print logo

Wie E-Commerce-Unternehmen von Low-Code profitieren

Mithilfe von Low-Code-Plattformen lässt sich der Aufwand von E-Commerce Unternehmen reduzieren.
Reply Deutschland SE | 05.12.2023
Laut einer Studie von Mendix setzen fast alle Unternehmen in den westlichen Industrie-Staaten Low-Code ein. © “2022 State of Low Code”, Mendix
 

Autoren: Daniel Hummel, Associate Partner Ki Reply und Lars Funke, Manager Ki Reply

Eine Herausforderung für den Online-Handel besteht darin, dass die Anbieter ihre Online-Shops und Apps, die Kunden für den Einkauf nutzen, permanent an neue Anforderungen anpassen müssen. Der damit verbundene Aufwand lässt sich mithilfe von Low-Code-Plattformen deutlich reduzieren.

Jeder Einzelhändler steht vor derselben Herausforderung: Wer auf digitale Präsenz und Cross-Channel-Verkaufsstrategien verzichtet oder seinen Kunden keine Modelle wie Click & Collect anbieten kann, gerät schnell ins Hintertreffen. Speziell jüngere Käuferschichten, etwa die Millennials (Jahrgänge 1981 bis 1996) und die Generation Z (zwischen 1997 und 2012 geboren), erwarten vom Handel ein konsistentes Einkaufserlebnis, und dies auf unterschiedlichen Kanälen.

Doch das bedeutet, dass Händler in immer kürzeren Abständen neue Apps entwickeln oder vorhandene Anwendungen anpassen müssen, die Kunden auf dem Smartphone, Tablet oder einem stationären Endgerät für den Einkauf nutzen. Dasselbe gilt für Software im Backend. Dazu zählen Tools für das Marketing, die Marktforschung sowie für die Verwaltung von Kundendaten und die Warenwirtschaft. Auch digitale Lösungen, mit denen Händler die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Partnerunternehmen optimieren können, müssen erweitert und angepasst werden.

Und dies alles vor dem Hintergrund, dass Software- und IT-Spezialisten in Deutschland nach wie vor Mangelware sind. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft waren Mitte 2023 in Deutschland rund 68.000 Stellen im IT-Bereich nicht besetzt. Doppelt so viele freie Stellen verzeichnete Ende 2022 der Digitalverband Bitkom.

Die Lösung: Mit Low-Code schneller zur Software

Damit die IT-Abteilungen nicht permanent überlastet sind, muss somit der Aufwand für das Erstellen und das Management von Anwendungen reduziert werden. Hier kommt der Low-Code-Ansatz ins Spiel. Er basiert darauf, dass bei der Entwicklung an Anwendungen nun zu den Programmierern auch weitere Fachleute hinzugezogen werden. Diese nutzen grafische Tools und modellgesteuerte Drag&Drop-Oberflächen.

Vereinfacht gesagt: Ein größerer Nutzerkreis kann Apps aus vorgefertigten Modulen, Templates und Widgets "zusammenklicken" und auf eine Vielzahl bereits vorhandener Schnittstellen sowie Programm- und Prozesslogiken zurückgreifen. Die technisch herausfordernden Aufgaben können vorhandene Entwickler beisteuern, die dadurch auch die Sicherheit gewährleisten. Die technische Grundlage bilden Low-Code-Entwicklungsplattformen (LCDP, Low-Code Development Platforms), etwa von Anbietern wie Mendix. Solche Plattformen stehen entweder als Cloud-Service zur Verfügung oder als Lösung, die in hauseigenen Rechenzentren implementiert wird.

Das Potenzial der „Citizen Developer“ nutzen

Zu den größten Vorteilen von Low-Code zählt, dass mit entsprechenden Plattformen auch „Citizen Developer“ in der Lage sind, Software zu erstellen. Dies sind beispielsweise Experten in den Fachabteilungen, die über Grundkenntnisse im Bereich Software-Entwicklung verfügen oder sich solches Know-how aneignen. Sie haben dank Low-Code die Möglichkeit, ihr Fachwissen einzubringen, wenn Anwendungen und Tools angepasst oder entwickelt werden sollen.

Fachabteilungen können beispielsweise eigenständig die Katalog-Elemente von E-Commerce-Sites modifizieren. Campaign Manager erhalten über Low-Code die Option, eigenständig Marketing-Tools und Kampagnen zu erstellen und einzusetzen. Weitere Beispiele sind Anwendungen, mit denen E-Commerce-Unternehmen die interne Zusammenarbeit und die Kooperation mit Lieferanten optimieren. Citizen Developer und Low-Code entlasten somit die IT-Abteilung und stellen sicher, dass sich Handelsunternehmen schneller auf geänderte Anforderungen von Kunden einstellen.

Abbildung 1: Anwendungsdesign mittels des “Structure Mode” in Mendix Studio Pro. Quelle: Ki Reply Gmbh, Mendix

Laut der Studie „2022 State of Low Code“ von Mendix zählen 40 Prozent der Nutzer von Low-Code-Plattformen aus dem Bereich Handel Verbesserungen bei der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, des Kundenservices und der Synchronisierung von Kundendaten zu den größten Vorteilen dieser Technologie. Mehr als ein Drittel konnte dank Low-Code hybride Einzelhandelskonzepte effizienter umsetzen. Insgesamt, so die Untersuchung, griffen in Deutschland Mitte 2022 an die 88 Prozent aller Unternehmen auf Low-Code zurück.

Was bei der Verwendung nicht missverstanden werden darf, ist dass dies keine Abkehr des Programmierers in der Entwicklung bedeutet. Die Rollen verteilen sich in Low-Code-Projekten vielmehr auf mehreren Schultern, in dem der Citizen Developer seine Stärken in Prozess-, Kunden- und Anforderungs-Know-how einbringt, wohingegen die Entwickler für die Sicherheit, komplexe Entwicklungsanforderungen und allgemeine Governance sorgen.

Es geht bei der Weiterentwicklung der Low-Code-Plattformen darum, eine integrative Entwicklungsumgebung zu schaffen, die eine breite Palette an technischen Fachkenntnissen willkommen heißt. Durch die Schaffung einer solchen Umgebung, in der professionelle Entwickler und Citizen Developer zusammenarbeiten können, wird die Linie zwischen IT- und Geschäftseinheiten verwischt. Dies fördert nicht nur eine inklusive Zusammenarbeit, sondern beschleunigt auch die digitale Transformation, indem es die Agilität und die Fähigkeit zur schnellen Anpassung an Marktveränderungen erhöht. Durch die Vereinheitlichung der Entwicklungstools und -prozesse auf einer gemeinsamen Plattform können Unternehmen die Entwicklung beschleunigen, die Governance verbessern und die Risiken im Zusammenhang mit Shadow-IT minimieren. Dieser Ansatz ist im Einklang mit dem breiteren Branchentrend zur geschäftsgetriebenen Entwicklung und raschen digitalen Transformation.

Praxisbeispiel: Mit Low-Code eine E-Commerce-App entwickeln

Wie sich mithilfe von Low-Code eine Applikation für den E-Commerce-Bereich erstellen lässt, zeigt folgendes Beispiel. Es handelt sich um eine Barcode-Scanning-Software für mobile Endgeräte, in Verbindung mit einem individuellen Shopping Dashboard für die Kunden. Umgesetzt wurde das Projekt von den IT-Spezialisten von Reply auf Basis der Low-Code Development Plattform von Mendix.

Abbildung 2: Barcode Scanning der entwickelten Anwendung mittels eingebundener Drittsoftware-Widgets von Scandit und mobile Startseite für potentielle Kunden. Quelle: Ki Reply GmbH

Im ersten Schritt erstellen die Entwickler ein Widget und definieren die Funktionen, Benutzeroberfläche und die Datenquellen der Anwendung. Mit ihm stößt ein Kunde über die Kamera seines Smartphones das Scannen von Barcodes an, die an Produktregalen in einem Ladengeschäft angebracht sind. Bei jedem Schritt können die Entwickler mit der Plattform prüfen, ob das Widget wie gewünscht funktioniert und ob das User Interface (UI) intuitiv zu bedienen ist. Auch Prozesse im Backend-Bereich lassen sich initiieren. Dazu zählt das Abrufen von ergänzenden Produktinformationen aus einer Datenbank durch den Kunden.

Zweiter Schritt: Einbindung in komplette Shopping-Anwendungen

Eine solche Scanning-App reicht jedoch nicht aus, um Kunden ein unverwechselbares Einkaufserlebnis zu bieten. Mittels Low-Code-Plattformen und entsprechenden Entwicklungsmethoden können Citizen Developer, aber auch Programmierprofis weitere Funktionen integrieren. Bei der Software von Reply und Mendix ist das beispielsweise ein individuelles „Shopping Dashboard“. Es stellt dem Kunden auf dem Endgerät Informationen über vorhergehende Einkäufe, Sonderangebote und den Inhalt des Warenkorbs zur Verfügung.

Außerdem können Entwickler unterschiedliche Scan-Modi integrieren, etwa

  • einen Expressmodus für Waren, die der Kunde sofort in seinen Warenkorb legen möchte
  • und einen Modus, bei dem er zuvor weitere Informationen über ein Produkt abrufen will.

Stehen Programm-Module zu Zahlungsmöglichkeiten zur Verfügung, lassen sich auch diese in die App einbinden.

Unterschiedliche Rollen unterstützen

Wichtig ist, dass eine LCDP und die Apps, die damit entwickelt werden, unterschiedliche Nutzergruppen („Rollen“) unterstützen. Ruft ein Kunde die Software auf, stehen ihm die genannten Funktionen zur Verfügung, etwa das persönliche Dashboard. Greift dagegen der Produktmanager eines Händlers darauf zu, erhält er browserbasiert Zugang zu Anwendungen auf seinem Rechner, mit denen er eine Inventarisierung durchführt, neue Produkte hinzufügt oder Preise anpasst.

Abbildung 3: Spezieller Produktpflegescreen für die Bearbeitung in Browsern an stationären Rechnern oder Laptops. Quelle: Ki Reply GmbH

Mit dieser Rollenaufteilung lassen sich Anwendungen an die betrieblichen Prozesse maßgeschneidert anpassen, sodass jeder Nutzer auf die Prozesse über die passenden Geräte (browserbasiert oder Handys/Tablets) auf die notwendigen Daten zugreift. Darüber hinaus lässt sich im Detail steuern, welche Fachleute Änderungen an einer bestimmten Software oder App-Funktion vornehmen dürfen. Experten, die beispielsweise Kunden neue oder verbesserte Funktionen in einer App an die Hand geben wollen, haben nicht automatisch Zugang zu Backend-Prozessen im Bereich Bestellwesen. Allerdings erlaubt es Low-Code, dass Fachleute dieselben Module und Templates für unterschiedliche Zwecke nutzen können. Dies reduziert den Aufwand und spart Geld.

 

Abbildung 4: Datengestaltung in Mendix Studio Pro mittels übersichtlicher Visualisierung für Low- und Pro-Code Entwickler. Quelle: Ki Reply GmbH, Mendix

Zudem lassen sich Daten und Services von externen Anbietern in eine App oder Module einbinden. Das können Datenbanken wie Open Food Facts sein, aber auch Daten von Lieferanten. Hiermit können die vielfach verknüpften Lieferketten und weitere Datenbanken und Dienste eingebunden werden, und gleichzeitig die Vorgaben des Lieferkettengesetzes einhalten.

Wildwuchs vermeiden – Governance sicherstellen

Low-Code bietet somit eine ganze Reihe von Vorteilen, von kürzeren Entwicklungs- und Time-to-Market-Zeiten und einer Entlastung der IT-Fachleute über die Einbindung von Fachbereichs-Know-how in die Software-Entwicklung bis zu einer schnelleren Anpassung von Online- und Hybrid-Shops.

Wer diesen Ansatz wählt, sollte mehrere Faktoren beachten. Wichtig sind beispielsweise organisatorische und technische Maßnahmen, um einen „Wildwuchs“ bei der Software-Entwicklung zu vermeiden. Das gilt auch für Probleme in Bereichen wie Datenschutz und Compliance. Low-Code-Plattformen stellen zwar Funktionen bereit, mit denen sich solche Klippen umschiffen lassen, etwa ein Application Lifecycle Management. Doch solche Werkzeuge zu implementieren und so zu nutzen, dass sie Risiken minimieren, erfordert spezielles Wissen. Daher ist es ratsam, bei der Konzeption von Low-Code nicht nur die schnelle Umsetzung und Beseitigung der betrieblichen Probleme zu beachten, sondern auch den übergeordneten Ansatz im Blick zu haben und an neuralgischen Punkten auf vorhandene Expertise von Low-Code-Spezialisten wie Reply oder Mendix zurückzugreifen.

Passenden Ansatz wählen und "Citizen Developer" schulen

Dies empfiehlt sich auch aus weiteren Gründen. So gilt es abzuwägen, ob bei Low-Code ein strategischer oder taktischer Ansatz zum Zuge kommt. Beim taktischen Modell ist eine LCDP in sechs bis acht Wochen betriebsbereit. Für Akteure, die dagegen weitergehende Ziele verfolgen, wie eine umfassende Automatisierung der Geschäftsprozesse, ist eine strategische Low-Code-Strategie möglicherweise die bessere Wahl. Hierbei werden zunächst die Prozesse, Probleme und Potentiale analysiert, um diese nach Dringlichkeit zu automatisieren.

Ebenfalls nicht unterschätzt werden darf der Aufwand, potenzielle Citizen Developer im Unternehmen zu identifizieren und zu schulen. Angesichts der oft chronischen Überlastung der internen IT-Spezialisten bieten sich dafür externe Fachleute an.

Handelsunternehmen, die diese Punkte berücksichtigen, können mithilfe von Low-Code ihre Digitalisierung schneller und effizienter vorantreiben. Und dies ist angesichts eines Marktumfelds wichtiger denn je, das auf absehbare Zeit durch wirtschaftliche Herausforderungen geprägt sein dürfte.