Jamaika-Koalition aus Wählersicht mit größter Digital-Kompetenz
Rund drei Wochen vor der Bundestagswahl liegt aktuell die SPD in den Wählerumfragen deutlich vor CDU, Grünen, FDP und Linken. Die Union befindet sich im Rekordtief auf dem zweiten Platz während sich die Liberalen langsam den Grünen annähern. Doch wie hoch schätzen die Wähler:innen die Kompetenzen der Parteien im Bereich Digitalisierung ein? Das digitalpolitische Wahlbarometer, das eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey sowie mit Unterstützung des Vodafone Instituts und den Mitgliedsunternehmen Leaseweb und Huawei entwickelt hat, zeigt hier über die letzten Monate betrachtet starke Schwankungen in den Bewertungen der Wähler:innen. Die größte Zustimmung (über 60 %) in Bezug auf digitalpolitische Kompetenzen erhielte demnach aktuell ein Bündnis aus Union, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.* eco Vorstandschef Oliver Süme erklärt auf Basis der Umfragen sowie einer Analyse der Wahlprogramme, welche Themen die Parteien jetzt adressieren müssten um ihr Digitalprofil zur Bundestagswahl zu schärfen:
„Die Digitalisierung bietet Lösungen für viele der drängendsten Fragen der kommenden Jahre, sei es die Bewältigung des Klimawandels, der Umgang mit Ressourcen, Strategien gegen den Bildungsnotstand und soziale Ungleichheit, oder auch Cybersicherheit“, sagt Oliver Süme. Digitalpolitische Aspekte müssten daher in allen Politikbereichen von Anfang an mitgedacht werden und strategischer Bestandteil jeder politischen Neuausrichtung in der nächsten Legislaturperiode sein. Die Wahlbarometer-Umfragen zeigen über die letzten Monate hinweg, dass ein konstant hoher Anteil von rund einem Drittel aller Befragten (aktuell rund 29 %) dem Thema Digitalpolitik einen hohen bis sehr hohen Stellenwert für seine Wahlentscheidung einräumt. „Das heißt, mit einer hohen Digitalkompetenz könnten Parteien jetzt noch bei vielen Wähler:innen punkten“, so Süme weiter.
eco Wahlbarometer: FDP beim Thema Digitalisierung vorn, Grüne und Union gleichauf vor SPD, Linke abgeschlagen
Die größte Digitalkompetenz sehen Bürger:innen aktuell bei den Liberalen, die sich seit April von 18,5 auf jetzt 23,1 % deutlich verbessert haben. Ein gegenläufiger Trend zeichnet sich hingegen bei der Union ab, die zunächst mit 25,5 % auf der Spitzenposition gestartet war und nun mit 18,4 % knapp hinter den Grünen mit 18,7 % (abgesunken von zwischenzeitlich 22 %) liegt. Die SPD hat zwar seit April einige Prozentpunkte zugelegt (von 7,6 % auf 11,3 %) liegt aber immer noch in deutlichem Abstand zu CDU, FDP und Grünen. Das Schlusslicht bildet die Linke mit aktuell 2,8 %.
Aus Sicht der Bürger:innen sollte die nächste Bundesregierung besonders dringend die Themen digitaler Infrastrukturausbau (51,8 %), digitale Verwaltung (37,5 %), Cybersicherheit (35,2 %), und digitale Bildung (31,9) angehen.**
eco Vorstand Oliver Süme fordert strukturelle Neuausrichtung der Digitalpolitik
„Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien zeigt, dass parteiübergreifend weitgehende Einigkeit über die dringenden Fragestellungen und Herausforderungen rund um die digitale Transformation besteht“, erläutert Oliver Süme, allerdings zeigten sich teilweise deutliche Differenzen in der Gewichtung sowie den vorgeschlagenen Strategien und Maßnahmen. „Erfreulich ist, dass alle Parteien auch zahlreiche Forderungen des eco aufgreifen“, so Süme. Alle untersuchten Wahlprogramme haben einen forcierteren Gigabit-Netzausbau als dringende digitalpolitische Herausforderung erkannt und diesem als Grundvoraussetzung für das Gelingen der Digitalisierung oberste Priorität beigemessen. Leistungsfähige digitale Infrastrukturen sind das Fundament für die Digitalisierung. Auch das Thema digitale Identitäten sehen die Parteien als relevant an. Ebenso spielen Maßnahmen zur Plattformregulierung und Förderung der digitalen Souveränität in den meisten Programmen eine Rolle.
„Grundsätzlich spiegeln alle Programme die Tatsache wider, dass Deutschland in der kommenden Legislaturperiode digitalpolitisch viele Baustellen angehen und Herausforderungen bewältigen muss. Der seit Jahren verschleppte Breitbandausbau ist die schwerste und größte Herausforderung. Leistungsfähige digitale Infrastrukturen bilden das Fundament für die weitere Digitalisierung. Ob weitere Regulierung, wie sie von nahezu allen Parteien zu erwarten ist, tatsächlich Digitalisierung vorantreibt und Wettbewerb fördert, sehe ich skeptisch. Hingegen bestärkt mich dies in unserer seit Jahren formulierten Forderung nach einem Digitalministerium, das die vielen digitalpolitischen Fäden künftig zusammenhalten und koordinieren könnte“, so Süme weiter. Dieses müsse über die nötigen Kompetenzen, Ressourcen und Budgets verfügen, um digitalpolitische Strategien nicht nur zu entwickeln, sondern auch ressortübergreifend umsetzen zu können. Hierfür sei auch ein struktureller Umbau staatlicher Entscheidungsstrukturen in diesem Zusammenhang nötig, so Oliver Süme. In diesem Zusammenhang müsse auch über eine Neuordnung der Bund-/Länderkompetenzen nachgedacht werden. Ein Digitalministerium wird aktuell nur von FDP und CDU explizit gefordert.
In Bezug auf das digitalpolitisch von einem Großteil der Bevölkerung favorisierte Jamaika-Bündnis aus Union, Liberalen und den Grünen zeigen die Wahlprogramme der drei Parteien eine ähnliche Priorisierung und Ausrichtung der Themen Netzausbau, Regulierung digitaler Geschäftsmodelle und Plattformen. CDU und FDP setzen außerdem Schwerpunkte beim Thema eGovernment. Konfliktpotenziale könnte es hingegen beim Thema staatliche Überwachung geben, da die CDU die Vorratsdatenspeicherung unter innen- und sicherheitspolitischen Erwägungen als notwendig ansieht, während FDP und Grüne diese aus bürgerrechtlichen Erwägungen klar ablehnen.
Klar ist: Auch unter netzpolitischen Gesichtspunkten sind die Bundestagswahlen am 26. September und die anschließenden Koalitionsverhandlungen daher von großer Bedeutung. Sie stellen die Weichen für den Erfolg der digitalen Transformation in Deutschland.
*Das digitalpolitische Wahlbarometer liefert ein Stimmungsbild der Gesamtbevölkerung in Deutschland bzw. der einzelnen Bundesländer zu strategischen digitalpolitischen Themen im Zeitverlauf bis zur anstehenden Bundestagswahl. Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat dazu im Auftrag von eco bislang 22.140 Personen zwischen dem 12.04. und 06.09.2021 befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Einwohner Deutschlands ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 2,5 Prozent. Die Umfragen laufen kontinuierlich bis Ende September 2021 weiter.
** Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat dazu im Auftrag von eco bislang 6.157 Personen zwischen dem 02.09. und 06.09.2021 befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Einwohner Deutschlands ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 2,5 Prozent. Die Umfragen laufen kontinuierlich bis Ende September 2021 weiter.