TikTok - jetzt fängt Musik an!
Jede technische Entwicklung bedeutet Veränderung. Als Johann Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, konnte er nicht voraussehen, dass er damit eine Bildungsrevolution lostreten würde. Seither sind Bücher und das damit verbundene Wissen, für alle Menschen zugänglich. Mit der Entwicklung des Internets vollzog sich eine weitere Revolution, durch welche sich mit einem Mal ganz neue Wege der Ausstrahlung ergaben.
Vor allem für die Musikbranche bedeutete dies große Veränderungen. Das MP3-Format und zahlreiche andere Komprimierungsverfahren, ermöglichten es, Musik immer und überall zu konsumieren. Diesen Platz haben mittlerweile Streaming-Dienste wie Spotify und iTunes eingenommen. Aber auch diese bekommen Konkurrenz. Das chinesische Videoportal TikTok eroberte in kürzester Zeit die Social-Media-Welt. Welche Bedeutung dies für die Musikindustrie hat weiß Marvin Aloys, erfolgreicher DJ, Produzent und Geschäftsführer seiner Agentur Addicted Media. Er kennt sich bestens in der Musikindustrie aus und hat ein Gespür für die neuesten Trends und deren Entwicklung.
Der widerkehrende Wandel der Musikindustrie
Nach Aloys ist ein Wandel in der Musikindustrie nichts Ungewöhnliches. Schließlich kam die Musik früher hauptsächlich aus Radio und Fernsehen. Schallplatten, Kassetten und CDs ermöglichten dann einen neuen Umgang mit der Tonkunst, bevor die digitalen Möglichkeiten geschaffen wurden. Trends kommen und gehen und mit ihnen verändern sich auch die bis dahin üblichen Wege der Musikverbreitung.
Dass sich die Musikindustrie nun abermals verändern wird, ist für Aloys ganz klar. Die technischen Veränderungen lassen gar keine andere Wahl. Egal ob Labels, KünstlerInnen oder Firmen, wer im Trend bleiben möchte und kommerzielle Musik produziert, muss sich anpassen. TikTok stellt die Musik in den Vordergrund und grenzt sich damit von allen anderen Social-Media-Plattformen ab. Dadurch bietet die App ganz neue Möglichkeiten Hits zu generieren und Menschen zu erreichen.
Ob man an dieses neue Konzept glaubt, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Die Konkurrenz schläft nicht: Instagram - unter dem Dach von Facebook - hat mit den REELS schon eine Competition Strategy ausgerollt, die TikTok das Wasser reichen soll. Die Zeichen stehen gut, denn Instagram ist bereits länger am Markt und somit etablierter. Bei TikTok schwingt ein Risiko mit, wenn auch mit ungleich höheren Gewinnaussichten, sollte sich dieser Ansatz durchsetzen.
Eines steht fest, egal ob Instagram REELS oder TikTok, Musik wird in Zukunft ganz anders vermarktet werden wie bisher. Mit anderen Mitteln aber auch mit einer ganz anderen Reichweite. Etwa 3,3 Milliarden Menschen besitzen ein Smartphone und sind somit theoretisch für TikToker erreichbar.
Klar ist aber auch, dass die Vermarktungswege für jede Musikszene anders sind: Angst davor, dass Musik wie Schlager, Jazz oder Elektronische Musik darin untergehen, sollte man laut Aloys daher nicht haben. Szenen bleiben Szenen und distanzieren sich oftmals komplett von derartigen Pop-Culture-Hypes. Dort ticken die Uhren immer etwas anders, als in der großen kommerziellen Welt der Radios und Charts.
Neue Formate, Neue Märkte
Das Format der kurzen Videos wird über kurz oder lang auch die Musik verändern. Die Aufmerksamkeitsspanne des Musikkonsumenten ändert sich. Zu der 3 MINUTEN Radioversion, kommt jetzt zusätzlich noch eine 20 Sekunden Tiktok Version hinzu.
Vielleicht werden Einzeiler oder Haikus ja die nächsten Hits? Wie dem auch sei, Labels sind gut beraten, sich mit TikTok auseinanderzusetzen und mit TikTokerInnen exklusive Verträge zu schließen, um mit ihnen ein großes Team zu bilden. Eine „Armada an Musik Ambassadors“, wie es der Aloys nennt. So gewährleiste man, dass ein Trend nach dem anderen produziert werden kann und vor allem eine große Anzahl an Menschen erreicht. Auch Independent Künstler können von einer Vernetzung mit den neuen MusikbotschafterInnen profitieren.
Der Markt wächst
Derzeit erwerben 35,6% der Deutschen ihre Musik noch physisch, das heißt also via CD oder Vinyl-LP - das sind weniger als die Hälfte! Die große Masse hört Musik also schon digital und die Einnahmen haben erstmals die 1 Milliarde Marke geknackt. Der digitale Markt wächst und mit ihm der Einfluss der sozialen Medien. Aloys rät: „Wer im Zirkus der Popmusik ganz vorne mit dabei sein will, muss sich nun entsprechend aufstellen. Social Media ist aus der Musikindustrie nicht mehr wegzudenken. Jeder muss nun für sich entscheiden, ob er der Vergangenheit nachtrauert oder die Zukunft für sich nutzt.“