Die Gesundheitsbranche im Sturm der Digitalisierung
Führungskräfte und Arbeitnehmer jeglicher Branchen sehen sich mit Problemstellungen und Chancen gleichermaßen konfrontiert - so auch Healthcare-Professionals. In der Gesundheitswirtschaft wird bereits vermehrt auf digitale Lösungen gesetzt: Durch Apps, Kameras und implantierte oder mobile Messgeräte kann an vielen Stellen eine lückenlose Informationserfassung und -verarbeitung gewährleistet werden. Dennoch ist die digitale Transformation auch mit Risiken verbunden, denn um erfolgreich zu sein, müssen viele Zahnräder ineinandergreifen: Ein gelungenes Change-Management ist ebenso wichtig, wie die Motivation und Teilhabe der Mitarbeiter. Zudem fürchten sich Unternehmen sowohl vor den steigenden Anforderungen an Schnelligkeit und Belastung als auch davor, mit der Entwicklung nicht Schritthalten zu können. Die Möglichkeiten von Digital Business wurden zwar erkannt, doch fehlen teilweise die Rahmenbedingungen und das Know-how, um diese auch zu nutzen. Was ergibt sich daraus für den Digitalisierungsgrad der Gesundheitsindustrie? Wie digital ist die Branche? Und welche Konsequenzen ergeben sich für die Arbeit in diesem Wirtschaftszweig? Einen Überblick über den Status quo verschafft der aktuelle DIG IN Digitaler Healthcare Index 2019 von Healthcare Frauen (HCF) e.V. Mithilfe der Ergebnisse aus der Studie lassen sich einige Erkenntnisse gewinnen und Handlungsempfehlungen bezüglich der digitalen Transformation ableiten.
Erwartungen und Befürchtungen: Wie verändert die Digitalisierung den Arbeitsalltag?
Ein Großteil der Führungskräfte in der Gesundheitsbranche ist sich einig: Die digitale Transformation bildet die Basis für neue, innovative Geschäftsmodelle und vernetzte Lösungen. Bewertet wird diese dabei mehrheitlich positiv (55 Prozent), obwohl zugleich auch Risiken und Herausforderungen erkannt werden. Denn gerade auf Managerebene verspüren die Healthcare-Professionals (HCPs) einen enormen Handlungsdruck in Bezug auf die Digitalisierung. Ein Drittel schätzt diesen als sehr hoch ein, zwei Drittel immerhin als hoch. Denn während sich einerseits ganz neue Möglichkeiten eröffnen und vieles im Arbeitsalltag erleichtert wird, sorgt das steigende Tempo und die Fülle an verfügbaren Daten und Informationen bei vielen für Überforderung. Über die Hälfte der Führungskräfte im Gesundheitsbereich verspürt eine zunehmende Belastung im Hinblick auf die erhöhte Komplexität der Aufgaben und beobachtet das Gleiche auch bei ihren Mitarbeitern. Immer neue Tools und die fortschreitende Automatisierung verlangen eine hohe Flexibilität und Lernbereitschaft, 56 Prozent der Arbeitgeber schätzen diese als Herausforderungen für ihr Team ein. Im Zuge dessen nimmt auch die Bedeutung von Eigenverantwortung und Selbstmanagement unter den Arbeitnehmern zu: Organisationen werden agiler und die Komplexität vieler Aufgaben verlangt ein hohes Maß an Selbstführung. Im Gegenzug verändern sich, besonders unter den jüngeren Mitarbeitern, auch die Anforderungen an das Management. 60 Prozent der Führungskräfte geben an, dass von ihnen vermehrt verlangt wird, eine Mentorenrolle zu übernehmen, mehr Coach als Chef zu sein. Auf allen Ebenen gilt es also neue Kompetenzen zu erwerben und gleichzeitig die bestehenden anzupassen oder weiterzuentwickeln, um die Herausforderung Digitalisierung gemeinsam zu meistern. Die Weiterbildung der Führungskräfte ist dabei genauso wichtig, wie die Anleitung und Lernbereitschaft der Mitarbeiter. Generell sollten eventuelle Umstrukturierungen als Investition in die Zukunft gesehen werden und als Chance den Arbeitsplatz nicht nur komplexer zu gestalten, sondern auch effizienter.
Offene Kommunikation und Flexibilität: Unternehmenskultur im Wandel?
Zufriedene und motivierte Mitarbeiter, das sollte das Ziel jeder guten Führungspersönlichkeit sein. In Zeiten der fortschreitend digitaler werdenden Arbeitswelt halten es jedoch 19 Prozent der Arbeitgeber für schwierig diese Aufgabe zu meistern. Ganze 43 Prozent halten es für notwendig, dass sich die Unternehmenskultur in der Gesundheitswirtschaft grundlegend verändert, um konkurrenzfähig zu bleiben und Mitarbeiter halten zu können. Denn bisher ist die Unternehmenskultur geprägt durch eine klare Rollenverteilung und Hierarchie, was gerade im Hinblick auf die digitale Transformation nicht mehr zeitgemäß ist. Dieser Meinung scheinen auch immer mehr Führungskräfte zu sein: Der Wandel hin zu offenerer Kommunikation, flacheren Hierarchien und mehr Vertrauen hat bereits begonnen. Auch eine Kultur des Scheiterns erachten einige der befragten HCPs als Notwendigkeit für den Umgang mit Innovationen. 55 Prozent sind sogar überzeugt davon, dass die Digitalisierung einen positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur haben wird, besonders wenn es um Kompetenzen wie Effizienzsteigerung, Schnelligkeit und mobile Arbeitsformen geht. Letztere werden dennoch auch kritisch gesehen: Rund 13 Prozent der Befragten sorgt sich darum, dass der persönliche Kontakt mit den Mitarbeitern verloren geht. Ganze 19 Prozent sehen eine geringere Identifikation mit dem Team bei Angestellten, die häufig im mobilen Büro arbeiten. Doch auch hier können digitale Lösungen Abhilfe schaffen: Über zwei Drittel der Vorgesetzten setzt, besonders bei Meetings, Videotelefonie ein. Diese ermöglichen Mitarbeitern auch aus der Ferne den persönlichen Kontakt zum Team und zudem können visuelle Mittel, wie Präsentationen, ganz einfach geteilt werden. Dieses mag einigen auf dem Weg zum digitalen Unternehmen als ein kleiner Schritt erscheinen, doch spielt insbesondere Flexibilität bei der Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter eine große Rolle. Gleichzeitig wird den Arbeitnehmern Vertrauen entgegengebracht. So lassen sich durch geringfügige Änderungen in der Unternehmenskultur bereits wichtige positive Effekte erzielen.
Der Stand der digitalen Transformation: Ein Fazit
Unter den befragten Führungskräften halten sich Sorgen und Hoffnungen hinsichtlich der digitalen Innovationen in der Gesundheitsindustrie ungefähr die Waage. Der gesamten Branche steht, so viel ist klar, einiges an Neuerungen und Herausforderungen bevor, gerade in Hinblick auf Flexibilität und das Einsetzen neuer digitaler Lösungen. Werden einige Entwicklungen bereits vermehrt im Arbeitsalltag angewendet - Big-Data-Verfahren finden sich in fast 40 Prozent der Unternehmen, mehr als die Hälfte setzt Multi-Channel-Interaktionen ein - hat nur knapp jedes zweite Unternehmen eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung. Auch Künstliche Intelligenz (KI) wird bisher kaum genutzt. Es herrscht also einiges an Aufholbedarf, die Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft. Zusammenfassend ergibt sich durch statistische Indexbildung - der Ermittlung eines Mittelwerts aus den zu messenden, relevanten Faktoren - ein durchmischtes Bild beim Stand der Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft. Fünf Prozent der Unternehmen sind Digital Leaders, ein Viertel immerhin Digital Transformers. Letztere haben einige digitale Prozesse bereits angestoßen, befinden sich aber noch immer im Wandel. Den größten Anteil machen mit 41 Prozent die Digital Followers aus. Zu den Digital Beginners zählt ein Drittel und bei immerhin drei Prozent der Branche muss von Non-Digitals gesprochen werden. Diese Unternehmen nutzen bisher keine der angesprochenen Innovationen, wie beispielsweise Multi-Channel-Lösungen oder KI. Doch nicht nur bei den Non-Digitals herrscht Handlungsbedarf: Wer auch in Zukunft erfolgreich und konkurrenzfähig sein möchte, sollte für Veränderungen offen sein und die Kompetenzen sowohl der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter stetig weiterbilden.