Bei Anruf: Nichtkunde
Call Center dürfen bekanntermaßen nicht mehr mit unterdrückter Rufnummer anrufen.
Wer aber nach wie vor nicht an Transparenz und Seriösität interessiert
ist, lässt weiterhin anonym durchklingeln und seine Mitarbeiter
behaupten, sie säßen in Österreich oder übermittelt Phantasierufnummern.
Der Großteil der Call Center ist nicht an einer wirklich wertschöpfenden Vertriebstätigkeit interessiert. Es geht vielmehr um kurzfristiges Abgrasen von Datensätzen für den kurzfristigen Abverkauf. Die Call Center haben sich dem Bedarf ihrer Auftraggeber angepasst und sich im Sinne einer „Nach mir die Sintflut“-Kultur aufgestellt. Alles ist auf billig getrimmt: notdürftige Einarbeitung der Mitarbeiter und standardisierte Gesprächsleitfäden mit idiotensicherem Muster – von der 0815-Begrüßung („…Spreche ich mit…? Schön dass ich Sie erreiche…”) über rhetorische Frageformeln für die Ja-Konfirmation bis zum Abschluss.
Kein Vertrauen
Die wichtigste Grundregel von Verkaufsgesprächen wird allerdings missachtet: Der Argumentationsphase muss eine Vertrauensphase vorausgehen. Ohne diese Phase ist kein Mensch bereit, Argumente aufzunehmen. Die Vertrauensphase soll nicht nur das Vertrauen des potenziellen Kunden zum Verkäufer herstellen, sie ist eine unerlässliche Informationsquelle für den Verkäufer über die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden.
Die Vertrauensphase lässt sich aber nicht standardisieren, deshalb wird sie einfach wegrationalisiert. Und sie ist auch nicht erwünscht: Keines dieser Billig-Call-Center wird das Risiko eingehen, dass seine notdürftig eingeschulten Agents sich auf eine Vertrauensphase mit dem Gesprächspartner einlassen. Nach der Begrüßung geht es mit großen Schritten durch die Argumentationsphase – in der es allerdings kaum Argumente gibt: Vermeintlichen Kostenvorteilen für den Kunden folgen hohle Affirmationsphrasen („Das hört sich doch gut an, Herr Kramer…”). Jede brummige Zustimmung wird zu einem großen Fortschritt auf dem Weg zum Abschluss umgedeutet. Wer das Telefonat nicht schon unmittelbar dann unterbricht, wenn es sich als Verkaufsgespräch offenbart, lässt das Geleier über sich ergehen, weil er weiß, dass mit einem Quasi-Operator kein Gespräch möglich ist. Es ist bequemer hinterher zu stornieren.
Bedürfnis verhindert Abschluss
Wozu die tatsächlichen Bedürfnisse des Gesprächspartners kennenlernen, wenn ohnehin nur aktionsbezogene standardisierte Angebotspakete zum Verkauf stehen? Die wenigen Fragen des Call-Center-Agents zielen darauf ab, den Datensatz abzugleichen und zu vervollständigen. Das Kennenlernen von Kundenbedürfnissen stellt für die Call Center eher eine Gefahr dar. Ein individuelles Bedürfnis wäre eine Störung, die mit der Vertriebsoffensive nicht verarbeitet werden kann. Solche Vertriebsoffensiven halten stets unterkomplexe Angebote bereit: standardisierte Produkte oder bereits verschnürte Dienstleistungspakete. Die einzigen Argumente sind daher auch vermeintliche Preisvorteile.
Unterkomplexe Marktangebote sind der eine Marktnachteil, der mit massivem Vertriebsdruck ausgeglichen werden soll. Ein weiterer Marktnachteil ergibt sich daraus, dass Mitarbeiter an den Kundenkontaktpunkten fast überall wenig Erfahrung im Umgang mit Kunden haben. Eigentlich ist das ein paradoxes Faktum, kann jedoch kaum verwundern: Wenn Unternehmen schon keine Billig-Call-Center beauftragen, so beschäftigen sie doch niemals ihre besten oder bestbezahlten Mitarbeiter im Kundenkontakt.
Einkäufer sind keine Hausfrauen
Was darf aus Sicht des Marketing überhaupt noch per Push vertrieben werden? Häufige Antwort: Erklärungsbedürftige Produkte, bei denen das „Persönliche Verkaufsgespräch“ als Leitinstrument unabdingbar ist – dann könne man dem ohnehin vorhandenen Bedürfnis nach einer ausführlichen Vorstellung des neuen Produktes (etwa von professionellen Einkäufern, die sich eine kostenlose Produktschulung gönnen wollen) entgegenkommen und sich aktiv anbieten. Massencalls sind dazu nicht geeignet, sie erklären nichts.
Wenn schon als Privatmensch kaum jemand vor telefonischen Vertriebsoffensiven verschont bleibt, so sind dem die Einkäufer in den Unternehmen in noch viel höherem Maße ausgesetzt. Für standardisierte Verkaufsgespräche haben sie allenfalls ein mitleidiges Lächeln parat. Kein unternehmerischer Einkäufer möchte hören oder lesen, dass etwas „nur 1.990 EUR“ kostet. Mit dem Wörtchen nur soll beim Konsum von Low-Involvement-Produkten ein Referenzpreis simuliert werden. Als Konsumenten sollen wir das Gefühl bekommen, etwas ist gerade auf unterdurchschnittlich herab gesetzt worden. Professionelle Einkäufer hingegen verfügen über ausgeklügelte Heuristiken zur Beurteilung der Preiswürdigkeit. Durch solche aus dem Konsumentenmarketing abgeleiteten Wörter wie neu oder jetzt noch besser würden Sie als Verkäufer nur deren Entscheidungsautonomie infrage stellen. In der Buissness-to-Buissness-Kommunikation ist vom Gebrauch solcher Floskeln dringend abzuraten, ansonsten kommunizieren Sie, dass Sie nichts vom Geschäftskundenvertrieb verstehen. Reaktanzen gegen diese Form der Offerte treten übrigens keinesfalls nur bei einer intellektuellen Minderheit auf, wie in hausbackener Literatur noch immer behauptet wird.
Das Argument, dass durch solche Zauberformeln Gehirnareale stimuliert würden, die dem Aufnahme- und Kaufverhalten förderlich seien, mag allenfalls in einer reizarmen Umgebung funktionieren – dort wo unser limbisches System ein Stimulanzdefizit hat.
Verkaufsdruck ade
Überall dort wo Marktverhältnisse herrschen, ist Verkaufsdruck inzwischen höchst ineffizient geworden, wenn man Aufwand und Ergebnis ab einem Zeitraum von sechs Monaten betrachtet.
Die Stornoraten steigen. Sollen weiterhin Call Center an den Kundenkontaktpunkten eingesetzt werden, so müssen deren Auftraggeber endlich dazu übergehen, sie auch nach echten Leistungskennziffern zu bezahlen und nicht mehr nach Volumen.
Dieser Verantwortung müssen sich die Auftraggeber bewusst werden, wenn sie ihre Kundenbeziehungen nicht durch negative Erlebnisse und Belästigungen durch Outbound oder Coldcalls dauerhaft vergiften möchten. Nach über zehn Jahren CRM-Debatte scheinen manche Unternehmen noch immer nicht begriffen zu haben, wie sehr sie sich selbst damit schaden.
Heute nutzt zwar noch nicht die Mehrheit der Menschen für ihre Kaufentscheidungen das gesamte Spektrum des Web 2.0. Es werden aber weitere Plattformen entstehen, die Engpässe in Transparenz und Kommunikation zu kompensieren suchen.
Angehenden Vertriebsleuten wird noch immer beigebracht, erst über den Preis zu reden, wenn alle Argumente vorgebracht wurden. Wirklich gute Vertriebsprofis ignorieren diese vermeintliche Grundregel. Wird der Kunde nämlich gezwungen, geduldig abzuwarten bevor er das für ihn wichtigste erfahren darf, baut er unnötigen Stress auf. Die Mehrheit hört so lange weg, bis der Anrufer alle Verkaufsargumente runtergeleiert hat. Damit ist nichts gewonnen.
Die meisten Verkaufsgespräche setzen noch immer auf Überreden oder Überrumpeln. Wann wird denn wirklich einmal ein Kundenbedarf oder oder gar ein Leidensdruck angesprochen? Der Unternehmensberater Peter Sawtschenko empfiehlt sogar anstelle von Verkaufsgesprächen Entzugsgespräche zu führen. Der Verkäufer weckt Begierde, indem er z.B. vermittelt, dass er zur Zeit keinen neuen Kunden annehmen kann. Entzugsgespräche erzeugen das Gegenteil von Druck.
Mit Druck erreichen Sie bald nichts mehr außer Gegendruck oder Fluchtverhalten. Erzeugen Sie Sog zum Beispiel durch Charme oder souveräne Markenführung.
Wer aber nach wie vor nicht an Transparenz und Seriösität interessiert
ist, lässt weiterhin anonym durchklingeln und seine Mitarbeiter
behaupten, sie säßen in Österreich oder übermittelt Phantasierufnummern.
Der Großteil der Call Center ist nicht an einer wirklich wertschöpfenden Vertriebstätigkeit interessiert. Es geht vielmehr um kurzfristiges Abgrasen von Datensätzen für den kurzfristigen Abverkauf. Die Call Center haben sich dem Bedarf ihrer Auftraggeber angepasst und sich im Sinne einer „Nach mir die Sintflut“-Kultur aufgestellt. Alles ist auf billig getrimmt: notdürftige Einarbeitung der Mitarbeiter und standardisierte Gesprächsleitfäden mit idiotensicherem Muster – von der 0815-Begrüßung („…Spreche ich mit…? Schön dass ich Sie erreiche…”) über rhetorische Frageformeln für die Ja-Konfirmation bis zum Abschluss.
Kein Vertrauen
Die wichtigste Grundregel von Verkaufsgesprächen wird allerdings missachtet: Der Argumentationsphase muss eine Vertrauensphase vorausgehen. Ohne diese Phase ist kein Mensch bereit, Argumente aufzunehmen. Die Vertrauensphase soll nicht nur das Vertrauen des potenziellen Kunden zum Verkäufer herstellen, sie ist eine unerlässliche Informationsquelle für den Verkäufer über die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden.
Die Vertrauensphase lässt sich aber nicht standardisieren, deshalb wird sie einfach wegrationalisiert. Und sie ist auch nicht erwünscht: Keines dieser Billig-Call-Center wird das Risiko eingehen, dass seine notdürftig eingeschulten Agents sich auf eine Vertrauensphase mit dem Gesprächspartner einlassen. Nach der Begrüßung geht es mit großen Schritten durch die Argumentationsphase – in der es allerdings kaum Argumente gibt: Vermeintlichen Kostenvorteilen für den Kunden folgen hohle Affirmationsphrasen („Das hört sich doch gut an, Herr Kramer…”). Jede brummige Zustimmung wird zu einem großen Fortschritt auf dem Weg zum Abschluss umgedeutet. Wer das Telefonat nicht schon unmittelbar dann unterbricht, wenn es sich als Verkaufsgespräch offenbart, lässt das Geleier über sich ergehen, weil er weiß, dass mit einem Quasi-Operator kein Gespräch möglich ist. Es ist bequemer hinterher zu stornieren.
Bedürfnis verhindert Abschluss
Wozu die tatsächlichen Bedürfnisse des Gesprächspartners kennenlernen, wenn ohnehin nur aktionsbezogene standardisierte Angebotspakete zum Verkauf stehen? Die wenigen Fragen des Call-Center-Agents zielen darauf ab, den Datensatz abzugleichen und zu vervollständigen. Das Kennenlernen von Kundenbedürfnissen stellt für die Call Center eher eine Gefahr dar. Ein individuelles Bedürfnis wäre eine Störung, die mit der Vertriebsoffensive nicht verarbeitet werden kann. Solche Vertriebsoffensiven halten stets unterkomplexe Angebote bereit: standardisierte Produkte oder bereits verschnürte Dienstleistungspakete. Die einzigen Argumente sind daher auch vermeintliche Preisvorteile.
Unterkomplexe Marktangebote sind der eine Marktnachteil, der mit massivem Vertriebsdruck ausgeglichen werden soll. Ein weiterer Marktnachteil ergibt sich daraus, dass Mitarbeiter an den Kundenkontaktpunkten fast überall wenig Erfahrung im Umgang mit Kunden haben. Eigentlich ist das ein paradoxes Faktum, kann jedoch kaum verwundern: Wenn Unternehmen schon keine Billig-Call-Center beauftragen, so beschäftigen sie doch niemals ihre besten oder bestbezahlten Mitarbeiter im Kundenkontakt.
Einkäufer sind keine Hausfrauen
Was darf aus Sicht des Marketing überhaupt noch per Push vertrieben werden? Häufige Antwort: Erklärungsbedürftige Produkte, bei denen das „Persönliche Verkaufsgespräch“ als Leitinstrument unabdingbar ist – dann könne man dem ohnehin vorhandenen Bedürfnis nach einer ausführlichen Vorstellung des neuen Produktes (etwa von professionellen Einkäufern, die sich eine kostenlose Produktschulung gönnen wollen) entgegenkommen und sich aktiv anbieten. Massencalls sind dazu nicht geeignet, sie erklären nichts.
Wenn schon als Privatmensch kaum jemand vor telefonischen Vertriebsoffensiven verschont bleibt, so sind dem die Einkäufer in den Unternehmen in noch viel höherem Maße ausgesetzt. Für standardisierte Verkaufsgespräche haben sie allenfalls ein mitleidiges Lächeln parat. Kein unternehmerischer Einkäufer möchte hören oder lesen, dass etwas „nur 1.990 EUR“ kostet. Mit dem Wörtchen nur soll beim Konsum von Low-Involvement-Produkten ein Referenzpreis simuliert werden. Als Konsumenten sollen wir das Gefühl bekommen, etwas ist gerade auf unterdurchschnittlich herab gesetzt worden. Professionelle Einkäufer hingegen verfügen über ausgeklügelte Heuristiken zur Beurteilung der Preiswürdigkeit. Durch solche aus dem Konsumentenmarketing abgeleiteten Wörter wie neu oder jetzt noch besser würden Sie als Verkäufer nur deren Entscheidungsautonomie infrage stellen. In der Buissness-to-Buissness-Kommunikation ist vom Gebrauch solcher Floskeln dringend abzuraten, ansonsten kommunizieren Sie, dass Sie nichts vom Geschäftskundenvertrieb verstehen. Reaktanzen gegen diese Form der Offerte treten übrigens keinesfalls nur bei einer intellektuellen Minderheit auf, wie in hausbackener Literatur noch immer behauptet wird.
Das Argument, dass durch solche Zauberformeln Gehirnareale stimuliert würden, die dem Aufnahme- und Kaufverhalten förderlich seien, mag allenfalls in einer reizarmen Umgebung funktionieren – dort wo unser limbisches System ein Stimulanzdefizit hat.
Verkaufsdruck ade
Überall dort wo Marktverhältnisse herrschen, ist Verkaufsdruck inzwischen höchst ineffizient geworden, wenn man Aufwand und Ergebnis ab einem Zeitraum von sechs Monaten betrachtet.
Die Stornoraten steigen. Sollen weiterhin Call Center an den Kundenkontaktpunkten eingesetzt werden, so müssen deren Auftraggeber endlich dazu übergehen, sie auch nach echten Leistungskennziffern zu bezahlen und nicht mehr nach Volumen.
Dieser Verantwortung müssen sich die Auftraggeber bewusst werden, wenn sie ihre Kundenbeziehungen nicht durch negative Erlebnisse und Belästigungen durch Outbound oder Coldcalls dauerhaft vergiften möchten. Nach über zehn Jahren CRM-Debatte scheinen manche Unternehmen noch immer nicht begriffen zu haben, wie sehr sie sich selbst damit schaden.
Heute nutzt zwar noch nicht die Mehrheit der Menschen für ihre Kaufentscheidungen das gesamte Spektrum des Web 2.0. Es werden aber weitere Plattformen entstehen, die Engpässe in Transparenz und Kommunikation zu kompensieren suchen.
Angehenden Vertriebsleuten wird noch immer beigebracht, erst über den Preis zu reden, wenn alle Argumente vorgebracht wurden. Wirklich gute Vertriebsprofis ignorieren diese vermeintliche Grundregel. Wird der Kunde nämlich gezwungen, geduldig abzuwarten bevor er das für ihn wichtigste erfahren darf, baut er unnötigen Stress auf. Die Mehrheit hört so lange weg, bis der Anrufer alle Verkaufsargumente runtergeleiert hat. Damit ist nichts gewonnen.
Die meisten Verkaufsgespräche setzen noch immer auf Überreden oder Überrumpeln. Wann wird denn wirklich einmal ein Kundenbedarf oder oder gar ein Leidensdruck angesprochen? Der Unternehmensberater Peter Sawtschenko empfiehlt sogar anstelle von Verkaufsgesprächen Entzugsgespräche zu führen. Der Verkäufer weckt Begierde, indem er z.B. vermittelt, dass er zur Zeit keinen neuen Kunden annehmen kann. Entzugsgespräche erzeugen das Gegenteil von Druck.
Mit Druck erreichen Sie bald nichts mehr außer Gegendruck oder Fluchtverhalten. Erzeugen Sie Sog zum Beispiel durch Charme oder souveräne Markenführung.