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Schüler wollen digitaler lernen – und können es oft nicht

Große Mehrheit bemängelt technische Ausstattung und wünscht sich mehr digitale Medien im Unterricht.
bitkom | 10.08.2023
Die Großbaustellen: WLAN, Lehrermangel und Technik © bitkom
 

Eine bessere technische Ausstattung, mit digitalen Bildungsmedien lernen und im Unterricht auch mal digitale Geräte reparieren oder Videos produzieren: Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an mehr digitaler Bildung ist hoch. Allerdings ist es um die Digitalisierung der Schulen nicht gut bestellt. So bezeichnen fast 9 von 10 Schülerinnen und Schülern (87 Prozent) schlechtes oder fehlendes WLAN als dringlichstes Problem ihrer Schule – deutlich vor dem Lehrermangel mit 59 Prozent. Auf Rang 3 der Mängelliste deutscher Schulen kommt die schlechte technische Ausstattung, die von 56 Prozent der Schülerinnen und Schüler als eines der dringlichsten Probleme an ihrer Schule genannt wird. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter 504 Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 19 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. „Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an digitaler Bildung ist da und es ist hoch. Diese aufgeschlossene Grundhaltung der Schülerinnen und Schüler ist eine riesige Chance für die Modernisierung von Deutschlands Schulen. Jetzt müssen die Schulen, unterstützt von Bund und Ländern, auch liefern“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst bei der Vorstellung der Bitkom-Studie.

Als weitere drängende Probleme werden in der Studie der Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander (51 Prozent) sowie der Ausfall von Unterricht (49 Prozent) genannt. Für knapp die Hälfte (48 Prozent) gehören auch der zu geringe Einsatz digitaler Geräte und Bildungsmedien sowie überfüllte Klassen (46 Prozent) zu den dringlichsten Problemen an ihrer Schule, gefolgt von aus Sicht der Schülerinnen und Schüler inkompetenten Lehrkräften (37 Prozent), veralteten Lerninhalten (26 Prozent) und kaputten Schulgebäuden (20 Prozent). 

Eine breite Mehrheit der Schülerinnen und Schüler sagt, dass sie durch den Einsatz digitaler Bildungsmedien wie Lernplattformen motivierter sei (74 Prozent) beziehungsweise bessere Schulnoten schreiben könne (56 Prozent). Nur 13 Prozent wollen nicht mit digitalen Bildungsmedien lernen. Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler (68 Prozent) sind der Ansicht, dass die technische Ausstattung an ihrer Schule verbessert werden muss. 6 von 10 stellen zudem fest, dass die zur Verfügung stehenden Bildungsmedien selbst veraltet sind (62 Prozent) beziehungsweise die entsprechende Auswahl zu gering ist (61 Prozent). 42 Prozent kritisieren, dass ihre Lehrkräfte nicht wissen, wie sie digitale Bildungsmedien sinnvoll im Unterricht einsetzen können. Wintergerst: „Die Umfrage zeigt, dass es bei der Digitalisierung von Bildung nicht nur um Infrastruktur und Geräte geht. Digitale Lehr- und Lerninhalte sowie digital qualifizierte Lehrkräfte sind den Schülerinnen und Schülern ebenfalls sehr wichtig."

Zwei Drittel wünschen sich Informatik als Pflichtfach

Vor allem Medienkompetenz wird an vielen Schulen bereits vermittelt. Ganz oben steht dabei die Nutzung des Internets für Recherchen (77 Prozent). Das richtige Verhalten in Chats und sozialen Netzwerken wie etwa der Umgang mit Hate Speech wird an zwei Dritteln der Schulen unterrichtet (66 Prozent). Auch rechtliche Grundlagen im Internet wie das Urheberrecht (61 Prozent) oder Fragen des Datenschutzes (57 Prozent) stehen bei den meisten auf dem Programm. 46 Prozent der Schülerinnen und Schüler lernen an ihrer Schule die Bewertung von Informationsquellen, also zum Beispiel auch den Umgang mit Fake News. In eher technischen Fragestellungen bleiben die Schulen aber vieles schuldig. So sind die Bedienung von Standard-Software (69 Prozent) und die allgemeine Handhabung von Standardgeräten wie Notebooks und Tablets (65 Prozent) bei den meisten noch Gegenstand des Unterrichts, dann aber reißt es ab. In nur noch 43 Prozent der Fälle sind Gestaltung und Umsetzung von Websites Teil des Stundenplans. Technische Grundlagen wie Programmiersprachen werden bei 42 Prozent vermittelt. Mit technologischen Entwicklungen wie KI oder Big Data kommen mit 24 Prozent nur die wenigsten Schülerinnen und Schüler im Unterricht in Berührung. Bei der Produktion und Veröffentlichung digitaler Inhalte wie Videos für YouTube sind es 23 Prozent, die Reparatur oder der Bau digitaler Geräte wird nur in 5 Prozent der Fälle unterrichtet. Genau hier wollen die Schülerinnen und Schüler mehr lernen: 61 Prozent wollen in der Schule erfahren, wie sie Geräte reparieren oder bauen können. „Viele Schulen erfüllen die Erwartungen der Schülerinnen und Schüler derzeit noch nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Mittel aus dem Digitalpakt für Schulen jetzt schnell und zielgerichtet eingesetzt werden“, so Wintergerst. 

Auch was die Einführung eines Pflichtfachs Informatik für die Klassen 5 bis 10 angeht, sind die Schülerinnen und Schüler weiter als die Schulen: Zwei Drittel (66 Prozent) halten ein solches Pflichtfach Informatik für eine gute, nur 10 Prozent halten es für eine schlechte Idee, jede bzw. jeder Fünfte (21 Prozent) hat hier keine Präferenz. „Die Schülerinnen und Schüler müssen systematisch an die Informatik und digitalen Themen herangeführt werden und dort eigene Kompetenzen erwerben. Es ist Aufgabe der Schulen, sie auf ihrem Weg in die digitale Welt bestmöglich mit einschlägigem Wissen und Fähigkeiten auszustatten“, so Wintergerst.

Lehrerinnen und Lehrer müssen gleichzeitig IT-Fachkraft sein

An der Mehrzahl der Schulen werden digitale Geräte im Unterricht eingesetzt, am häufigsten Smartboards (71 Prozent), Tablets (67 Prozent) und Beamer (63 Prozent), gefolgt von Laptops beziehungsweise Notebooks (51 Prozent), Smartphones (36 Prozent) und stationären Desktop-PCs (32 Prozents). Aber auch Geräte wie CD-Spieler (23 Prozent), Overhead-Projektoren (21 Prozent), Fernseher (20 Prozent) und Videorekorder (7 Prozent) werden an den Schulen immer noch genutzt.

Gibt es mit dem digitalen Equipment Probleme, müssen in aller Regel die Lehrerinnen und Lehrer ran. Drei Viertel (74 Prozent) der Schülerinnen und Schüler sagen, dass bei ihnen eine Lehrkraft für den IT-Support zuständig ist. Gerade einmal 2 Prozent haben die Möglichkeit, einen externen Dienstleister zu kontaktieren. Mehr als jede beziehungsweise jeder Siebte (16 Prozent) bekommt überhaupt keinen technischen Support. „Derzeit werden viele Schulen mit digitalen Geräten und technischer Infrastruktur ausgestattet. Damit steigt automatisch der Bedarf an technischem Support. Die Schulen sollten über den Digitalpakt dauerhaft jene Mittel erhalten, die es braucht, um die IT aktuell und am Laufen zu halten. Die IT-Administration darf nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte abgeladen werden“, so Wintergerst.

Schule 2030: Roboter am Lehrerpult?

Insgesamt nehmen die Schülerinnen und Schülern ihre Lehrkräfte in Sachen Digitalisierung sehr aufgeschlossen wahr. 62 Prozent geben an, dass der Großteil ihrer Lehrerinnen und Lehrer digitalen Geräten und Bildungsmedien eher positiv, 16 Prozent sogar sehr positiv gegenübersteht. Demgegenüber sehen nur 14 Prozent ihre Lehrkräfte eher negativ und 5 Prozent sehr negativ eingestellt, wenn es um digitale Geräte und Bildungsmedien geht.

Mit Blick auf die Zukunft glaubt eine große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, dass in 2030 allen Lehrkräften (87 Prozent) beziehungsweise allen Schülerinnen und Schülern (74 Prozent) ein Laptop oder Tablet zur Verfügung steht. 40 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass Klassenarbeiten dann nur noch am PC bearbeitet werden und 23 Prozent meinen, dass man frei wählen kann, ob man in Präsenz oder digital am Unterricht teilnehmen will. Dass Roboter als Unterstützung der Lehrkräfte im Unterricht eingesetzt werden, glauben immerhin mit 8 Prozent. Wintergerst: „Ginge es nach den Schülerinnen und Schülern, würden die Schulen in den nächsten Jahren auf digital gedreht. Die Bildungspolitik in Bund und Ländern sollte dies als Auftrag ihrer künftigen Wählerschaft lesen. Gegenüber Dänemark haben Deutschlands Schulen 20 Jahre Rückstand. Der Digitalpakt 2.0 muss jetzt so schnell wie möglich verhandelt und beschlossen werden.“