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Bundesbürger kritisch gegenüber eigener Digitalkompetenz

Bitkom-Studie: Selbst die 14- bis 29-Jährigen schätzen eigenes Können „befriedigend“ ein. Priorität für Bildung um digitale Technologien gefordert.
bitkom | 06.06.2017
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Die Deutschen sehen in der Digitalisierung grundsätzlich eher eine Chance, halten ihre eigene Digitalkompetenz aber gerade mal für „ausreichend“. Das zeigt eine neue Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Demnach geben 6 von 10 Befragten (60 Prozent) ab 14 Jahren an, dass sie die Digitalisierung als Chance sehen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. So sehen 76 Prozent der 14- bis 29-Jährigen die Digitalisierung als Chance, bei den Befragten ab 65 Jahre ist es mit 49 Prozent aber nur knapp jeder Zweite. „Wenn wir über digitale Teilhabe sprechen, dann müssen wir feststellen, dass wir vor allem die ältere Generation bislang nicht mitgenommen haben“, sagte Bitkom-Präsident Thorsten Dirks. „Wir haben eine viel größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Digitalisierung in der Gesamtbevölkerung bis einschließlich 64 Jahre als in der Generation 65 plus. Ein Grund dafür ist: Digitale Technologien spielen im Alltag dieser beiden Gruppen völlig unterschiedliche Rollen – die Jüngeren und die Älteren leben in unterschiedlichen Welten, Mitte der Sechzig ist ein tiefer Graben.“

Drei Viertel der 14- bis 29-Jährigen (77 Prozent) sagen, dass digitale Technologien für ihr privates Leben eine sehr große oder eher große Bedeutung haben, bei den Älteren ab 65 sind es gerade einmal 19 Prozent. 98 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen das Internet, um gezielt Informationen zu suchen, ebenfalls 98 Prozent schreiben E-Mails, 95 Prozent streamen Musik oder Filme, 86 Prozent kaufen online ein, 85 Prozent tauschen sich in sozialen Netzwerken aus und 69 Prozent nutzen neuere Smartphone-Apps wie Snapchat oder Slack. Bei denjenigen, die 65 Jahre oder älter sind, ist all das allenfalls eine Ausnahme. Nur rund jeder Dritte sucht Informationen im Internet (36 Prozent) oder schreibt Mails (30 Prozent), jeder Fünfte streamt Musik oder Filme (21 Prozent) oder kauft online ein (19 Prozent), 12 Prozent nutzen Apps wie Snapchat und nur 6 Prozent tauschen sich in sozialen Netzwerken aus. „Die Älteren nutzen digitale Technologien nicht nur sehr viel seltener als Jugendliche und junge Erwachsene, sondern auch deutlich weniger als die Gesamtbevölkerung unter 65 und die benachbarte Alterskohorte von 50 bis 64 Jahren. Eine direkte Folge ist, dass viele digitale Anwendungen eher kritisch gesehen werden“, so Dirks.

84 Prozent der 14- bis 64-Jährigen sagen, dass digitale Technologien ihr Leben leichter machen, bei den Älteren sind es nur 34 Prozent. 81 Prozent in der Bevölkerung bis 65 geben an, dass sie dank digitaler Lösungen besseren Kontakt zu entfernt lebenden Freunden und Verwandten halten können, ab 65 Jahre liegt der Anteil nur bei 57 Prozent. Und 73 Prozent der Bis-65-Jährigen sagen, dass sie sich mit digitalen Technologien umfassend über das politische Geschehen informieren, bei den Älteren sind es mit 31 Prozent nicht einmal halb so viele. Vorne sind die Älteren nur, wenn es um Ängste geht. So sorgen sich 61 Prozent, dass dank digitaler Technologien der Staat alles über sie wisse (14- bis 64-Jährige: 54 Prozent), 57 Prozent haben Angst, dass Fremde Einblick in ihr Privatleben erhalten könnten (14- bis 64-Jährige: 43 Prozent) und 55 Prozent haben Angst vor einem finanziellen Schaden durch Hacker (14- bis 64-Jährige: 54 Prozent). Und während nur 15 Prozent der 14- bis 64-Jährigen angeben, sie würden lieber in einer Welt ohne digitale Technologien leben, sind es bei den Älteren mit 36 Prozent mehr als doppelt so viele. Dirks: „Digitale Technologien können gerade älteren Menschen dabei helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es muss uns gelingen, diesen Nutzen in der Praxis besser erlebbar zu machen.“

Allerdings gibt es nicht nur in der älteren Generation Nachholbedarf. So geben sich die Bundesbürger im Durchschnitt nur die Schulnote „ausreichend“ mit Blick auf ihre eigene Digitalkompetenz. Die Älteren ab 65 benoten sich sogar „mangelhaft“, aber selbst die Jungen von 14- bis 29-Jahre, die digitale Technologien besonders stark nutzen, schätzen ihr eigenes Können lediglich „befriedigend“ ein. „Angesichts der Offenheit für die Digitalisierung und der großen Bedeutung, die digitale Technologien in breiten Teilen der Bevölkerung für das eigene Leben spielen, muss dieses Ergebnis ein echtes Alarmsignal sein“, sagte Dirks. „Das Thema Bildung rund um digitale Technologien muss eine viel höhere Priorität als bisher bekommen, und zwar angefangen in der Schule bis hin zum dauerhaften Lernen im Unternehmen.“

Bitkom fordert vor diesem Hintergrund eine Fortschreibung der Digitalen Agenda in der kommenden Legislaturperiode, um die digitale Transformation zu beschleunigen und die digitale Teilhabe der Gesellschaft zu verbessern. Für die 2014 erstmals beschlossene Digitale Agenda der Bundesregierung zieht der Digitalverband dabei eine positive Bilanz. Von den ursprünglich 121 angekündigten Einzelmaßnahmen sind zwei Drittel (81) umgesetzt, ein weiteres Viertel (34) befindet sich in Umsetzung und gerade einmal bei 6 Einzelmaßnahmen ist nichts passiert. „Die Digitale Agenda hat in den vergangenen drei Jahren beachtliche Erfolge gezeigt – das geht vom IT-Sicherheitsgesetz über die Frequenzvergabe für die 5G-Netze und das hohe Tempo beim autonomen Fahren bis hin zur gerade beschlossenen Stärkung der elektronischen-Funktionen des Personalausweises“, sagt Dirk. „Wir haben in Phase 1 der Digitalisierung vor allem in der Wirtschaft viel erreicht, in der jetzt beginnenden Phase 2 müssen wir uns noch stärker als zuvor auf die Gesellschaft konzentrieren.“

Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst fordert Bitkom mutige digitale Weichenstellungen und ambitionierte Ziele. Dirks: „Wir brauchen vier Dinge:
1. eine grundsätzliche Neuausrichtung unseres Bildungswesens,
2. eine konsistente Datenpolitik,
3. Ökosysteme der digitalen Transformation und
4. die leistungsfähigsten digitalen Infrastrukturen.“

So schlägt Bitkom einen digitalen Bildungspakt für Deutschland vor. „Alle Bildungseinrichtungen – von der Schule über die Hochschulen bis zu Aus- und Weiterbildungseinrichtungen – müssen ihre Lehrtätigkeit auf digitale Bildung ausrichten“, sagte Dirks. „Deutschland muss Vorreiter der digitalen Bildung werden.“ Im Mittelpunkt der Digitalpolitik sollte zugleich stehen, Wirtschaft und Verbraucher besser vor Hackern, Cyberkriminellen und anderen digitalen Angreifern zu schützen. Im Datenschutz müsse eine neue Balance gefunden werden, um einerseits die Privatsphäre der Bürger zu garantieren und gleichzeitig die gesellschaftlich notwendige Nutzung von Daten zu ermöglichen. „Eine moderne Datenpolitik muss das Recht des Einzelnen auf Datenschutz wirksam wahren und gleichzeitig nützliche und innovative Angebote ermöglichen“, so Dirks. Schließlich müsse es gelingen, das Projekt der digitalen Hubs in Deutschland erfolgreich in die Praxis umzusetzen. „Anders als im Silicon Valley wollen wir nicht alleine eine Stärkung der Digitalbranche, sondern vielmehr eine Digitalisierung der deutschen Leitindustrien“, so Dirks. Dabei sollen die zwölf digitalen Hubs helfen, die das Bundeswirtschaftsministerium im Vorfeld des diesjährigen Digitalgipfels vorgestellt hat. Zudem müsse es gelingen, eine in weltweitem Maßstab herausragend gute digitale Basisinfrastruktur zu schaffen. „Diese digitale Infrastruktur muss von Gigabitnetzen bis zu digitalen Infrastrukturen für Energie, Verkehr, Gesundheit und Verwaltung reichen“, so Dirks. Sie sei die Grundlage für die digitale Energiewende ebenso wie für E-Health oder autonomes Fahren. Dirks: „Wir sind der Digitalisierung nicht ausgeliefert, es liegt an uns, wie wir sie gestalten. Jetzt müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten.“