Wird der Überwachungsstaat ausgebaut?
Wie vom Bundesverfassungsgericht erst am 02.03.2010 abgewiesene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung soll nun doch in entschärfter Form kommen.
Während in der Taz noch am 13.11.2010 zu lesen war, dass Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kompromisslos bleibt und weiter gegen jede Form der anlasslosen Speicherung von Internet-Verbindungsdaten sei, hat sie ihre Meinung offenbar geändert. Die Ministerin hat sich nun bezüglich Internet für das Verfahren "Quick Freeze Plus" ausgesprochen. Bei diesem, auch als "Vorratsdatenspeicherung light" bekannten Ansatz sollen Verbindungsdaten einige Tage verdachtsunabhängig von den Providern aufbewahrt werden. Die FDP-Politikerin plädiert in einem Eckpunktepapier für einen entsprechenden Gesetzesentwurf, über den nun die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Die Rede ist hier von einer siebentägigen Speicherfrist. Weiter soll die Möglichkeit hinzukommen, dass Ermittler bei "hinreichendem Anlass" auf Verdacht einer Straftat ein Einfrieren von Verkehrs- und Standortdaten bei allen Telekommunikationsanbietern anordnen können. Um auf die Daten zugreifen zu können und diese auszuwerten, soll dann noch eine richterliche Genehmigung benötigt werden.
Die Frage, die man sich hierbei stellen muss, ist, was wohl ein "hinreichender Anlass" auf Verdacht einer Straftat ist. In der Realität ist dieser Verdacht wohl immer und gegenüber jedem gegeben. Sobald der Polizist einen Verdacht auf eine Straftat hat, kann er einen Sicherungsantrag stellen. Sind die Daten erstmal gesammelt, kann die Polizei den Verdacht natürlich nur untermauern,wenn sie Zugriff auf die Daten hat. Was bleibt dem zuständigen Richter also anderes übrig, als die ausstehende Genehmigung zu erteilen?
Bezüglich der Diskussion sollte man von der Tatsache wissen, dass Vertreter der CDU/CSU-Fraktion seit Längerem auf eine Wiedereinführung der allgemeinen Vorratsdatenspeicherung drängen. Es ist also durchaus zu vermuten, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger mit dem Quick-Freeze-Plus-Modell, das ursprünglich durch den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ins Spiel gebracht wurde, einen Kompromiss in Richtung CDU/CSU auf den Tisch bringen möchte. Bei dieser Regelung ist zu befürchten, dass nicht nur die Polizei wahllos überwacht, sondern auch, dass die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in abgeschwächter Form einem "Dammbruch" im Datenschutz gleichkommt.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärte jüngst, dass "eine Verkürzung des Speicherzeitraums nichts an den fatalen Wirkungen jeder verdachtslosen Totalspeicherung ändern würde". Leutheusser-Schnarrenberger betonte demgegenüber in der SZ, dass ihr Vorschlag "ja überhaupt keine Vorratsdatenspeicherung im bisherigen Sinn vorsieht". Die "eng befristete Speicherung" von Verbindungsdaten im Online-Sektor für eine Woche solle vor allem Bestandsdatenauskünfte ermöglichen,also die Zuordnung von IP-Adressen zu Personen beziehungsweise zu den bei den Providern angemeldeten Kundendaten.
Der bekannte Hannoveraner Oberstaatsanwalt Dieter Kochheim (Betreiber www.cyberfahnder.de) machte die Aussage, dass Quick Freeze ohne Plusvariante im bürgerrechtlichen Sinne bedrohlicher im Vergleich zur allgemeinen Vorratsdatenspeicherung sei. Strafverfolger müssten bei diesem Vorgehen "ständig" die Aufnahmetaste für "Verkehrsdaten" drücken, also jedwede Internet- und Telekommunikation per se als verdächtig einstufen. Da sich die Ermittler hierbei unter Zeitdruck fühlen, würden sie so häufiger Datenaufzeichnungen bei den Providern anordnen, auch wenn sie diese letztlich nicht bräuchten. Dies führe zu einem "Orwell-Staat". Bei der klassischen Vorratsdatenspeicherung, bei der alles ersteinmal gespeichert wird, könnten Strafverfolger dagegen "erst einmal andere Ermittlungsergebnisse abwarten" und dann gegebenenfalls einen Zugang zu Verbindungs- oder Standortdaten begehren.
Als Datenschützer und Sachverständiger für IT-Systeme kann ich mich nur gegen jegliche Art der Vorratsdatenspeicherung aussprechen. Bei sicher guter Absicht sieht Herr Kochheim hier den Tatsachen nicht ins Auge.
Matthias Walter
EDV-Sachverständiger und Datenschutzbeauftragter
tec4net IT-Solutions
Flunkgasse 22
81245 München
http://www.tec4net.com
info@tec4net.com
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Quellen und Links:
Webseite zu diesem Thema
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/421/55/lang,de/
Entscheidung des BGH
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html
Die SZ im Gespräch mit der Bundesjustizministerin
http://www.sueddeutsche.de/politik/justizministerin-im-sz-gespraech-es-darf-nicht-uferlos-gespeichert-werden-1.1047230
SPIEGEL ONLINE im Gespräch mit Dieter Kochheim
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,738708,00.html
Buchtipps:
Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte
http://it-news-blog.com/?p=158
Ausgespäht und abgespeichert: Warum uns die totale Kontrolle droht und was wir dagegen tun können
http://it-news-blog.com/?p=162
Während in der Taz noch am 13.11.2010 zu lesen war, dass Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kompromisslos bleibt und weiter gegen jede Form der anlasslosen Speicherung von Internet-Verbindungsdaten sei, hat sie ihre Meinung offenbar geändert. Die Ministerin hat sich nun bezüglich Internet für das Verfahren "Quick Freeze Plus" ausgesprochen. Bei diesem, auch als "Vorratsdatenspeicherung light" bekannten Ansatz sollen Verbindungsdaten einige Tage verdachtsunabhängig von den Providern aufbewahrt werden. Die FDP-Politikerin plädiert in einem Eckpunktepapier für einen entsprechenden Gesetzesentwurf, über den nun die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Die Rede ist hier von einer siebentägigen Speicherfrist. Weiter soll die Möglichkeit hinzukommen, dass Ermittler bei "hinreichendem Anlass" auf Verdacht einer Straftat ein Einfrieren von Verkehrs- und Standortdaten bei allen Telekommunikationsanbietern anordnen können. Um auf die Daten zugreifen zu können und diese auszuwerten, soll dann noch eine richterliche Genehmigung benötigt werden.
Die Frage, die man sich hierbei stellen muss, ist, was wohl ein "hinreichender Anlass" auf Verdacht einer Straftat ist. In der Realität ist dieser Verdacht wohl immer und gegenüber jedem gegeben. Sobald der Polizist einen Verdacht auf eine Straftat hat, kann er einen Sicherungsantrag stellen. Sind die Daten erstmal gesammelt, kann die Polizei den Verdacht natürlich nur untermauern,wenn sie Zugriff auf die Daten hat. Was bleibt dem zuständigen Richter also anderes übrig, als die ausstehende Genehmigung zu erteilen?
Bezüglich der Diskussion sollte man von der Tatsache wissen, dass Vertreter der CDU/CSU-Fraktion seit Längerem auf eine Wiedereinführung der allgemeinen Vorratsdatenspeicherung drängen. Es ist also durchaus zu vermuten, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger mit dem Quick-Freeze-Plus-Modell, das ursprünglich durch den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ins Spiel gebracht wurde, einen Kompromiss in Richtung CDU/CSU auf den Tisch bringen möchte. Bei dieser Regelung ist zu befürchten, dass nicht nur die Polizei wahllos überwacht, sondern auch, dass die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in abgeschwächter Form einem "Dammbruch" im Datenschutz gleichkommt.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärte jüngst, dass "eine Verkürzung des Speicherzeitraums nichts an den fatalen Wirkungen jeder verdachtslosen Totalspeicherung ändern würde". Leutheusser-Schnarrenberger betonte demgegenüber in der SZ, dass ihr Vorschlag "ja überhaupt keine Vorratsdatenspeicherung im bisherigen Sinn vorsieht". Die "eng befristete Speicherung" von Verbindungsdaten im Online-Sektor für eine Woche solle vor allem Bestandsdatenauskünfte ermöglichen,also die Zuordnung von IP-Adressen zu Personen beziehungsweise zu den bei den Providern angemeldeten Kundendaten.
Der bekannte Hannoveraner Oberstaatsanwalt Dieter Kochheim (Betreiber www.cyberfahnder.de) machte die Aussage, dass Quick Freeze ohne Plusvariante im bürgerrechtlichen Sinne bedrohlicher im Vergleich zur allgemeinen Vorratsdatenspeicherung sei. Strafverfolger müssten bei diesem Vorgehen "ständig" die Aufnahmetaste für "Verkehrsdaten" drücken, also jedwede Internet- und Telekommunikation per se als verdächtig einstufen. Da sich die Ermittler hierbei unter Zeitdruck fühlen, würden sie so häufiger Datenaufzeichnungen bei den Providern anordnen, auch wenn sie diese letztlich nicht bräuchten. Dies führe zu einem "Orwell-Staat". Bei der klassischen Vorratsdatenspeicherung, bei der alles ersteinmal gespeichert wird, könnten Strafverfolger dagegen "erst einmal andere Ermittlungsergebnisse abwarten" und dann gegebenenfalls einen Zugang zu Verbindungs- oder Standortdaten begehren.
Als Datenschützer und Sachverständiger für IT-Systeme kann ich mich nur gegen jegliche Art der Vorratsdatenspeicherung aussprechen. Bei sicher guter Absicht sieht Herr Kochheim hier den Tatsachen nicht ins Auge.
Matthias Walter
EDV-Sachverständiger und Datenschutzbeauftragter
tec4net IT-Solutions
Flunkgasse 22
81245 München
http://www.tec4net.com
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Quellen und Links:
Webseite zu diesem Thema
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/421/55/lang,de/
Entscheidung des BGH
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html
Die SZ im Gespräch mit der Bundesjustizministerin
http://www.sueddeutsche.de/politik/justizministerin-im-sz-gespraech-es-darf-nicht-uferlos-gespeichert-werden-1.1047230
SPIEGEL ONLINE im Gespräch mit Dieter Kochheim
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,738708,00.html
Buchtipps:
Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte
http://it-news-blog.com/?p=158
Ausgespäht und abgespeichert: Warum uns die totale Kontrolle droht und was wir dagegen tun können
http://it-news-blog.com/?p=162