Facebook: Mit Offenheit an die Spitze
“Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!” — mit diesen Worten (nur in plattdeutsch) umschreibt der Westfale seine bisweilen zurückhaltende Begeisterung gegenüber Neuem. Dass dieses nahezu in Stein gemeißelte Gesetz für die jüngere Generation scheinbar so nicht mehr gilt, lässt die Lust der sogenannten Digital Natives an Neuem in virtuellen Welten nur vermuten. Der Erfolg der Sozialen Netzwerke indes untermauert das. Die jüngsten Zahlen, die Nielsen zur Reichweite und (wie schön, dass es auch noch andere aussagekräftige Indizien jenseits des Webseitenbesuchs gibt) zur Verweildauer der Sozialen Netzwerke veröffentlicht hat, zeigen, wie rasant sich der Siegeszug in nur wenigen Monaten vollzogen hat. Wobei: Sieg klingt zur sehr nach Ende des Wettkampfs. Das ist falsch! Nicht nur, dass Facebook–Gründer Zuckerberg gerade noch einmal betont hat, dass sie immer noch ganz am Anfang stehen und weitere 500 Mitarbeiter einstellen wollen, die Wachstumsgeschwindigkeit des US-amerikanischen Netzwerks zeigt deutlich die Entwicklungsperspektive auf. Auch wenn mit der Popularität die Profitabilität langfristig Schritt halten muss.
Daran ändert auch die merkwürdige Koinzidenz nichts, dass nur wenige Stunden nachdem “Netzökonom” Dr. Holger Schmidt die Nielsenzahlen veröffentlicht hat, das VZ-Netzwerk (SchülerVZ, StudiVZ und MeinVZ) verkündete, dass sie nunmehr 15 Millionen Mitglieder hätten. Reichweite ist nicht alles. Immerhin haben die Kollegen von Nielsen mit einem 25.000 Nutzer starken Panel geprüft, was diese einen Monat lang im Internet gemacht haben. Demzufolge haben sich (extrapoliert und um Dopplungen bereinigt) 8,7 Millionen Menschen im Juli in den VZ-Netzwerken “bewegt”, also sich nicht nur irgendwann mal registriert (so wie ich), sondern auch etwas dort getan (so wie ich nicht). Involvement — das ist die Messgröße, die für Werbetreibende und Vermarkter in Zukunft immer wichtiger wird. Interessanterweise ist — quasi analog zum Wachstum — die durchschnittliche Verweildauer der Facebook-User gesunken, liegt aber — und in diesem Punkt widerspricht, die VZ-Pressemitteilung nicht — mit mehr als zwei Stunden monatlich höher als in allen anderen Netzwerken. Hinzu kommt der nicht zu vernachlässigenswerte Aspekt, dass Facebook nahezu omnipräsent ist, also bspw. auch in Twitter–Applikationen eingebunden ist
Ob 15 Millionen Mitglieder oder 8,7 Millionen “Unique Audience” (wie Nielsen es bezeichnet): Zwar liegen die VZ-Netzwerke kumuliert in punkto Reichweite (noch) an der Spitze. Wann Facebook sie überholen wird und damit die letzte eurpäische Bastion endgültig entert, ist indes eher eine Frage von Wochen, denn von Jahren. “Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!” — diese Redewendung könnte — auf die Betreiber der deutschen Netzwerke gemünzt — nach wie vor Gültigkeit haben, beschreibt sie doch die Trägheit, mit der sich die deutschen Netzwerke nach außen öffnen. Was bei Xing Teil des Erfolgsrezepts (Mehrwerte gegen Premium-Account) funktioniert in den rein werbefinanzierten Holtzbrinck-Netzwerken (und auch den anderen) nicht wirklich. API-Schnittstellen zu Twitter und anderen Kommunikationsdiensten, eine Flut von Anwendungen, mit denen sich Facebook verbindet und bisweilen für eine ziemliche Unübersichtlichkeit sorgt — all das belegt letztlich vor allem die Offenheit, mit der den Mitgliedern vieles ermöglicht, aber nichts aufgezwungen wird. Diese Offenheit ist es vor allem, die Facebook so populär gemacht hat. Für die einen ist es eine große Spielwiese, auf der Dinge ausprobiert werden, für die anderen wird das Netzwerk mehr und mehr zum virtuellen Lebensmittelpunkt, der RSS-Reader, Mail-Postfach, Bild/Video-Verwaltung an anderer Stelle obsolet werden lässt. Die Ankündigung Zuckerbergs weitere 500 Mitarbeiter einstellen zu wollen, dürfte daher die deutsche Konkurrenz ziemlich verschreckt haben, denn dadurch werden sie in ihrem Bestreben, mit– und/oder gegenzuhalten, deutlich zurückgeworfen.
Dass es für einen Sinneswandel bei der Ausrichtung der eigenen Plattform nie zu spät ist und die eigene Community auch grobe Fehler verzeiht, dafür ist Facebook selbst das beste Beispiel. Oder wer erinnert sich noch an die teilweise sehr heftig geführte Diskussion um die wenig transparente Änderung der AGBs bei Facebook? Also: Auf geht’s Ihr Wer-kennt-wens, VZs, MySpaces und Lokalisten — sucht Euch Euren Platz in den Favoriten und Desktops der User. Der Weg dorthin führt aber nicht durch den “Schatten” von Facebook, sondern auf einer eigenständigen Route. MySpace unternimmt derzeit nach meiner Einschätzung ganz vielversprechende Versuche, sich mehr Profil zu verleihen und auf eigene Stärken (Musik-Community) rückzubesinnen. Die Frage, ob die genannten Netzwerke ihren eigenen Weg klar definieren können, ohne als “Facebook”-Abklatsch wahrgenommen zu werden, muss an dieser Stelle jedoch ernsthaft gestellt werden.
[Erschienen in blog.onetoone.de, 08/09]
Daran ändert auch die merkwürdige Koinzidenz nichts, dass nur wenige Stunden nachdem “Netzökonom” Dr. Holger Schmidt die Nielsenzahlen veröffentlicht hat, das VZ-Netzwerk (SchülerVZ, StudiVZ und MeinVZ) verkündete, dass sie nunmehr 15 Millionen Mitglieder hätten. Reichweite ist nicht alles. Immerhin haben die Kollegen von Nielsen mit einem 25.000 Nutzer starken Panel geprüft, was diese einen Monat lang im Internet gemacht haben. Demzufolge haben sich (extrapoliert und um Dopplungen bereinigt) 8,7 Millionen Menschen im Juli in den VZ-Netzwerken “bewegt”, also sich nicht nur irgendwann mal registriert (so wie ich), sondern auch etwas dort getan (so wie ich nicht). Involvement — das ist die Messgröße, die für Werbetreibende und Vermarkter in Zukunft immer wichtiger wird. Interessanterweise ist — quasi analog zum Wachstum — die durchschnittliche Verweildauer der Facebook-User gesunken, liegt aber — und in diesem Punkt widerspricht, die VZ-Pressemitteilung nicht — mit mehr als zwei Stunden monatlich höher als in allen anderen Netzwerken. Hinzu kommt der nicht zu vernachlässigenswerte Aspekt, dass Facebook nahezu omnipräsent ist, also bspw. auch in Twitter–Applikationen eingebunden ist
Ob 15 Millionen Mitglieder oder 8,7 Millionen “Unique Audience” (wie Nielsen es bezeichnet): Zwar liegen die VZ-Netzwerke kumuliert in punkto Reichweite (noch) an der Spitze. Wann Facebook sie überholen wird und damit die letzte eurpäische Bastion endgültig entert, ist indes eher eine Frage von Wochen, denn von Jahren. “Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!” — diese Redewendung könnte — auf die Betreiber der deutschen Netzwerke gemünzt — nach wie vor Gültigkeit haben, beschreibt sie doch die Trägheit, mit der sich die deutschen Netzwerke nach außen öffnen. Was bei Xing Teil des Erfolgsrezepts (Mehrwerte gegen Premium-Account) funktioniert in den rein werbefinanzierten Holtzbrinck-Netzwerken (und auch den anderen) nicht wirklich. API-Schnittstellen zu Twitter und anderen Kommunikationsdiensten, eine Flut von Anwendungen, mit denen sich Facebook verbindet und bisweilen für eine ziemliche Unübersichtlichkeit sorgt — all das belegt letztlich vor allem die Offenheit, mit der den Mitgliedern vieles ermöglicht, aber nichts aufgezwungen wird. Diese Offenheit ist es vor allem, die Facebook so populär gemacht hat. Für die einen ist es eine große Spielwiese, auf der Dinge ausprobiert werden, für die anderen wird das Netzwerk mehr und mehr zum virtuellen Lebensmittelpunkt, der RSS-Reader, Mail-Postfach, Bild/Video-Verwaltung an anderer Stelle obsolet werden lässt. Die Ankündigung Zuckerbergs weitere 500 Mitarbeiter einstellen zu wollen, dürfte daher die deutsche Konkurrenz ziemlich verschreckt haben, denn dadurch werden sie in ihrem Bestreben, mit– und/oder gegenzuhalten, deutlich zurückgeworfen.
Dass es für einen Sinneswandel bei der Ausrichtung der eigenen Plattform nie zu spät ist und die eigene Community auch grobe Fehler verzeiht, dafür ist Facebook selbst das beste Beispiel. Oder wer erinnert sich noch an die teilweise sehr heftig geführte Diskussion um die wenig transparente Änderung der AGBs bei Facebook? Also: Auf geht’s Ihr Wer-kennt-wens, VZs, MySpaces und Lokalisten — sucht Euch Euren Platz in den Favoriten und Desktops der User. Der Weg dorthin führt aber nicht durch den “Schatten” von Facebook, sondern auf einer eigenständigen Route. MySpace unternimmt derzeit nach meiner Einschätzung ganz vielversprechende Versuche, sich mehr Profil zu verleihen und auf eigene Stärken (Musik-Community) rückzubesinnen. Die Frage, ob die genannten Netzwerke ihren eigenen Weg klar definieren können, ohne als “Facebook”-Abklatsch wahrgenommen zu werden, muss an dieser Stelle jedoch ernsthaft gestellt werden.
[Erschienen in blog.onetoone.de, 08/09]