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Barrierefreiheit im E-Commerce: Optimierungsbedarf in Deutschlands größten Onlineshops

Ab 2025 ist digitale Barrierefreiheit für privatwirtschaftlich geführte Unternehmen in der EU Pflicht.
sapera_studios GmbH | 26.04.2022
© freepik / biancoblue
 

Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln sind insgesamt 9,4 Millionen Deutsche schwer- oder sehbehindert, schwerhörig oder gehörlos. Der Zugang zu Inhalten von Webseiten wird Menschen mit Handicap in vielen Fällen durch eine schwierige Sprache, suboptimale Farbkontraste oder komplizierte Interfaces erschwert. Um Abhilfe zu schaffen, müssen öffentliche Institutionen in Deutschland bereits seit einigen Jahren ihre Webseiten barrierefrei gestalten. Weiterführend wurde im Jahr 2019 der European Accessibility Act verabschiedet, der die digitale Barrierefreiheit ab 2025 auch für privatwirtschaftlich geführte Unternehmen in der EU vorschreibt. Anlässlich dieser neuen Bestimmung hat die Berliner Kreativagentur sapera_studios (www.sapera-studios.com) den Istzustand der 20 größten europäischen E-Commerce Shops untersucht.

Welche Kriterien gelten für digitale Barrierefreiheit?

Digital barrierefreie Interfaces verfolgen den Anspruch, leicht zu verstehen und einfach gestaltet zu sein. Sie haben die Vorgabe, immer mindestens zwei der Sinne “Hören”, “Sehen” oder “Tasten” zu bedienen. Dies kann durch hohe Kontraste im Textbild, Vergrößerungs- und/oder Vorleseoptionen. Texte sollen in einfacher Sprache gehalten und gut strukturiert sein, um die Verständlichkeit zu erhöhen. Video- und Audiodateien können Hörgeschädigte nur dann folgen, wenn Untertitel bereitgestellt sind. Zudem ist auf die Tauglichkeit für Screenreader-Software zu achten.

Screenreader-Tauglichkeit nur bei sieben von 20 Onlineshops

Screenreader-Software ist in Verbindung mit einer externen Braille-Zeile für blinde Menschen unerlässlich, um Zugang zu den Inhalten einer Benutzeroberfläche zu bekommen. Bei der Untersuchung der Screenreader-Tauglichkeit der größten Onlineshops Deutschlands konnten nur sieben überzeugen, so Zalando und Apple. Weitere sieben sind nur eingeschränkt kompatibel, dazu gehören Amazon und Otto. Lidl und IKEA gehören zu den sechs derjenigen Webshops, die nicht oder nur mangelhaft tauglich für Screenreader sind.

Alternativtexte sind bei einem Drittel der Webshops eingeschränkt oder nicht ausreichend verfügbar

Bilddateien werden für Screenreader-Software erst durch hinterlegte Alternativtexte lesbar. Dies funktioniert bei den meisten der untersuchten Webseiten auch gut, so etwa bei Mediamarkt und DocMorris. Hingegen sind bei drei der Onlineshops nur eingeschränkt Alternativtexte verfügbar. Nicht ausreichend oder unpassend sind alternative Texte in vier der 20 Onlineshops.

Sprache ist größtenteils einfach, Schriftgrößen variieren nur wenig 

Auf allen Webseiten der untersuchten E-Commerce-Shops ist die Sprache gut verständlich und unkompliziert. Hiervon ausgenommen sind die Onlineshops von Zalando und H&M, auf denen die Sprache teilweise durch die verstärkte Nutzung von Anglizismen vermindert eingängig ist. Ähnliches geschieht bei Cyberport und Conrad durch die Verwendung von Fachbegriffen.

Die Schriftgrößen der Navigationen der Webseiten liegen zumeist bei 14-16 Punkten. Bei Apple hingegen ist die Schrift mit 12 Punkten kleiner, bei Otto mit 21 Punkten größer. Lidl und IKEA mischen verschiedene Schriftgrößen besonders häufig (16 & 20 bzw. 14 & 36). Einige der Anbieter, wie zum Beispiel Tchibo und Hornbach, verwenden zudem mehr als drei verschiedene Schriftarten.

Sprachausgabe und Anpassungsmöglichkeiten sind verbesserungswürdig

Auf keiner der 20 untersuchten Webseiten lässt sich die Schrift anpassen oder vergrößern. Auch der Kontrast in keinem der Onlineshops veränderbar oder erhöhbar, was bei einer Farben- oder Teilblindheit von Nutzen wäre. Ebenso ist bei dieser körperlichen Einschränkung hilfreich, dass Webseiten auch ohne Farben optisch funktionieren. Dieses Kriterium erfüllen alle der betrachteten Onlineshops. Bei völliger Blindheit sind Webseiten jedoch nur via Sprachausgabe zugänglich. Das Abspielen von Videos oder Audiodateien sollte bestenfalls automatisch erfolgen, was bis dato allerdings keiner der online Handelnden berücksichtigt hat. Die bei Apple eingebundenen Videos lassen zudem Untertitel oder Audiodeskriptionen vermissen. Navigation über die Tastatur gibt es bei 15 der 20 Webshops. Zu den Ausnahmen gehören zum Beispiel Conrad und Baur. Bei DocMorris und About You funktioniert sie nicht fehlerfrei.

Katrin Kolossa, Gründerin und Geschäftsführerin von sapera_studios, sagt zu den Ergebnissen der Untersuchung: “Das ungenutzte Potential der größten deutschen Onlineshops hinsichtlich ihrer digitalen Barrierefreiheit ist erstaunlich. Hier sehen wir als Kreativagentur deutlichen und dringenden Handlungsbedarf, nicht nur um kommenden gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Es geht vor allem auch darum, Menschen mit Handicap in unserer Gesellschaft endlich den vollen Zugang zu Onlineplattformen wie dem E-Commerce zu bieten und sie am heutigen, stark durchs Internet geprägtem Leben voll umfänglich teilhaben zu lassen. Hier wurde in den letzten Jahren viel zu wenig getan und es besteht dringender Nachholbedarf im Sinne der Inklusion. Ein Beispiel für eine Webseite, die wir barrierefrei gestaltet haben, ist Werte Umwelt des Bundesumweltministeriums.”

Alle Infos zum Themen finden Sie auf folgender Landingpage:
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