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Wie du mir, so ich dir – Die Rache unserer Kunden

Was hat die schlechte Zahlungsmoral von manchen Kunden mit dem Geschenk eines kleinen Mädchens an seine Retterin zu tun?
Gaby S. Graupner | 16.01.2014
Gestern Abend. Krimizeit. Ein kleines Mädchen soll entführt werden und wird deshalb von einer sehr netten FBI-Agentin in Sicherheit gebracht. Dass das kleine Mädchen total verängstigt ist, ist offensichtlich, deshalb schenkt ihr die Frau einen Anstecker mit der amerikanischen Flagge mit den folgenden Worten: „Das ist ein Zauberstecker, er beschützt dich und macht dich ganz stark.“ Das Mädchen lächelt und greift sofort an sein Handgelenk, an dem es ein Armband mit lustigen Tierfiguren trägt, nimmt es ab und schenkt es der Agentin. Natürlich war es ein amerikanischer Krimi. Doch genau diese Reaktion erleben wir nicht nur in drehbuchgeführten Krimis und in Amerika, sondern diese Reaktion gibt es auf der ganzen Welt. Und gerade Kinder machen dies ganz intuitiv schon sehr früh. Sie bekommen ein Geschenk und geben spontan ein Geschenk zurück. Dabei geht es nicht um Werte oder das Abwägen, ob das eigene Geschenk teurer oder billiger ist, sondern es ist eine ganz spontane, von Herzen kommende Geste. Bei meinen eigenen Kindern habe ich sogar erlebt, dass sie in solch einer Situation ihr Lieblingskuscheltier von Herzen gerne hergegeben haben und dann abends bitterlich weinten, weil sie es vermissten. Der Fachbegriff dafür ist Reziprozität.

Seit den frühen 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat diese Form der sozialen Präferenz Eingang in die Wirtschaftswissenschaften gefunden. Der Begriff „Reziprozität“ bedeutet: „Wie du mir, so ich dir!“ Es bedeutet, dass wir Menschen belohnen, die großzügig waren oder uns einen Gefallen erwiesen haben oder einfach nur ein faires Verhalten an den Tag legten.

Das wirkt bei dem kleinen Mädchen in dem Krimi, das erleben wir bei der Nachbarin, der wir an einem kalten Wintermorgen Starthilfe für ihr Auto gegeben haben und es wirkt im Marketing, wenn wir kleine Gratisproben eines Produktes bekommen oder zum Beispiel die Tageszeitung einige Zeit mit einem kostenlosen Abo testen können. Auch, wenn wir aufgrund des Überangebotes dieser Gratisangebote heute viel öfter „nein“ sagen als früher, tun wir es immer mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Wogegen in engeren Beziehungen wie im Beispiel der Nachbarin sicherlich spätestens am nächsten Tag eine Flasche Wein oder eine Schokolade als Dankeschön abgegeben wird. Hier erfolgt die positive Reziprozität. Und viele von Ihnen haben bereits davon gehört.

Wie du mir, so ich dir!

Heute stelle ich Ihnen noch eine weitere Form der Reziprozität vor, von der wir eher weniger in der gängigen Verkaufsliteratur finden. Die negative Reziprozität. Ich höre immer wieder von Kunden oder Kollegen, welch schlechte Zahlungsmoral die Kunden heute hätten. Und dann habe ich Kunden und Kollegen, die genau dieses Problem überhaupt nicht haben. Ich persönlich sehe eine enge Verbindung zwischen der negativen Reziprozität und der schlechten Zahlungsmoral mancher Kunden. Das bedeutet, ob Ihre Kunden Ihre Rechnung später pünktlich zahlen werden oder nicht, entscheidet sich bereits im Erstkontakt oder in der Betreuungsphase, wenn der Interessent an Ihrem Angebot zum Kunden wird. Experimente haben ergeben, dass Menschen unfaires oder unkooperatives Verhalten bestrafen. Und das Interessante dabei: Sie tun dies sogar, wenn es für sie mit Kosten oder Nachteilen verbunden ist. Der Egoismus wird zurückgestellt, wenn es um die Gerechtigkeit der Handlungen geht: „Wie du mir, so ich dir“. In meiner Tätigkeit als Telefontrainerin hatte ich immer wieder die Gelegenheit, Damen und Herren in der Buchhaltung zu coachen. Wenn man tagelang als Coach und stiller Beobachter in der Buchhaltung diverser Unternehmen sitzt, hört und erlebt man sehr viel zum Thema Zahlungsmoral. Da gibt es zum einen die, die wirklich einen Liquiditätsengpass haben. Wenn zum Beispiel nur 1000 € zur Verfügung stehen, aber zwei Rechnungen à 1000 € zu zahlen sind, dann erhält der Gläubiger die 1000 €, der immer so nett oder hilfsbereit ist oder eine Extrameile für seinen Kunden läuft. Dabei kann es zu zwei Ausnahmen kommen, die eine, häufigere Ausnahme ist, wenn der Lieferant die Lieferung einzustellen droht und das Schuldnerunternehmen ein Problem mit der Produktion oder ähnlichem bekäme und eine andere, seltenere Ausnahme ist, wenn ein Gläubiger so extrem lästig wird, dass er die Abläufe im Unternehmen oder in der Buchhaltung massiv stört bzw. enorm nervt.

Wenn aber die zwei Rechnungen à 1000 € problemlos bezahlt werden können, kommt es trotzdem vor, dass es die Anweisung gibt: „Lass sie mal liegen, der hat zu spät geliefert – nie zurückgerufen – uns nicht die ganze Wahrheit zum Aspekt X erzählt“, um nur einige Gründe zu nennen.

Die Rache des hilflosen Kunden

Ich nenne dies: „Die Rache des hilflosen Kunden“. Viele Kunden können sich gegen ihren Lieferanten oft nur mit schlechter Zahlungsmoral wehren. Diese schlechte Zahlungsmoral kann auch als Schuss vor den Bug gewertet werden, der nächste Schritt wäre dann, das Beenden der Lieferantenbeziehung, wenn für den Kunden möglich.

Schwierig ist die Situation, wenn sich der Kunde schlecht behandelt fühlt, aber Sie, als Lieferant, sich keiner Schuld bewusst sind. In einer Zeit, in der die Kommunikation mit unserem Gegenüber eine der größten Herausforderungen überhaupt ist, ist dies kein seltenes Phänomen. Wenn Ihr Bauchgefühl also einmal signalisiert, da gibt es eine kleine Unstimmigkeit, dann nicht darüber hinweggehen, sondern lieber den Kunden einmal öfter ansprechen.

Folgende Fragen können dabei helfen:

Die direkte Frage: „Hat Sie etwas gestört?“ oder „Stimmt etwas nicht?“
Die indirekte Frage: „Wenn Sie sich eine Sache wünschen könnten, was wäre das dann? oder „Was würden Sie sich bei einem weiteren Auftrag anders vorstellen?“

Ich bin ja normalerweise kein Freund des Konjunktivs – aber für manche Kunden ist es leichter, ihre Forderungen indirekt zu formulieren. Hier ist genaues Hinhören gefragt.

Denn eines ist sicher, genauso wie Sie von Ihrem Nachbarn eine Aufmerksamkeit bekommen, wenn Sie ihm geholfen haben (positive Reziprozität), rächt sich Ihr Kunde an Ihnen, wenn er unzufrieden ist (negative Reziprozität). Die Wissenschaft und meine Erfahrung zeigen eindeutig: Menschen verhalten sich reziprok. Ob positiv oder negativ, da haben Sie, als Verkäufer, oft mehr Einfluss als Ihnen bewusst ist. Nutzen Sie ihn!

Ihre

Gaby S. Graupner