Innovation in der Krise
Die Folgen des Ukraine-Krieges setzen deutschen Unternehmen ebenso zu wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wie wirkt sich die aktuelle Krise auf ihre Innovationkraft aus? Dieser Frage sind Exxeta, TLGG Consulting, die ESCP Business School und GlassDollar in einer gemeinsamen Studie nachgegangen. Anhand von Interviews mit mehr als 100 Führungskräften aus Digital- und Innovationseinheiten (vom DAX-Konzern bis zum Mittelständler) und Start-ups sowie Venture-Capital-Investor:innen, Forscher:innen und Berater:innen haben sie ein Bild von den Veränderungen im Innovationsgeschehen in Deutschland gezeichnet.
Status quo: Ein bis drei Millionen Euro fließen jährlich in Innovation
„Trotz eines pessimistischen Blicks in die Zukunft hinsichtlich der makroökonomischen Lage zeigt die Studie, dass viele Unternehmen ihre eigenen Innovationsbemühungen weiterverfolgen. In Bezug auf vorhandene Mittel und Innovationsfähigkeiten geht es in erster Linie um eine Refokussierung und Priorisierung der Innovationsaktivitäten, um sich möglichst effektiv an die veränderte Marktlage anzupassen”, sagt Max Orgeldinger, Managing Lead von TLGG Consulting.
Bei der Erhebung des Status quo gaben drei Viertel der Befragten an, eine eigene Innovationseinheit zu haben. 40 Prozent der Unternehmen betreiben ein Innovation Hub/Lab und knapp ein Viertel nutzen Corporate-Venture-Capital-Aktivitäten. Nur ein Fünftel der Unternehmen haben Acceleratoren oder Inkubatoren beziehungsweise Company Builder.
Mit ihren Innovationseinheiten verfolgen die befragten Unternehmen mehrere Ziele parallel: Der Großteil möchte neue Geschäftsmodelle evaluieren und entwickeln oder neue Produkte entdecken. 57 Prozent nutzen auch Kontakte und Kooperationen mit Start-ups, um innovativer zu werden. Genauso viele Unternehmen verfolgen das Ziel, mit Innovation die Transformation des eigenen Unternehmens voranzubringen.
Das Budget der Befragten beträgt bei 40 Prozent zwischen einer und drei Millionen Euro jährlich. Bei knapp einem Viertel sogar zwischen drei und fünf Millionen Euro. Nur knapp zehn Prozent haben mehr als zehn Millionen Euro zur Verfügung.
Nur geringe Budgetanpassungen erwartet
Knapp die Hälfte der Innovationseinheiten in Unternehmen erwarten keine negativen Auswirkungen auf ihr Innovationsbudget. Ein Ergebnis, das optimistisch stimmt. Denn Kürzungen des Budgets könnte die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen langfristig schmälern. Die andere Hälfte der Unternehmen plant jedoch schon, das Innovationsbudget zu senken. Ein knappes Drittel um zehn bis 20 Prozent, rund 15 Prozent um bis zu 50 Prozent.
„Wir sind froh zu sehen, dass viele Unternehmen jetzt nicht kurzfristig alle Innovationsbemühungen einstellen, sondern weiterhin investieren – wenn auch teilweise weniger. Denn unser Appell ist klar: Die aktuelle Krise ist eine europäische – keine internationale. Wer jetzt weniger investiert, droht im globalen Wettbewerb den Anschluss bei Digitalisierung und Innovation zu verlieren”, so Yannick Sonnenberg, Head of Innovation & Growth von Exxeta.
Dem schließt sich auch Peter Borchers, Affiliate Professor an der ESCP Business School (Paris) an: „Eine resiliente Wirtschaft muss in Innovation investieren, gerade in Krisenzeiten“.
Mehr Innovation am Kerngeschäft geplant
Zwei Drittel der befragten Unternehmen erwarten in der nahen Zukunft einen ökonomischen Abschwung in ihrer Branche. Knapp drei Viertel erwarten, dass sie direkte Konsequenzen dieses Abschwungs zu spüren bekommen werden. Was angesichts dieser Ergebnisse überrascht: Nur knapp die Hälfte haben ihre Digital- und Innovationsstrategie diesen Erwartungen angepasst oder planen, dies zu tun. Die Unternehmen, die ihre Strategie anpassen, möchten ihre Innovationsbemühungen mehr auf das Kerngeschäft konzentrieren, stärker in Innovation investieren oder Ressourcen reduzieren.
Künstliche Intelligenz relevanter als Hype-Thema Metaverse
Gefragt nach den Trends, die für die Unternehmen jeweils die größte Relevanz haben, zeigte sich folgendes Bild:
- Künstliche Intelligenz (80 %)
- Kreislaufwirtschaft (57 %)
- X-as-a-Service (57 %)
- Internet of things (56 %)
- ESG (48 %)
- Future Mobility (44 %)
- Smart Living (43 %)
- Blockchain (33 %)
- Metaverse (30 %)
- Web3 (29 %)
- NFT (13 %)
- Krypto (11 %)
Entgegen des Medien-Hypes sehen Unternehmen kaum Relevanz im Metaverse oder Web3. Künstliche Intelligenz (KI) hingegen ist für einen Großteil der Firmen relevant.
Die unternehmenseigene IT spielt eine zu geringe Rolle
Mehr als zwei Drittel der Innovationseinheiten sehen große Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit der eigenen IT. Dazu gehören lange Bearbeitungszeiten, Wissenssilos und das Fehlen technischer Fähigkeiten. IT-Abteilungen werden leider immer noch eher als Verwalter:innen und weniger als Innovator:innen wahrgenommen. Das ist fatal, denn so sehen Innovator:innen die eigene IT-Abteilung oft als Hindernis und weniger als Unterstützer:in, was insbesondere bei der neuen Fokussierung auf kerngeschäftsnahe Innovationen zum Stolperstein werden kann.