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Produktdaten im B2B

Auch in den B2B-Märkten nutzen Hersteller verstärkt die Möglichkeiten des E-Commerce. Händler müssen mit aufbereiteten Produktdaten dagegenhalten.
© Martin Groß-Albenhausen
 
Wo Informationen früher im Handel mehrstufig vom Hersteller zum Endkunden transportiert wurden, treten heute durch die Ubiquität von Informationen Verbraucher und Erzeuger unvermittelt in Beziehung. Damit ändern sich die Funktionen aller Partner der Wertschöpfungskette.

Hersteller können heute Daten und Waren über Plattformen direkt bei individuellen Kunden bereitstellen und mit ihnen zu minimalen Kosten in Dialog treten. Die Mittlerfunktion des Handels wurde im Hinblick auf Sortimentierung, Warenbevorratung und Zahlungsausgleich längst an die Suchmaschinen, Fulfillment-Dienstleister und Payment-Service-Provider abgetreten.

Ein neues Verständnis für Category-Management


Entscheidend wird daher für jeden Teilnehmer in B2B-Geschäftsverhältnissen, welchen Mehrwert er aus den Waren und Daten generiert, indem er sie für die nachfolgende oder vorangehende Wertschöpfungsstufe organisiert, optimiert und weiterleitet. Es braucht nichts anderes als ein neues Verständnis für Category-Management. Diese Transmissionsfunktion des Handels, der durch die Transparenz und Unmittelbarkeit des Internet völlig neue Informations- und Transaktionsprozesse erfährt, ist bisher noch kein öffentliches Thema.

In Zukunft
• werden solche Hersteller besonders erfolgreich sein, die Daten und Produktorganisation mit Verständnis für eine „Demand-Chain“ aufbereiten und dem Handel zur Verfügung stellen
• erzielen solche Großhändler mehr Absatz und Marge, die eine Konsolidierungsleistung bei Daten und Waren bieten und so dem Händler einen besseren Fill-Up innerhalb der Saison erlauben
• behalten solche Handels-Verbünde ihre Bedeutung, die ihren regionalen, kleinen und mittleren Partnern Sichtbarkeit in den Suchmaschinen ermöglichen und zudem die Kernfunktion der Zentralregulierung für kurzfristigere Einkaufsprozesse optimieren
• haben solche Händler eine Chance, die Daten für ihre Kernzielgruppe anreichern und Produkte so zu Angebotsbündeln zusammenstellen, dass der Kunde einen geldwerten Vorteil erkennt
• füllen schließlich alle die Handelsfunktion im Wettbewerb besser aus, die Informationen über ihre Kunden an möglichst vielen Touchpoints sammeln und so die Käufer immer weiter vorne in der Wertschöpfungskette einbeziehen

Bis heute optimieren Hersteller ihre Daten jedoch in Silos, die etwa mit den Anforderungen der SEO oder Produktsuche kaum in Berührung kommen. Dadurch entsteht die absurde Situation, dass schon die banale Produktdaten-Organisation zu einem Wettbewerbsfaktor wird. Dabei müssen Händler nicht einmal ein einziges differenzierendes „Datum“ hinzuzufügen; allein die Zusammenführung in eine einheitliche Syntax kann für eine bessere Platzierung in Suchmaschinen sorgen. Viele Händler, denen es hierfür Wissen und Zeit manget, fallen durch den Rost.

Viele Gründe sprechen für traditionellen Vertrieb


Dass viele traditionelle B2B-Unternehmen sich mit dem E-Commerce schwertun, hat eine ganze Reihe von Gründen:
• Die stark mittelständisch geprägte Wirtschaft lebt vom mehrstufigen Vertrieb, in dem jede Handelsstufe Wertschöpfungsbeiträge leistet. Für die herstellenden Unternehmen war es nicht notwendig, verbraucherorientierte IT-Kompetenz mitzubringen.
• In der typischen mehrstufigen Vertriebsarchitektur ist das Ganze nur so stark wie das schwächste Glied.
• Die B2B-Branche ist geprägt von Standards, kennt aber keinen Standard. Eine Vielzahl von industriellen Klassifikationssystemen existieren nebeneinander, ohne dass hier eine neue Generation die vorige zwingend ablösen würde.
• Es gibt auch kein übergreifendes, eindeutiges Kennziffernmodell nach Art der GTIN (Global Trade Item Number), über die sowohl Google als auch Amazon weithin referenzieren. Stattdessen gibt es Industrieartikelnummer (IAN) und Industrie Lieferantennummer (ILN).
• Der Händler muss nicht nur die Datenformate seiner Lieferanten verarbeiten, sondern auch die Vorgaben seiner Abnehmer berücksichtigen, die über Beschaffungsplattformen eigene Klassifikationen durchsetzen.
• Zwischen Investitions- und Verbrauchsgütern liegt ein großer Beschaffungsunterschied. Die bestehenden Vertriebspartner haben ihre Kunden durch Staffelpreise, Konditionen etc. gegen den Wettbewerb abgesichert.

Alle diese Faktoren dienen in den Unternehmen häufig als Rechtfertigung, den Schritt zum E-Commerce nicht zu gehen. Die Lücke schließen andere Unternehmen, die die vermeintlichen Hürden als Ansatzpunkte für Prozessverbesserungen nutzen.

Händler bereiten Daten für Plattformen ungenügend auf


Noch gelingt den Händlern gerade aufgrund der heterogenen Datenstruktur und der schon in Nischen ausgeprägten Sortimentstiefe eine Differenzierung durch gutes Produktdaten-Management. Die fortschreitende Vertikalisierung in der Industrie 4.0 einerseits, das Aufkommen von Marktplätzen und Plattformen als Integratoren andererseits droht jedoch, diesen temporären Vorteil zu egalisieren.

Bei allen Anbietern wird aus diesen Gründen derzeit viel Zeit investiert, Daten so aufzubereiten, dass sie gerade mal undifferenziert als Lieferant eines bestimmten Produktes auf einer Plattform sichtbar werden. Dass dann oft nur noch der Preis als Unterscheidung herhält – wen wundert es? Die Ressourcen müssen statt in Produktdatenaufnahme und -organisation in die Anreicherung um differenzierende Daten gesteckt werden, die das Fundament für moderne digitale Geschäftsmodelle im B2B darstellen.

Datenarbeit wichtig für Hersteller und Händler


Gegen die Verlagerung der Datenarbeit auf den Hersteller kann man damit argumentieren, dass die Aufbereitung, Harmonisierung und Bewerbung der Ware und die Gestaltung des virtuellen wie physischen Schaufensters gerade die Kompetenz eines Händlers und nicht des Lieferanten sei. Speziell im B2B gilt zudem, dass eine EAN bzw. GTIN ungewollte Transparenz mit sich bringt.

Dennoch ist mehr Datenarbeit auch im Interesse der Hersteller, um nicht an Sichtbarkeit zu verlieren und zukünftig von wenigen marktmächtigen Distributoren abhängig zu werden. Investition in Daten kann für Hersteller ein Weg sein, die eigene Lieferantenposition zu verbessern oder die Nachfrage nach eigenen Produkten direkt beim Endkunden zu erhöhen.

Neue Geschäftsmodelle


Die wichtigste Frage wird daher sein, ob die Unternehmen ein traditionelles Handelsgeschäftsmodell digitalisieren oder ein digitales, datengetriebenes Geschäftsmodell erarbeiten, das sich auch, aber nicht nur aus dem Warengeschäft speist.

Geschäftsmodelle rund um Daten
Weil sich die Verfügung über Daten von der Verfügung über Waren trennen lässt, kann man Daten separat handeln. Ein Beispiel ist die TecAlliance, die sich von einem Datenbank-Anbieter zu einem umfassenden Händler und Dienstleister rund um digitale Prozesse im Automotive Aftermarket entwickelt hat. Ein anderes die Firma RIB Software, die im Baustoffsektor digitale Supply-Chain-Modelle für das kommende Building-Information-Modeling entwickelt – inklusive Marktplatz für Baustoffe.

Geschäftsmodelle rund um Kunden
Eines Beispiel ist hier der Kanzlei-Ausstatter Soldan. Auch wenn am Anfang der Kanzleibedarf stand, von der Robe bis zum Reißwolf, bietet kaum ein Unternehmen eine solche Fülle an digitalen Services, die mit dem ursprünglichen Produktspektrum nichts mehr zu tun haben – vom Kanzleimarketing über sicheren Cloud-Speicher, Dokumentenmanagement, digitalen Rechtsverkehr bis zum „Kanzleikonto“.

Geschäftsmodelle rund um Transaktionen
Der Mittelstand ist zurecht stolz darauf, ein wichtiger Kreditgeber der deutschen Wirtschaft zu sein. Verbundgruppen als B2B-Akteure finanzieren sich nicht zuletzt aus den Leistungen im Rahmen der Zentralregulierung. Das öffnet ein Tor in Richtung Fintech als ein mögliches neues handelsnahes digitales Geschäftsmodell.

Die Digitalisierung des B2B-Handels steht noch am Anfang, aber ein massiver Übergang mit marktverändernden Folgen hat bereits begonnen. Investieren Sie heute schon genug in die Zukunft Ihrer IT?