, die preisbereinigte Bruttowertschöpfung sank um 6,2 % zum Vorjahr. Dazu trug neben dem Material- und Fachkräftemangel auch die kalte Witterung im Dezember bei. Einen Rückgang verzeichnete auch das Verarbeitende Gewerbe mit -1,1 %. Verantwortlich hierfür waren vor allem Produktionseinbußen in jenen Industriezweigen, die besonders unter den stark gestiegenen Energiepreisen zu leiden hatten.

Erwerbstätigenzahl erneut mit Höchststand

Die Wirtschaftsleistung wurde im 4. Quartal 2022 von rund 45,9 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland erbracht. Das waren 492 000 Personen oder 1,1 % mehr als ein Jahr zuvor. Damit wurde ein neuer Höchststand erreicht (siehe Pressemitteilung Nr. 063/23 vom 16. Februar 2023).

Im Durchschnitt wurden je Erwerbstätigen 1,5 % weniger Arbeitsstunden geleistet als im 4. Quartal 2021. Dazu trug neben Kalendereffekten auch ein erhöhter Krankenstand bei. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen – also die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen – ging um 0,5 % zurück. Das ergaben vorläufige Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.

Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – nahm gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,8 % ab. Je Erwerbstätigen gerechnet war sie um 0,7 % niedriger als vor einem Jahr.

Einkommen und Konsum steigen nominal kräftig, Sparquote niedriger als im Vorjahr

In jeweiligen Preisen gerechnet war das BIP im 4. Quartal 2022 um 6,5 % und das Bruttonationaleinkommen um 6,3 % höher als ein Jahr zuvor. Das Volkseinkommen war um 3,5 % höher als im 4. Quartal 2021. Dabei stieg nach vorläufigen Berechnungen das Arbeitnehmerentgelt um 6,3 %, während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen zurückgingen (-3,9 %). Die durchschnittlichen Bruttolöhne und -gehälter verzeichneten im 4. Quartal 2022 ein Plus von 5,6 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Neben tariflich vereinbarten Lohnsteigerungen ist dieser Zuwachs vor allem auf den Rückgang der Kurzarbeit zurückzuführen. Die Bruttolöhne und -gehälter insgesamt waren um 6,8 % höher als im Jahr zuvor, da sich auch die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erneut erhöhte. Auch aufgrund der dämpfenden Wirkung des Steuerentlastungsgesetzes 2022 stiegen die Nettolöhne und -gehälter mit +7,5 % etwas stärker als die Bruttolöhne und -gehälter. Insgesamt ergaben sich aufgrund der extrem hohen Inflation aber auch zum Jahresende 2022 im Durchschnitt spürbare Reallohnverluste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Mit 10,8 % lag die Sparquote im 4. Quartal 2022 unter dem Vorjahreswert (11,5 %). Insbesondere die starken Preiserhöhungen für Energie und Nahrungsmittel haben dazu beigetragen, dass die privaten Konsumausgaben in jeweiligen Preisen im Vorjahresvergleich um 9,3 % zulegten. Das verfügbare Einkommen erhöhte sich im Vorjahresvergleich mit 8,7 % etwas weniger stark. Ohne die staatliche Energiepauschale wäre dieser Anstieg geringer ausgefallen.

Die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich

Auch in den anderen großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie in der EU insgesamt hat sich die Wirtschaft im 4. Quartal 2022 abgekühlt. Während Spanien und Frankreich noch einen leichten Anstieg von 0,2 % bzw. 0,1 % im Vergleich zum 3. Quartal 2022 verzeichneten, ging das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP in Italien um 0,1 % zurück. In der EU insgesamt stagnierte das BIP gegenüber dem 3. Quartal 2022 nach vorläufigen Berechnungen des europäischen Statistikamtes Eurostat. Die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten (USA) nahm mit 0,7 % im Vergleich zum Vorquartal stärker zu als die der meisten europäischen Staaten. Im Vorjahresvergleich liegt Deutschland gemessen an den preis-, saison- und kalenderbereinigten BIP-Wachstumsraten international etwa im Mittelfeld.