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Communities sind die neuen Influencer

Es muss klar sein, welche Persönlichkeitsmerkmale die Marke in sich trägt und wofür sie steht. Daher sollten sich Unternehmen folgende Fragen stellen.
Alina Ludwig | 31.08.2020
Communities sind die neuen Influencer © Pixabay / George / Beckerblack
 

Die Bedeutung von Communities wächst stetig. Immer mehr Marken versuchen die Kraft von Gemeinschaften zu aktivieren und vieles deutet darauf hin, dass sich dabei auch unser Blick auf Influencer Marketing verändern wird. Entscheider sollten sich künftig nicht mehr fragen: „Welche Person ist die richtige für mich“, sondern „In welcher Community möchte ich stattfinden und welche Person kann mir dabei helfen?“.

 

Follower sind noch keine Community

Ähnlich wie beim Buzzword „Purpose“ wurde „Community" in den letzten Jahren so inflationär verwendet, dass seine Bedeutung entwertet wurde und mittlerweile niemand mehr so genau weiß, wo der Begriff anfängt und wo er endet.

 

Eine Community ist eine echte Gemeinschaft aus Menschen, die ähnliche Werte teilen, die ein gemeinsames Ziel haben, die sich verbunden fühlen und umeinander sorgen. Die Menschen stolpern nicht durch Zufall herein, sondern suchen den Austausch aktiv. Sie wissen, dass sie zur Gruppe gehören und schätzen den Mehrwert, den diese bietet. In dieser Gemeinschaft entwickeln sich kommunikative Muster, Codes – eine eigene Kultur.

 

Dabei entscheiden weniger die soziodemografischen Merkmale, wie Alter, Geschlecht und Einkommen über die Zusammensetzung einer Community, sondern vielmehr gemeinsame Motive und Persönlichkeitsfaktoren, die zu ähnlichen Einstellungen und Handlungen führen.

 

Communities prägen Entscheidungen

Für Marken eine große Chance: Viele Studien zeigen, dass eine Kaufentscheidung maßgeblich von den Werten, die einer Person wichtig sind, und ihren Handlungsmotiven beeinflusst werden.

 

Wenn Unternehmen es schaffen, das Wertesystem, die Sprache und das Lebensgefühl einer Community glaubwürdig zu transportieren und sich nachhaltig als Unterstützer zu beweisen, zeigen sie den Mitgliedern „Wir verstehen euch! Wir sind auf eurer Seite.“ und erzeugen eine langfristige Bindung.

 

Ist dies geschafft, setzt der Netzwerkeffekt ein: Themen und Trends verbreiten sich schnell, Content und Kampagnen können leichter eine Relevanz erzeugen oder von der Community aktiv mit gestaltet werden.

 

Marken müssen menschlicher werden

Um glaubwürdig innerhalb einer Gemeinschaft zu kommunizieren, ist es wichtig, dass das Wertesystem von Marke und Community zusammenpasst. Und wie in jeder guten Beziehung ist zunächst die Selbstbeziehung der erste entscheidende Schritt:

 

Es muss klar sein, welche Persönlichkeitsmerkmale die Marke in sich trägt und wofür sie steht. Je detaillierter und einzigartiger Sie zum Beispiel folgende Fragen beantworten können, desto besser:

- Wer sind wir?

- Was tun wir?

- Warum tun wir es?

- Für welche Werte stehen wir?

- Mit welcher Grundhaltung begegnen wir anderen?

- Mit welcher Tonalität kommunizieren wir?

- Wie verbessert unser Produkt das Leben der Menschen?

 

Je klarer sich eine Marke zu einer bestimmten Haltung und Kultur bekennt und je eher sie in der Lage ist, diese in Geschichten zu übersetzen, desto leichter fällt es ihr, als Teil einer Gemeinschaft akzeptiert zu werden.

 

Zugang zu Gemeinschaften finden

Sind die Werte einmal definiert gibt es verschiedene Möglichkeiten in Communities stattzufinden.

Option 1: Influencer nutzen

Die Kollaboration mit bedeutenden Meinungsführern innerhalb einer Community kann für viele Marken ein wichtiger Hebel sein, um Legitimation und Zugang zu einer Gemeinschaft zu finden.

 

Social-Media-Influencer, die ihren Job gut machen, sind selbst wahre Meister des nachhaltigen Community Buildings. Mit viel Arbeit und Disziplin haben sie es geschafft eine konsistente und nachhaltige Kommunikation zu entwickeln, die ein engagiertes und vertrauensvolles Publikum anzieht. Doch längst nicht jede Person ist dazu in der Lage und dem klassischen Influencer Marketing fällt es immer noch schwer, die Qualität der Community hinter einem Creator richtig einzuschätzen.

Reichweite wird mit Bindung gleichgesetzt. Das ist ein Fehler.

 

Marken müssen künftig genauer prüfen, für welche Werte ein Künstler steht, wie er mit seinen Followern umgeht und ob er es tatsächlich schafft aus einer losen Gruppe von Usern, eine Gemeinschaft mit echter menschlicher Bindung zu erschaffen, die der Marke einen Mehrwert bietet.

 

Option 2: Eigene Communities aufbauen

Eine eigene Marken-Community aufzubauen gehört zu den schwierigsten Disziplinen im Marketing. Eine Gemeinschaft neu zu erschaffen und rund um ein Thema zu versammeln erfordert viel Zeit, Energie und Ressourcen. Entscheidend ist es, aus dem Markenkern ein Thema oder einen Zweck abzuleiten, der für Menschen relevant ist.

 

Sehr erfolgreich ist dies der Comdirekt Bank mit ihrer Initiative finanz-heldinnen gelungen, die eine weibliche Zielgruppe für das Thema Finanzen und finanzielle Unabhängigkeit begeistern möchte und allein auf Instagram bereits 42.000 Follower versammelt hat.

 

Ebenso kann eine eigene Community als wichtiger Feedback- und Impulsgeber fungieren und wertvolle Insights für die Produktentwicklung liefern. Diese Funktion der Ad-hoc-Marktforschung nutzt der Automobilhersteller Porsche mit dem Porsche Advisors Club. Die exklusive Online- Community ist nur auf Einladung zugänglich und zählt ca. 1.000 Mitglieder.

 

 

Option 3: Kooperationen mit bestehenden Communities

Eine Zwischenlösung bieten professionelle Online-Communities, die sich offen für Marken- Kooperationen zeigen und immer professioneller werden. Positives Beispiel ist hier etwa „Echte Mamas“ die größte Mütter-Community im deutschsprachigen Raum (Facebook: 559.000, Instagram: 345.000 Follower), die ihr Netzwerk aus Website, Influencer-Kanälen und privaten Gruppen bereits erfolgreich für Marken wie Dove, die Deutsche Telekom und LEGO geöffnet hat.

 

Auch eine Positionierung in gesellschaftlichen Subkulturen und Interessengemeinschaften bietet sich an.

 

Das Drehbuch dafür hat die Handelskette SNIPES in den letzten 15 Jahren geschrieben. Das Unternehmen versteht sich als Teil der jungen urbanen Straßenkultur und betreibt einen langfristigen, zielgerichteten Markenaufbau in wichtigen Sub-Communities, wie Freestyle-BMX und HipHop. Hier tritt die Marke kontinuierlich als verlässlicher Sponsor für relevante Meinungsführer und Events auf und konnte die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Community-Mitglieder gewinnen. Ebenfalls setzte SNIPES früh auf Mitglieder – Rapper, Tänzer und Künstler – als Markenbotschafter.

Nicht nur auf Werbeplakaten, sondern auch als Mitarbeiter in den Stores, die das Einkaufserlebnis mit ihrem Stil und ihrer Haltung bis heute prägen. Ein Schritt, der jedes SNIPES-Geschäft in einen Raum der Begegnung für die Community verwandelte.

 

Ohne Empathie und Kontinuität geht es nicht

Nun wird nicht jede Marke in eine Community hineingeboren. Nicht-endemische Akteure stehen vor einer großen Herausforderung: Häufig braucht es Jahre der echten Teilhabe und eine große Portion intrinsischer Motivation und Empathie, um eine komplexe Community vollständig zu durchdringen. Ein intensiver, offener Dialog auf Augenhöhe und kontinuierliche Interaktion sind essentiell. Wer es nicht ernst meint, wird schnell enttarnt.

 

Bevor man hier unbedacht eindringt, grobe Fehler begeht und eine Gruppe gegen sich aufbringt, sollte man die Zeit investieren, um zu beobachten und zu lernen.

 

Die dafür benötigten Ressourcen werden immer häufiger auch von spezialisierten Agenturen bereitgestellt. Neue Geschäftszweige formen sich. Jüngstes Beispiel: Unter dem Dach von Jung von Matt gründet Toan Nguyen Anfang 2020 die Tochter JvM/Nerd. Eine Vermarktungsberatung für digitale Popkultur, die Experten für die Bereiche Gaming, Fantasy, Science Fiction, Comics, Anime und viele weitere Bereiche versammelt. Sie werden zum Übersetzer und Brückenbauer zwischen Marken und Subkulturen.

 

Fazit

Influencer sind nur eine von vielen Möglichkeiten für Unternehmen, die Kraft von Communities für sich zu nutzen. Es ist entscheidend, dass Marken ein klares, einzigartiges Wertesystem entwickeln und lernen dieses in relevante Geschichten zu übersetzen. Für jede Form des Community Engagements ist ein echtes Interesse an der Gemeinschaft, emphatische und menschliche Kommunikation sowie Durchhaltevermögen gefragt. Wer Kontinuität und einen langen Atem mitbringt wird seine Kundenbeziehungen nachhaltig stärken.