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Die Folgen des EuGH-Urteils vom 03.07.2012, Anwendbarkeit für Spiele?

susensoftware | 06.12.2012
Die Richter des EuGH haben mit Urteil vom 03.07.2012, AZ: C-128/11, entschieden, dass gebrauchte Softwarelizenzen grundsätzlich weiterveräußert werden dürfen und hierbei eine Verletzung der Urheberrechte nicht vorliegt. Das Urteil hat jedoch die Fragen aufgeworfen, welche insbesondere die Anwendbarkeit des Urteils auf andere Medien, wie etwa Spiele, betreffen.
Nach Ansicht der Richter erlischt das Recht der ausschließlichen Verbreitung der Programmkopien mit dem Erstkauf. Dies bedeutet, dass wenn ein Softwarehersteller seinem Kunden eine Programmkopie zur Verfügung stellt und ihm die unbefristete Nutzung mittels Lizenzvertrag ermöglicht, sein Recht auf ausschließliche Verbreitung erlischt. Der Kunde wird Eigentümer und kann das Programm sowie die Lizenzen weiterveräußern, denn diese sind nicht an den Erstkäufer gebunden. Diesem Weiterverkauf kann sich der Hersteller nicht widersetzen. Dies gilt auch für verbesserte und aktualisierte Fassungen, weil diese als Bestandteil gelten. Allerdings darf der Kunde, der die Software weiterverkauft, keine Kopie behalten und gleichzeitig selbst nutzen.
Vor dem Hintergrund, dass das Internet als Vertriebsweg immer mehr an Bedeutung gewinnt, stellt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ein klares Bekenntnis zur Existenz von online erworbener Software dar und sendet ein wichtiges Signal für mehr Anwender-Freundlichkeit und ein modernes Urheberrecht. Dies ist in der Wirtschaft angekommen, wie man an den Aktivitäten des ehemaligen Siemens Chefs Herrn von Pierer und dem ehemaligen IBM Chef Herrn Henkel sieht. Die Nachfrage aus den Betrieben beinhaltet SAP ERP Lizenzen und Microsoft Betriebssysteme oder Office Produkte.

Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie sich das Urteil auch auf andre digitale Branchen auswirkt – bspw. auf den legalen Handel mit MP3s, Apps, ebooks und Spielen. Bislang umgehen Hersteller einen solchen Handel mit technischen Begebenheiten (die aber nicht nötig wären), indem die Software bspw. an einen nicht-übertragbaren User-Account gebunden wird. Das Urteil des EuGH könnte Anwender, Politiker und Rechtsexperten nun aber dazu bewegen, auch dieses Verhalten stärker zu hinterfragen.

Der EuGH hat sich in seinem Urteil hinsichtlich der Schutzmaßnahmen scheinbar so missverständlich ausgedrückt, dass mache Meinungen sich widersprechen. Statt der generellen Freiheit des Warenverkehrs zu folgen, sprechen einige dem Hersteller sogar speziell das Recht zu, alle möglichen technischen Schutzmaßnahmen einzusetzen, den Weiterverkauf zu verhindern. Wenn dem so wäre, so würden doch die Richter ihr eigenes Urteil aufweichen.
Hier die Passage aus dem EuGH Urteil:

Pos79 Wie Oracle zutreffend ausführt, kann sich die Überprüfung, ob eine solche Kopie unbrauchbar gemacht worden ist, als schwierig erweisen. Jedoch steht der Urheber- rechtsinhaber, der auf einem Datenträger wie einer CD-ROM oder einer DVD gespeicherte Programmkopien verbreitet, vor demselben Problem, da er kaum nachprüfen kann, ob der Ersterwerber nicht doch Programmkopien erstellt hat, die er nach dem Verkauf des materiellen Datenträgers weiterhin nutzen kann. Zur Lösung dieses Problems steht es dem – „herkömmlichen“ oder „digitalen“ – Vertreiber frei, technische Schutzmaßnahmen, etwa Produktschlüssel, anzuwenden.
(nachzulesen unter:
http://www.susensoftware.de/aktuelles/news/2012-07-03_EuGH-Urteil_gebrauchte_lizenzen.php)

Herr Rechtsanwalt Michael Neuber, Justiziar des BVDW, kommentiert das aktuelle Urteil wie folgt:

Ebenso hat der EuGH ausdrücklich festgestellt, dass Softwarehersteller weiterhin alle zur Verfügung stehenden, technischen Schutzmaßnahmen ergreifen können, um eine Weiterveräußerung zu unterbinden.
(Quelle http://www.bvdw.org/presse/news/article/bvdw-zum-eugh-urteil-ueber-den-handel-mit-gebrauchten-softwarelizenzen.html)

Diese Aussage von Herrn Rechtsanwalt Neuber scheint zumindest der Meinung der Spielehersteller zu entsprechen. Das EuGH erklärt den Verkauf generell für erlaubt und schließt Maßnahmen des Herstellers nicht aus, um sicherzustellen, dass die „alte“ Version nach Verkauf unbrauchbar gemacht wird. Jedoch ist es mehr als fraglich, ob diese Schutzmaßnahmen den freien Warenverkehr behindern dürfen.
Bereits rund 1,5 Jahre vor dem Urteil des EuGH hat der BGH mit Urteil vom 11.02.2010 entschieden, dass Spielehersteller ihre Produkte an Registrierungen, wie etwa im Rahmen von Steam oder Origin üblich, koppeln dürfen und somit einen Weiterverkauf praktisch unmöglich machen können. Nach Meinung des EuGH ist der Verkauf von gebrauchter Software möglich, da dabei keine Urheberrechtsverletzung stattfindet. Hoffentlich wird das EuGH-Urteil das Urteil des BHG aufheben, da durch die Kopplung des Produkts an eine Registrierung der Weiterverkauf faktisch unmöglich gemacht und damit das Urteil des EuGH scheinbar unterlaufen wird. Das Urteil des EuGH ist zwar wesentlich jünger als das BGH-Urteil, jedoch setzt es das BGH-Urteil nicht automatisch außer Kraft. Ein Grund hierfür ist auch, dass bei dem Rechtsstreit vor dem BGH nicht eine mögliche Urheberrechtsverletzung thematisiert wurde, sondern vielmehr die Anwendbarkeit der AGB im Mittelpunkt stand. Somit müsste ein vergleichbares Verfahren neu eröffnet werden.

Obwohl das EuGH-Urteil eine Urheberrechtsverletzung bei der Weiterveräußerung von gebrauchter Software deutlich verneint, fehlt es an einer expliziten Stellungnahme hinsichtlich der viel praktizierten Möglichkeit durch eine Kopplung von Produkt und Registrierung die Veräußerung der Software faktisch zu verhindern. Inwiefern diese Accountbindung den vom EuGH benannten Schutzrechten entspricht oder sogar darüber hinausgeht, wird in der Entscheidung des EuGH nicht thematisiert. Jedoch kann -bei näherer Betrachtung- diese Nutzerbindung nicht im Interesse des EuGH sein, da diese den praktischen Nutzen und die Anwendbarkeit des EuGH-Urteils deutlich schmälert bzw. gänzlich aufhebt. Somit hat das EuGH-Urteil heute noch keinen direkten verändernden Einfluss auf die Verfahrensweise vieler Plattformen wie Steam, die den Gebrauchtspielehandel mit Hilfe der Accountbindung in Teilen unmöglich machen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sieht in dieser Bindung des Nutzers eine enorme Benachteiligung und denkt über eine Klage gegen Steam nach. Wie sich diese Angelegenheit weiter entwickeln und ausweiten wird, bleibt abzuwarten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat im September 2012 den Spielehersteller Valve nach der Änderung der Nutzungsbedingungen (AGB) seines Spieledienstes Steam abgemahnt. "Auch Spielehersteller könen ihren Nutzern nicht einfach ihre Bedingungen aufzwingen", heißt es dazu von Carola Elbrecht vom Projekt "Verbraucherrechte in der digitalen Welt".