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Webcam im Design eines menschlichen Auges

Forscher hinterfragen allgegenwärtige Technik und nutzen innovativen Design-Ansatz.
Informatiker Marc Teyssier mit der anthropomorphen Kamera „Eyecam“. © Universität des Saarlandes / Thorsten Mohr
 

Mikrofone und Kameras sind heute überall verbaut: in Smartphones, Laptops, sogar in Kühlschränken und Fernsehern. Viele Menschen sind inzwischen an ihre Gegenwart gewöhnt und sehen sie nicht mehr als das, was sie eigentlich sind – allgegenwärtige Augen und Ohren. Ein Team aus Informatikerinnen und Informatikern der Universität des Saarlandes nutzt einen innovativen Design-Ansatz, um die alltäglich gewordene Sensorik kritisch zu hinterfragen. Mit ‚Eyecam‘ stellen sie nun den Prototypen einer Webcam vor, die nicht nur wie ein menschliches Auge aussieht, sondern dessen Bewegungen realitätsgetreu imitiert.

 

„Das Ziel unseres Projektes ist nicht, ein ‚besseres‘ Design für Kameras zu entwickeln, sondern eine Diskussion anzuregen. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wir tagtäglich von wahrnehmenden Geräten umgeben sind. Da stellt sich die Frage, was das mit uns macht“, sagt Marc Teyssier. Der gebürtige Franzose hat 2020 zum Thema anthropomorphes Design in Paris promoviert. Heute arbeitet er als Postdoc in der Forschungsgruppe ‚Human-Computer Interaction‘ an der Universität des Saarlandes.

 

Gemeinsam mit Kollegen hat er eine Webcam entwickelt, die das menschliche Auge nicht nur äußerlich kopiert, sondern auch unbewusste Augenbewegungen wie das Blinzeln oder Hochziehen der Braue realitätsgetreu nachahmt. „Mit ‚Eyecam‘ gehen wir der Frage nach, ob ein technisches Gerät seine Funktion im Design widerspiegeln sollte“, ergänzt die Informatikerin Marion Koelle, die zur sozialen Akzeptanz am Körper getragener Kameras promoviert hat. Das Forscherteam entschied sich für die naturgetreue Nachbildung des Auges, weil dieses auf ganz unterschiedliche Weise zum Einsatz kommt. „Es gibt verschiedene Arten des Sehens, die alle ihre ganz eigenen Konnotationen haben, beispielsweise kann man etwas betrachten oder nur erkennen oder aber genau beobachten und ausspionieren. Auch kann eine als Auge designte Kamera durch Mimik nonverbale Signale senden. Diese eröffnen eine Interaktionsebene, die es in technischen Geräten bisher nicht gab“, erläutert Koelle.

 

„Die Forschung ist Teil einer ganzen Reihe von Arbeiten im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Projektes, dem ERC Starting Grant ‚InteractiveSkin ‘. Hier untersuchen wir, wie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine verbessert werden kann. Dabei konzentrieren wir uns besonders auf Bedienelemente, die dem menschlichen Körper nachempfunden sind“, erklärt Informatik-Professor Jürgen Steimle der die Forschungsgruppe am Saarland Informatics Campus leitet.

 

Die Saarbrücker Informatiker nutzen die Fähigkeiten und Optik ihrer neuen Entwicklung, um verschiedene Facetten allgegenwärtiger Sensorik zu erkunden. Schon heute sind Webcams ein potenzielles Risiko für die Privatsphäre. Eyecam übertreibt diesen Aspekt und agiert als Beobachter, indem es das Auge öffnet und den Nutzer mit dem Blick verfolgt. Alternativ könnte die dem Menschen nachempfundene Kamera zur Selbstreflexion genutzt werden, indem das künstliche Auge ermüdet und immer wieder zufällt, wenn der Nutzer bis spät in der Nacht vor dem Rechner sitzt. Oder es könnte die Rolle eines Haustieres einnehmen, das einfach da ist, sich ab und an umblickt und erfreut reagiert, wenn der Besitzer den Raum betritt.

 

„Unsere Anwendungsszenarien sind fiktiv und sollen dazu animieren, darüber nachzudenken, wie wir heute, aber auch in Zukunft mit technischen Geräten interagieren. Das Besondere an unseren Experimenten ist, dass wir unsere erdachten Szenarien mithilfe eines physisch vorhandenen Prototyps erfahren und nachempfinden können“, sagt Marc Teyssier. Um möglichst viele Menschen mit ihren Denkanstößen zu erreichen, haben die Wissenschaftler die Baupläne für ihre Entwicklung veröffentlicht.

 

Hintergrund Saarland Informatics Campus:

800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und rund 2000 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Fünf weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik und das Cluster für „Multimodal Computing and Interaction“ sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 24 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.