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Digitaljahr 2018: Fünf Herausforderungen der Finanz- und Versicherungsbranche

Wie Automatisierung, EU-Richtlinien und Cognitive sowie Virtual Banking die Unternehmen verändern
Melanie Schiller | 31.01.2018
Zürich / Frankfurt, 31. Januar 2018

Das neue Digitaljahr hat erst begonnen und die Finanz- und Versicherungsbranche steht schon vor grossen Herausforderungen. Für Namics, der führenden Fullservice-Digitalagentur aus der Schweiz, gibt es fünf Entwicklungen, an denen 2018 kaum ein Unternehmen vorbei kommt. Welche das sind, verrät Matthias Bitzer, Principal Consultant und Digitalisierungsexperte für die Finanz- und Versicherungsbranche bei Namics.

(1) Automatisierung: Chatbots für Self-Services und Support
Haben Banken und Versicherungen bisher nur mit Chatbots experimentiert, avancieren die intelligenten Helfer 2018 zum festen Bestandteil der Kundenkommunikation. Nicht zuletzt wegen des höheren Automatisierungsgrades. Dafür verantwortlich ist die Robotic Process Automation (RPA), die eine automatisierte Unterstützung von Prozessen ohne manuelle Eingriffe erlaubt. Die Technologie hilft beiden Branchen, Prozesse effizienter und eine bessere Customer Experience zu gestalten.

Chatbot-Beispiel: Früher hat der Kundenberater Formulare ausgefüllt und abgelegt. Dank Digitalisierung und Self-Service-Portalen kann diese Aufgabe der Kunde übernehmen. Um ihn dabei zu unterstützen, braucht es Conversational Agents, die Anweisungen interpretieren und Fragen beantworten. Wichtig dabei: Der Chatbot muss direkt zum Abschluss, zum Beispiel einer Reiseversicherung, überleiten und dafür die im Gespräch gesammelten Daten bereitstellen. Damit muss der Kunde sie nicht erneut eingeben.

(2) Payment Services Directive 2: Fintechs laufen den Banken den Rang ab
In diesem Jahr wird es ernst: Die Payment Services Directive 2 (PSD2) tritt in Kraft und muss bis spätestens Oktober 2018 umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie führt zum Aufbrechen von bisher geschlossenen Systemen. Das heisst, Banken müssen ihre Zahlungs- und Transaktionsdaten an Dritte herausgeben oder über Schnittstellen bereitstellen. Wer sich hier als Finanzinstitut passiv verhält, läuft Gefahr, die wichtige Kundenschnittstelle des Zahlungsverkehrs zu verlieren.

Entwicklungsbeispiel: Die Richtlinie wird wahrscheinlich zu einer Stärkung der zahlreichen Fintechs und Drittanbieter führen. Schon heute steigen sie durch ihre hohe Usability in der Beliebtheit der Konsumenten. Ein Beleg dafür sind zum Beispiel die rund 197 Millionen aktiven Nutzer von PayPal. Mit dem Zugriff auf Transaktionsdaten bieten sich für Fintechs und andere Anbieter wie Online-Shops neue Möglichkeiten, die Kundenschnittstellen auszubauen.

(3) Cognitive Banking: Kundenwünsche individuell adressieren
Persönlich auf den Kunden eingehen und massgeschneiderte Lösungen anbieten, ist das Ziel vieler Unternehmen. Dabei behilflich ist das Cognitive Banking, also der Einsatz selbstlernender Software. Damit können Banken Daten schneller analysieren, Datenmuster erkennen und tiefere Erkenntnisse über ihre Kunden gewinnen. In Kombination mit individueller Anreizsetzung (z.B. dem Nudging) können Finanz- und Versicherungsunternehmen neue Formen der Kundeninteraktion schaffen und damit einen Mehrwert generieren.

Nudging-Beispiel: In Zukunft erhalten Bankkunden bei bestimmten Ausgaben eine Push-Nachricht. In dieser wird der Nutzer gefragt, ob er für jeden ausgegebenen Geldbetrag einen gewissen Prozentsatz für die finanzielle Vorsorge zurücklegen will. So wird zum Beispiel für jeden Drink am Abend eine festgelegte Summe - nach manueller Bestätigung - automatisch für das Alter zurückgelegt. Zudem kann der Kunde Sparzonen festlegen (Lokale, Restaurants, Kinos, etc.). Gibt der Kunde hier Geld aus, wird er über die Push-Nachricht daran erinnert, etwas für die eigene Vorsorge zu tun.


(4) Virtual Real Banking: Filialsterben mit Online-Services auffangen
Ob in Deutschland oder in der Schweiz - die Zahl der Bankfilialen schrumpft. Die Nutzung von Online-Banking nimmt dagegen weiter zu, vor allem im Mobile Bereich. Banken suchen daher einerseits nach neuen Konzepten für ihre bestehenden Filialen und setzen andererseits auf einen Ausbau der digitalen Fähigkeiten. Damit soll zum Beispiel ein erweiterter Online-Zugang zu Beratungs- und Servicedienstleistungen ermöglicht werden. Das Ergebnis ist die virtuelle Bankfiliale.

Virtual Banking Beispiele: Erste Banken führen schon Pilotversuche durch und versuchen Einsatzszenarien für Technologien wie Künstliche Intelligenz zu finden. So führte beispielsweise Barclays eine Spracherkennungssoftware für seinen Telefonservice ein, der Sicherheitsfragen und Passwörter überflüssig macht. Über die Santander App können sich Kunden Fragen zu ihrem Transaktionsverlauf beantworten lassen, wodurch die manuelle Suche entfällt.

(5) EU-Datenschutz: Empfindliche Geldstrafen drohen
Auch die EU Datenschutz Grundverordnung hat 2018 tiefgreifende Auswirkungen. Gerade Banken und Versicherungen mit ihren verteilten Systemen und ihrer Legacy-Infrastruktur sind stark von dieser Thematik betroffen. Hinzu kommt: Der Wirkungsbereich ist nicht auf die EU beschränkt, sondern auf die EU-Bürger bezogen. Damit sind auch Schweizer Websites oder amerikanische Produkte, die Daten von EU-Bürgern aufzeichnen, ab dem 25. Mai 2018 davon betroffen. Gerade die sehr empfindlichen Geldstrafen sollten jedes Unternehmen zum schnellen Handeln bewegen.


Handlungsbeispiel: Ein erster Schritt ist eine verbesserte Verständlichkeit. Die Einwilligung, dass Daten aufgezeichnet werden, muss expliziter und einfacher erfolgen. Zudem braucht es neue Möglichkeiten für den Verbraucher, zum Beispiel seine Einwilligung zur Datenerhebung zurückzuziehen und die Herausgabe oder Korrektur seiner Daten zu fordern. Weiter müssen Unternehmen sich auch über die dahinterliegenden Prozesse Gedanken machen. Hier hilft der Einsatz eines Master-Data-Management-Tools beim Umgang mit Stammdaten.