print logo

Callcenter in Cala Ratjada: Betrogene Betrüger

Eigentlich sollten Telefonkunden in Deutschland über den Tisch gezogen werden. Nun aber fliegen vor Ort die Fetzen...
12.04.12

TOM GEBHARDT „Manchmal glaube ich, dass es in Cala Ratjada mehr Callcenter gibt als normale Geschäfte", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter dieser Branche resigniert gegenüber der MZ. „Nun habe ich mir vorgenommen, alles zu erzählen, damit diese Betrügerei ein Ende hat."

Und zu erzählen gibt es da eine Menge. Es sind Geschichten vom dreisten Betrug am Telefon, zusammengeschnittenen Aufzeichnungen von Verkaufsgesprächen und dem Überrumpeln von oft arglosen, meist älteren Opfern in Deutschland. Aber es sind ebenso die Geschichten von gescheiterten Existenzen und mittellosen Mitarbeitern, die sich aus Geldnot zu den Betrügereien gezwungen sahen und dabei meist selbst von ihren Chefs übers Ohr gehauen wurden. Und es ist die Geschichte von Freunden, die sich nun untereinander Geld schulden und sich deswegen gegenseitig bedrohen und verraten.

Die Lotto-3.000-Masche
Aus den Versatzstücken der Gespräche zeichnet sich folgendes Bild: Betrüger, die teilweise bereits in Deutschland Callcenter betrieben oder auch als Zuhälter im Rotlichtmilieu gearbeitet hatten, bauten in Capdepera und Cala Ratjada im vergangenen Jahr mehrere Callcenter auf. Über Anzeigen im Internet oder Zeitungen suchten sie Personal: „Lust am Telefonieren? Chance für Quer-/Wiedereinsteiger. Keine Ausbildung oder Vorkenntnisse notwendig …", kann es da heißen oder auch eleganter ausgedrückt: „Lukrativer Nebenjob im Telekommunikationsbereich".

So wurde von Capdepera aus der sogenannte „Lotto-3.000-­Betrug" eingefädelt. Dazu wurden Telefonnummern in Deutschland angerufen, meist von älteren Leuten, die man zum Beispiel über den Einleitungssatz „Sie haben einen Gutschein für den Otto-Versand gewonnen" in ein Gespräch verwickelte. Im weiteren Verlauf des Telefonats wurde den Ahnungslosen dann eine Teilnahme an einer Lotto-Tipp­gemeinschaft verkauft, der sie meist zustimmten, ohne es zu bemerken. Anschließend wurden die aufgezeichneten Telefonate geschnitten, so dass vom Otto-Versand nicht mehr die Rede war.