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Experten stellen hohe Anforderungen an Prozessdokumentation

Die Dokumentation von Geschäftsprozessen bewegt sich zwischen Pflicht und Kür.
Nathalie Skalnik | 01.04.2011
Über achtzig Experten aus Sparkassen, Banken, Handel und Industrie diskutierten auf dem ibo Trendforum am 15. März in Gießen über Pflicht und Kür der Prozessdokumentation. Die Teilnehmer der Tagung formulierten dabei hohe Anforderungen an die Art und Weise wie Prozesse dokumentiert werden und an die Autoren der Prozessbeschreibungen.
Dr. Guido Fischermanns, Geschäftsführender Gesellschafter der ibo Beratung und Training GmbH, stellte auf der Tagung erstmals das neue ibo-Dokumentationsraster vor. Dieses Modell berücksichtige sowohl die Erwartungen der Leser an eine verständliche Prozessdokumentation als auch die Anforderungen an Prozessautoren. Fischermanns unterschied zunächst Geschäftsprozesse nach ihrer Häufigkeit und nach ihrem Schwierigkeitsgrad. Dann leitete er drei Prozesstypen ab und stellte dafür unterschiedliche Dokumentationsformen vor. Seinen Schwerpunkt setzte er auf grafische Prozessbeschreibungen wie Prozessdiagramme, Folgepläne und Wertstromabläufe. „Für einfache Ad-hoc-Prozesse nehmen Sie aber ganz einfach die guten alten Aufgabenlisten“, empfahl Fischermanns den Teilnehmer und unterstrich damit seinen Rat, nicht alle Prozesse über einen Kamm zu scheren. Auf die Frage nach der Zukunft der Prozessdokumentation, antwortete Fischermanns: „Wir werden bald erleben, wie Fotos, Videosequenzen und gesprochene Erklärungen unsere Prozessbeschreibungen bereichern.“
Welche regulatorischen Anforderungen Arbeitsbeschreibungen zu erfüllen haben, schilderte Axel Brinkmann, Leiter der Kreditrevison der Sparkasse KölnBonn. Als Faustformel gelte, dass die Anforderungen umso mehr stiegen, je höher die mit dem Prozess verbundenen Risiken und Kosten lägen. Brinkmann ging beispielhaft auf die Regeln für Kreditinstitute ein. Über das Kreditwesengesetz seien den Banken und Sparkassen besondere Pflichten für die Organisation auferlegt. Die Institute dürften ihre Geschäftsaktivitäten nur auf der Basis von Organisationsrichtlinien betreiben, also von Arbeitsanweisungen, Handbücher und Arbeitsblaufbeschreibungen. Brinkmann machte den Teilnehmern Mut: „Nutzen Sie unbedingt die möglichen Gestaltungsspielräume aus, denn Sie müssen die Prozesse nur so detailliert beschreiben, wie es nach Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten erforderlich ist.“
Dr. Michael Wagner, Direktor für das globale Prozessmanagement der Paul Hartmann AG, berichtete von der Kunst, Prozesse betriebsgerecht und zugleich IT-tauglich zu gestalten. Dieses Thema nähme an Bedeutung zu, weil die Prozesse bis weit hinein in die Arbeitsabläufe der Kunden modelliert würden. Früher hätten die Prozesse innerhalb seines Unternehmens geendet. Heute verlangten Kunden der Hartmann AG, dass deren Arbeitsschritte in den Prozessketten berücksichtigt würden. „Die Mitarbeiter aus Krankenhäuser und Arztpraxen müssen die Prozessbeschreibungen verstehen, das darf dann nicht zu technisch oder abstrakt sein“, mahnte Wagner. Deshalb dokumentiere er die Prozesse für den Geschäftsbetrieb ganz einfach tabellarisch. Erst in einer tieferen Ebene werde dagegen sehr fein und detailgenau modelliert, doch das nur bei Bedarf.
„Fast drei Millionen Versicherungsfälle jährlich erfordern richtig gut funktionierende Prozesse“, sagte Stefan Schinnerl von der Versicherungskammer Bayern und nannte damit einen der Gründe für ein hausinternes Projekt zur Einführung von Prozessmanagement. Zu Beginn des Projektes stellte er auch wenig Transparenz und mangelnde Aktualität in den Arbeitsanweisungen fest. Außerdem seien die Nutzer mit den dokumentierten Prozessen unzufrieden gewesen. Mit seinem Projektteam habe er deshalb zunächst das Ziel für die Prozessdokumentation formuliert. Die Suche nach einer geeigneten Modellierungssprache führte ihn nach einem Auswahlverfahren zu BPMN, der Business Process Modelling Notation. Diese standardisierte Modellierungssprache seien für die fachliche Ebene leicht verständlich. Andererseits böte sie für die IT-Seite eindeutige und präzise Informationen.
Der Veranstalter war mit dem Verlauf der Tagung sehr zufrieden. „Die Prozessdokumentation betrifft alle Mitarbeiter eines Unternehmens, ob als Leser oder als Autor.“ sagte Helmuth Braun, Prokurist der ibo Beratung und Training GmbH. Die Teilnehmerzahl zeige, wie sehr sich die Unternehmen mit diesem Thema beschäftigten. Sie suchten den für sie richtigen Weg zwischen soviel Dokumentation wie nötig aber so wenig Dokumentation wie möglich. Braun plante deshalb, das ibo Trendforum Prozessmanagement noch in diesem Jahr mit einer weiteren Veranstaltung fortzusetzen.
Weitere Informationen und Termine zu den ibo Trendforen sind unter http://www.ibo.de/... erhältlich.