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Was heißt eigentlich gutes Verkaufen? Teil 7

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Allerdings kann die Auswahl eines Kunden durchaus beeinflusst werden durch eine richtig gestellte Alternativfrage.
Ulf D. Posé | 08.02.2016
DIE ALTERNATIVFRAGE
Eine Kurzfrage erzwingt fast immer eine tödliche (negative) Antwort. Der Kunde denkt nach ob JA oder NEIN. Das NEIN liegt dem Kunden auf der Zunge. Wieso liegt uns eigentlich das Nein auf der Zunge? Zum einen haben Menschen Angst vor der Entscheidung, und der damit verbundenen Kritik anderer. Zum anderen leiden wir inzwischen unter der permanenten Flut an Informationsangeboten. Hand aufs Herz, wer liest noch jeden Brief, der ins Haus flattert? Nicht wenige Menschen haben an ihrem Briefkasten stehen: „Bitte keine Werbung.“ Wir wehren Informationsangebote ab. Der Kunde in der heutigen Zeit steht unter einer permanenten Flut von Anträgen, die das Nein als Schutzbehauptung notwendig machen. Das Motto scheint zu sein: „Ja sagen kann ich ja immer noch.“ Der Kunde fühlt sich zwar unbehaglich, jedoch möchte er sich seine Entscheidungen nicht abnehmen lassen. Diese Angst gilt es zu minimieren.

Emil Steinbeißer versucht seit Wochen einen Termin bei einem möglichen Neukunden zu bekommen. Er ruft in immer wieder an: „Herr Klager, nächste Woche bin ich bei Ihnen in der Nähe, würde Ihnen der Mittwochvormittag für ein Gespräch passen?“ „Oh“, meint sein Telefonpartner, „Mittwoch ist ganz schlecht, da renne ich von einem Termin zum anderen.“ Emil gibt nicht auf: „Wie wäre es denn am Donnerstag, das könnte ich einrichten.“ Emil spürt, wie sein gegenüber der Kopf schüttelt: „Nein, Herr Steinbeißer, Donnerstag ist ebenfalls nicht gut.“ Aber Emil will nicht aufgeben: „Wie wäre es denn in der Woche danach, könnten Sie da am Montag?“ Herr Klager lehnt ab: „Nein, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Rufen Sie mich doch Ende nächster Woche an, dann schauen wir mal.“ „Gern. Herr Klager.“ Emil verabschiedet sich, und ist sehr unzufrieden. Aber was soll er machen?
Leider hat er seine Chancen nicht genutzt.

Abgesehen davon, dass er spätestens mit dem zweiten Nein des Kunden den Kunden darauf programmiert hat, ein drittes Nein ihm entgegen zu schleudern, hat er den entscheidenden Fehler gemacht, den Kunden zu fragen, ob er einen Termin überhaupt wahrnehmen möchte. Interessant ist hier zweierlei. Zum einen neigen wir zu einem besonderen Sprachrhythmus. Wir sagen: „willst du oder willst du nicht, ja oder nein.“ Wir sagen nie: „Willst du nicht oder willst du doch, nein oder ja.“ Dieser Rhythmus hat gekoppelt an unsere Gedächtnisleistungen eine fatale Wirkung. Das Ultrakurzzeitgedächtnis speichert das Gehörte noch nicht. Etwa maximal zwanzig Sekunden lang kreist das Gehörte auf bioelektrischem Wege im Ultrakurzzeitgedächtnis. Dann wird die Information entweder an das Kurzzeitgedächtnis weiter geleitet oder wir vergessen das Gehörte. Im Laufe dieser zwanzig Sekunden ist das zuerst Gehörte weniger präsent als das zuletzt Gehörte. Und so knüpfen die meisten Menschen an das an, was sie als Letztes gehört haben. Und wenn das Letztgehörte ein: “willst du nicht?“ oder ein „nein“ ist, dann ist sehr gut zu verstehen, warum die meisten Menschen bei der Fragestellung: „Willst du oder willst du nicht?“ erst einmal sagen: „Dann lieber nicht.“
Für Emil wäre es viel einfacher gewesen, wenn der den Kunden befragt hätte, wie er etwas will oder wann er etwas will. Herausgefunden haben dies die alten Griechen. Sie wussten schon, dass Menschen sich bei Entscheidungen schwer tun, und nicht wenigen Menschen das Nein auf der Zunge liegt. Als Rezept dagegen haben Sie die Alternativfrage entwickelt.

Die Griechen waren der Überzeugung, dass man Menschen nicht fragen sollte, ob sie etwas wollen, sondern wie sie es wollen. So meinen sie, man solle Menschen nicht entscheiden lassen, ob sie etwas wollen oder nicht wollen, sondern ob sie dieses oder jenes wünschen. Damit war die Alternativfrage geboren. Leider kannten die Griechen die aktuellen Erkenntnisse der Psychologen und Neurologen nicht, sonst sie sie schon damals drei wesentliche Faktoren der Alternativfrage mit bedacht.

Faktor eins: die zweite Möglichkeit ist attraktiver.

Verena arbeitet in der Kosmetikbranche. Vor ein paar Tagen wollte sie einen Termin mit der Einkäuferin einer großen Parfümeriekette vereinbaren. Die Alternativfrage der alten Griechen war ihr bekannt, und so fragte sie die Einkäuferin am Telefon nach einem Termin: „Nächste Woche bin ich in Hagen und Dortmund. Wann hätten Sie denn Zeit? Passt es Ihnen am Montagvormittag, da bin ich sowieso in Hagen oder passt es Ihnen am Mittwoch besser, da bin ich in Dortmund?“ Verena wäre der Termin am Montagvormittag um Einiges lieber als der Mittwoch, deswegen nannte sie ihn auch sofort. Die Einkäuferin wählte jedoch den Mittwoch: „Mittwoch passt mir gut. Können Sie um 10.00 Uhr da sein?“ Einerseits freute sich Verena, dass sie überhaupt einen Termin bekommen hatte, andererseits hätte ihr der Montag besser in die eigene Terminplanung gepasst. Warum aber hatte die Einkäuferin den Mittwoch gewählt? Hier wirkt das eben erwähnte Ultrakurzzeitgedächtnis. Kunden wählen überwiegend die zweitgenannte Möglichkeit. Verkäufer neigen jedoch dazu, das als erstes zu nennen, was sie persönlich für attraktiver halten.

Das bedeutet, wer eine realistische Möglichkeit nutzen möchte, dass der Gesprächspartner die Möglichkeit wählt, die für beide Seiten die attraktivste ist, sollte immer diese Möglichkeit als Zweites nennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die zweite Möglichkeit gewählt wird, ist ungleich größer als die Chance, dass die erstgenannte Möglichkeit gewählt wird.

Faktor zwei: Mengen müssen minimiert werden.

Fred Kons hat seinen Kunden überzeugt. Fred ist Pharmareferent. Er hat den Chefarzt einer großen Klinik dafür gewinnen können, seine Patienten auf das von Fred Kons besprochene Medikament umzustellen. Nun geht es nur noch darum, wie viele Patienten umgestellt werden. Fred meint: „Herr Professor, wie viele Patienten wollen Sie denn zunächst umstellen, sollen es zwei oder gleich fünf sein?“ der Professor wehrt ab: „Nein, nein, jungen Mann, ich glaube, ich fange erst einmal mit einem einzigen an. Dann sehe ich weiter.“ Der Professor wirkte etwas frostig, als er antwortete. Fred konnte sich das nicht erklären. Das Gespräch war gut gelaufen; warum hatte der Professor fast abwehrend nur einen Patienten für die Umstellung vorgesehen? Die Antwort ist recht einfach. In den überwiegenden Fällen fühlen wir uns dann bedrängt, wenn bei einer Mengenauswahl die zweitgenannte Menge größer ist als die Erstgenannte. Wir haben das Gefühl, dass der Andere uns damit etwas zumutet. Dadurch ist die Gefahr groß, dass wir dann abwehrend reagieren. Ist die zweitgenannte Menge jedoch kleiner als die Erstgenannte, dann fühlen wir uns nicht bedrängt. Es stellt sich das Gefühl ein, dass der Verkäufer uns nicht überfordern oder gar übervorteilen will. Daraus folgt: Mengen müssen minimiert werden, dann werden sie eher akzeptiert. Fred Kons hätte also fragen müssen: „Möchten Sie gleich zehn Patienten umstellen oder wollen Sie es zunächst einmal mit nur fünf Patienten versuchen?“ So wirken fünf Patienten als Menge kleiner, und werden damit als Möglichkeit eher akzeptiert.

Faktor drei: verbale „Schlenker“

Bruno Mahl ist Verkäufer bei einem Dachziegelhersteller. Er verhandelt mit Dachdeckern, „Häuslebauern“, Wohnungsbaugesellschaften, Architekten und Baustoffhändlern. Einer seiner Kunden ist ein „Häuslebauer“, und nicht unbedingt entscheidungsfreudig. „Also, wie hätten Sie es denn gern, Herr Bismut?“ fragt Bruno seinen Kunden, „benötigen Sie den Dachziegel ist dunkelrot oder in hellrot?“ Sein Kunde kann sich nicht entscheiden. 2Tja, was soll ich nehmen? Meine Nachbar n haben hellrote Ziegel. Ich kann mich aber auch für dunkelrote entscheiden. Ich muss mal überlegen.“ Das Gespräch dauert immer länger und letztlich wirkt Herr Bismut wie jemand, der immer wieder zu sich sagt: „Ich weiß nicht, ich weiß nicht.“ Was Herrn Bismut fehlt, ist der letzte „Schubs“ ins Glück. Gerade der entscheidungsschwache Kunde benötigt hier eine Animation, die durch einen kleinen Vorteil, einen verbalen Schlenker hergestellt werden kann. Bruno Mahl hatte im Grunde genommen seine Alternativen richtig gesetzt. Hellrote Dachziegel passten ins Straßenbild, dunkelrote Dachziegel waren sicher ebenfalls attraktiv, fielen jedoch aus dem Rahmen. Hätte Bruno gesagt: „Möchten Sie die dunkelroten Dachziegel oder lieber die hellroten, sie passen auch genau ins Straßenbild“, wäre das die passende Animation, ein kleiner Vorteil gewesen, dem Kunden zu helfen, eine Entscheidung zu fällen. So bleibt der Kunde im Unklaren.

Die Alternativfrage ist sehr wirkungsvoll, auch und gerade im Alltag. Vor vielen Jahren meinte der Besitzer einer Bäckereikette: „Verkaufstraining? Das bringt nichts. Entweder kann man verkaufen oder man kann es nicht.“ Im Laufe des Gesprächs kam es zu einer Wette. „ Es ist nicht sehr schwer, den Umsatz in einer Bäckerei zu optimieren“, meinte ich, „geben Sie mir nur zehn Minuten, und Ihre Mitarbeiterinnen werden noch erfolgreicher sein.“ „In Ordnung“, meinte der Besitzer, „legen Sie los.“ Am darauffolgenden Sonntag gingen wir gemeinsam in eine seiner Konditoreien. Die Situation dort ist Ihnen sicher bekannt. Man geht am Sonntagmittag in eine Konditorei. Dort suchen Sie ein paar Stücke Kuchen für die Familie und den Besuch aus. Die Verkäuferin ordnet Stück für Stück auf einem Kuchentablett an. Dann kommt zum Schluss die obligatorische Frage: „darf es mit oder ohne Sahne sein?“ Si wissen bereits, dass diese Frage den Kunden eher animiert, auf Sahne zu verzichten. Also bat ich die Verkäuferinnen, den Kunden zum Schluss nicht mehr stereotyp zu fragen ob er denn Sahne möchte oder nicht, sondern zu sagen: „Möchten Sie für eine Mark oder lieber für fünfzig Pfennig Sahne, schmeckt noch besser.“ Zunächst meinten die Verkäuferinnen: „Ne, das sag ich nicht, das trau ich mich nicht.“ Dann jedoch sagte eine etwas forsche Mitarbeiterin: „Das probier ich jetzt aus.“ Der Sahneumsatz stieg in dieser Filiale an jenem Sonntag um sage und schreibe dreihundert Prozent.
Ein Letztes ist bei der richtigen Verwendung der Alternativfrage noch wichtig. Der verbale Schlenker darf die erste Möglichkeit nicht kaputt machen, nicht diskreditieren. Werner Schub ist Gebietsleiter bei einem Getränkehersteller. Bei seinem letzten Besuch hat er zum Schluss zum Kunden gemeint: „Möchten Sie zunächst zwei Paletten von unserem neuen Getränk oder eine Palette, zwei sind sowieso viel zu viel.“ Diese Argumentation zwingt den Kunden, sich für die zweite Möglichkeit zu entscheiden. Vielleicht gehört er ja zu denjenigen, die lieber die erste Möglichkeit gewählt hätten. Die kleine Animation bei der zweiten Möglichkeit darf also die erste Möglichkeit nicht unmöglich machen.

Fazit:
Entscheidungen fallen dann leichter, wenn der Kunde nicht gefragt wird oder er etwas will oder nicht, sondern ihm zwei positive Alternativen angeboten werden. Das geschieht durch die Alternativfrage. Die Alternativfrage ist dann besonders erfolgreich, wenn bedacht wird:
• Die zweite Möglichkeit wird eher gewählt als die erste Möglichkeit.
• Mengen sollten minimiert werden. Dadurch wirkt die zweite Menge psychologisch kleiner.
• Eine kleine Animation bei der zweiten Möglichkeit erhöht die Chance, dass sie auch gewählt wird.

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