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Deshalb funktioniert Kundenzentrierung oftmals nicht

Unternehmen aufgepasst: Marktorientierung & Kundenzentrierung gelingen nur, wenn auf dezentrale Führung & crossfunktionale Strukturen umgestellt wird.
Anne M. Schüller | 26.07.2021
Deshalb funktioniert Kundenzentrierung oftmals nicht © freepik / ijeab
 

Herkömmliche Unternehmen sind nach wie vor pyramidal organisiert. Visuell manifestiert sich dies durch ein Topdown-Organigramm. Es ist derart Standard, dass man es, scheinbar alternativlos, quasi überall findet. Im Wesentlichen wird darin dokumentiert, wer wem vorgesetzt und wer wem untergeben ist. Selbst da, wo man solche Worte nicht mehr so gerne benutzt, an diesem Bild hält man weiterhin fest - und es spricht Bände.

Weder Kunden noch Mitarbeiter kommen darin vor. In einer reinen Selbstschau strukturiert sich das Management über verschiedene Führungslevels hinweg. Die Kommunikation läuft hierarchisch von oben nach unten und wieder zurück. Bedeutet: Oben wird gedacht, unten wird gemacht. Führungskräfte werden dafür bezahlt, die Mitarbeiter „im Griff“ zu haben. „Dienst nach Vorschrift“ ist Usus. Ganze Abteilungen sind dazu da, andere zu kontrollieren.

Gearbeitet wird zentralistisch organisiert in Formationen, die man gerne „Silos“ nennt. Querverbindungen gibt es, siehe Organigramm, zwischen den unteren Ebenen offiziell nicht. So weiß oft die rechte Hand nicht, was die linke tut, und genau das ist die Krux: Es fehlt an operativer Koordination. Verlangsamte Entscheidungsprozesse sind so unausbleiblich. Man verliert sich in endlosen Abstimmungsschleifen, verirrt sich im Geflecht der internen Bürokratie und verharrt in althergebrachten Routinen.

 

Funktionssilos sind Anomalien. Sie widersetzen sich jeder Vernetzung

In Silo-Organisationen bekommt jede Abteilung ihre eigenen meist starren Ziele, Budgets und Jahresvorgaben, die nicht aufeinander abgestimmt sind oder sogar miteinander konkurrieren. Punktlandungen auf die Planzahlen werden bonifiziert, was nicht nur Tricksereien, sondern auch das Verfolgen von Eigeninteressen zur Folge hat. So stehen Abteilungen, wie der Name auch sagt, für Trennung, Abschottung und Isolation.

Sie unterhalten ausufernde Reportingstrukturen und produzieren Vorschriftenberge. Dies sind Selbsterhaltungsmechanismen, sie dienen zudem der Bedeutungserhöhung. Durch einen wasserkopfähnlichen Verwaltungsapparat, der letztlich vom Kunden bezahlt werden muss, und eine aufgeblähte Steuerungsadministration schaffen sich viele Bereiche überhaupt erst eine Existenzberechtigung. Wertschöpfung erschafft all das nicht.

So sind Silo-Architekturen mit der Flexibilität und dem zunehmenden Tempo, das die Märkte und Kunden heute verlangen, nicht mehr kompatibel. Silos sorgen für einen gefährlichen Tunnelblick, Netzwerke für eine reiche Rundum-Perspektive. Wirklich Neues entsteht an Schnittstellen, in Randbezirken und dort, wo flexible Einsatztruppen bereichsübergreifend vernetzt und selbstorganisiert agieren – aber niemals in Silos.

 

Organisationsform der Zukunft: crossfunktional um Kundenprojekte herum

Die meisten Probleme, die Kunden bekommen, passieren interdisziplinär: Kommunikations- und Abstimmungsprobleme im Gerangel zwischen Zuständigkeiten, Bereichsegoismen und Effizienz. Doch ein vernetzter Kunde verträgt keine unvernetzte Unternehmensorganisation. Vielmehr verlangt er, analog seiner Customer Journey, eine hochflexible, auf seine Interessen abgestimmte und miteinander verzahnte crossfunktionale Zusammenarbeit.

Deshalb müssen nicht nur Hierarchien verflacht, sondern vor allem bestehende Silo-Strukturen unternehmensweit abgebaut werden. Hierbei sind die Mitarbeiter nicht länger in strikte Hierarchien eingebunden. Sie gruppieren sich vielmehr um Branchen, Kunden, Produkte oder Funktionen. Dazu werden passende Kompetenzen über Abteilungsgrenzen hinweg für einen längeren Zeitraum zusammengeführt.

Zum Beispiel organisieren sich fortschrittliche Unternehmen interdisziplinär um Kundenprojekte herum: der Entwickler, der Designer, die Produktion, das Marketing, der Vertrieb, der Kundendienst, die Logistik und wer sonst noch wichtig ist, agieren als Team autonom an gemeinsamen Aufgabenstellungen, damit das Ganze wie aus einem Guss funktioniert. Ein Customer Touchpoint Manager kann dies unterstützen.

 

Der Customer Touchpoint Manager: Brückenbauer und Kundenadvokat

Solange Silo-Strukturen bestehen, braucht es einen Vertreter der Kundeninteressen, der entlang der Customer Journey die jeweils involvierten Bereiche und Prozessketten miteinander verknüpft. Er ist das Bindeglied zwischen drinnen und draußen. Als Koordinator bringt er die Kundenerlebnisse an den einzelnen Touchpoints zu einem perfekten Zusammenspiel. Mancherorts spricht man dabei vom Customer Experience Manager, vom Customer Journey Manager oder vom Customer Centricity Manager.

Ich nenne dieses Bindeglied, diesen Brückenbauer, diesen Kundenadvokaten im Unternehmen den Customer Touchpoint Manager. Er ist der Reisebegleiter auf der "Reise" des Kunden durch die Unternehmenslandschaft. Er kümmert sich darum, dass an den einzelnen Haltepunkten alles wie aus einem Guss funktioniert und der Kunde ein rundum gutes Wohlgefühl hat. Er nimmt immer die Kundensicht ein, und das wird so akzeptiert, auch wenn es schon mal unbequem ist. Seine wichtigsten Fragen:

- „Wie sieht das aus Kundensicht aus?“

- „Was würden die Kunden dazu sagen?“

- „Haben wir die Kunden dazu befragt?“

 

Kernaufgabe des Customer Touchpoint Managers ist es, an den externen Touchpoints des Unternehmens, also den Berührungspunkten zwischen Produkten, Services, Lösungen, Marken, Mitarbeitern, Plattformen und Kunden, eine hundertprozentige Kundenfokussierung zu erreichen. Seine Rolle ist crossfunktional. Sie hat sowohl strategische als auch operative Komponenten. Sein Ziel ist die Transformation des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzten, kundenzentrierten Organisation.

 

Wie ein Customer Touchpoint Manager vorgeht und was er erreicht

Ohne jedes Abteilungsinteresse kann der Touchpoint Manager chronologisch erkunden, wie die Kunden tatsächlich kaufen – und wie nicht. Die „Moments that matter“, also die aus Kundensicht besonderen Momente über- oder unterdurchschnittlicher Kundenzufriedenheit, wird er eingehend sondieren. Zudem wird er die typischen Einstiegs- und Ausstiegspunkte der Kunden genau untersuchen. Dazu nimmt er unter anderem diejenigen Touchpoints detailliert ins Visier, bei denen es um gewonnene oder verlorene Aufträge geht. Vertuschung und Verschleierung haben damit ein Ende.

Mithilfe geeigneter Befragungsmethoden gelangt der Touchpoint Manager als neutraler Dritter an die wahren Gründe für das Kommen und Gehen der Kunden viel besser heran. Zum Beispiel ist der angebliche Hauptgrund für einen Kundenverlust fast immer der Preis. Eine Tiefenanalyse der kritischen Ereignisse jedoch offenbart: Mängel in der Ablauforganisation spielen bei Kundenabwanderungen oft die entscheidende Rolle. Für die Unternehmenserlöse macht es allerdings einen Riesenunterschied, ob man an der Preisschraube dreht oder kundenbezogene Abläufe koordiniert und verbessert. Schon allein deshalb rechnet sich die Position eines Customer Touchpoint Managers schnell.

Zudem kann der Customer Touchpoint Manager das Sprachrohr des Unternehmens sein, wenn es um Kundenbelange geht. In dieser Rolle kann man ihn als Customer Evangelisten bezeichnen. Er streut die besten Kundengeschichten in den Markt. Er ist Ansprechpartner für die Presse bei kundenbezogenen Themen und tritt auf Kongressen als Redner auf, um über die richtungweisende Kundenorientierung seines Arbeitgebers zu berichten.