print logo

Das Ende der Werbung?

Vincent Labey, CEO von Aedgency, zu Online-Werbung und Behavioural Targeting
Detlev Henning | 02.09.2009
Autor: Vincent Labey, CEO von Aedgency


Behavioural Targeting wurde neuerlich in der Presse vehement kritisiert, besonders anlässlich der Vorbereitungen der EU, die britische Regierung gerichtlich für ihr Versagen zur Verantwortung zu ziehen, die illegalen Tests, die British Telecom (BT) mit der Werbedienstleister-Plattform Phorm durchführte, zu bestrafen / ahnden. Jenseits der Hexenjagt durch die Medien gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass die Öffentlichkeit gewillt ist, verhaltensorientierte Zielgruppenansprache zu akzeptieren, sofern sie ihren Bedürfnissen entsprechend implementiert ist.

Verbraucher wie auch Regierungen akzeptieren grundsätzlich die Tatsache, dass Werbung das beste Mittel für den freien Internetzugang darstellt. Schließlich hat sich das Werbemodell als Standard für den kostenlosen Empfang von Satelliten-Fernsehen etabliert und dies war ähnlich umstritten wie beim kommerziell finanzierten Fernsehen, das in den 50ern mit der Ausstrahlung begann.

Für Werbetreibende liegen die Vorteile von Behavioural Advertising klar auf der Hand. Besonders während einer Rezession vermag diese Art der Werbung das Dilemma des John Wanamaker: „Die Hälfte der Werbekosten ist verschwendet; das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, welche Hälfte“ zu lösen. Zahlen von Forrester Research sprechen für sich: 58 Prozent der befragten Marketiers in Europa gehen davon aus, im Jahr 2009 verhaltensorientierte Zielgruppenansprache einzuführen.

Es gibt allerdings derzeit keine allgemeingültige EU-Richtlinie zur Regulierung der Online-Aktivitäten der Wirtschaft, denn die Datenschutz-Richtlinie der EU wurde 1995 verabschiedet, ist auf das im Entstehen begriffene Internet zugeschnitten und folglich weitgehend veraltet. Der Wirtschaft mangelt es an dem dringend notwendigen Konsens, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen und dem Online-Marketing der nächsten Generation einen Weg zu ebnen. Das Konsumentenverhalten gegenüber Online-Anzeigen hat sich seit 1995 verändert und die Marken müssen Konsumenten mehr anbieten, als nur Anzeigen.

Viele der gegenwärtigen digitalen Werbepraktiken sind in der Vergangenheit steckengeblieben, Pop-ups sind glücklicherweise weitgehend eine unangenehme Erinnerung, aber Web-Banner sind noch immer vorherrschend – und das mehr als 10 Jahre, nachdem das Nutzungsforschungsunternehmen NN/g durch Testen der Augenbewegungen eine „Banner-Blindheit“ ermittelte! Die allgemeine Öffentlichkeit ist bereits sehr viel raffinierter in der Nutzung des Internets und Meister darin geworden, Online die besten Angebote zu finden. Die Mehrzahl der Verbraucher nutzt eine Suchmaschine, ein Bonusprogramm oder eine Site für Preisvergleiche, bevor sie online eine Bestellung abschließt. Es ist klar, dass der Preis der entscheidende Faktor im Kaufverhalten von nahezu drei Vierteln der e-Shopper ist, sodass es für Marken sinnvoll wird, das Gewicht von der Werbung auf das Angebot zu verlagern.

Tatsächlich könnten E-Käufer den Einsatz erlaubnis-basierter, intelligenter Zielgruppenansprache für relevante Angebote begrüßen. Wenn für Konsumenten die Vorteile intelligenter Zielgruppenansprache erkennbar werden und die Voraussetzungen dafür von Anfang an z.B. durch einen Opt-in-Mechanismus vollständig transparent sind, kann dies zu einer positiven Beziehung führen, die auf Gegenseitigkeit beruht. Aedgency’s eigenes Geschäftsmodell demonstriert, dass Opt-in funktionieren kann, und hat bis heute über 14 Millionen e-Shopper vertraglich für seine kontextbezogenen Angebotsservices in ganz Europa gewonnen.

Für eine Kontinuität mit diesen Anwendern, die der verhaltensorientierten werblichen Ansprache explizit zustimmen, muss man ihnen eine überzeugende Erfahrung bieten, die ihre Online-Einkaufspraxis positiv erweitert. Diese Erfahrung sollte unaufdringlich und doch hilfreich – eine Art virtueller persönlicher Einkäufer – sein, der den Interessenten zum besten Geschäftsabschluss führt. Der erste Schritt nach der Einwilligung des Verbrauchers besteht im Aufbau eines Dialogs mit ihr/ihm, in dem die Interessengebiete bestimmt werden, um die aus den Surf-Gewohnheiten ermittelten Daten zu ergänzen.

Behavioural Targeting sollte auf jeder Stufe des Einkaufsprozesses zusätzlichen Nutzen bieten: Einkaufsrouten sollten ausgearbeitet werden und bestimmen, welche Angebote als erstes geeignet sind, welche ergänzenden Angebote einen Kauf wahrscheinlicher werden lassen und welche Zusatzprodukte beim Checkout sinnvoll wären. Auch die wirkungsvollsten Mittel zur Kaufentscheidung sollten mithilfe der intelligenten Zielgruppenansprache identifiziert werden, seien dies kontextbezogene Angebote, E-Mail-Marketing oder Andere. Beispielsweise könnte man einem Verbraucher, der Flüge nach Florida sucht, wertsteigernde Zusatzangebote von Transportunternehmen in seiner Symbolleiste anbieten. Sollte er/sie sich zu einer Seite durchklicken, aber nicht kaufen, kann innerhalb von 24 Stunden ein Rabatt-Code oder kostenfreies Upgrade per Mail an diesen Kunden geschickt werden, und wenn er das Geschäft abschließt, werden ihr/ihm am Point-of-Sale Hotel-Angebote oder vergünstigte Tickets für einen Themen-Park angeboten.

Letztlich ist Behavioural Targeting sowohl den Konsumenten als auch den Anbietern von Nutzen. e-Shopper schließen die besten Geschäfte ab und wenn Werbetreibende die Conversions verfolgen können, zahlen sie nur für die Ergebnisse. Bevor diese am Verhalten orientierte werbliche Ansprache jedoch zum Standard für digitales Marketing werden kann, muss sie ihr derzeitiges Stigma verlieren. Regierungen und Anbieter verhaltensorientierter Werbung müssen zusammenarbeiten, um Standards für die Industrie zu definieren und damit das Vertrauen der Konsumenten zurückzugewinnen.