Events von morgen – mit Abstand oder im Autokino?
Vor Corona kam die Musik aus den Clubs in die Eventbranche. Plötzlich hießen diese nicht mehr Kongress, Messe oder Summit, sondern Rockstars oder Festival. Jetzt sterben die Clubs und was ist mit den Festivals? Oder mit anderen Großveranstaltungen? Social Distancing ist angesagt, doch wie soll dies bei Events mit Tausenden Besuchern funktionieren? Und wie lange können die Veranstalter durchhalten? Wann können die ersten Großveranstaltungen wieder stattfinden? Events werden verschoben, abgesagt oder finden virtuell und hybrid statt. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, Überstunden werden abgebaut und Investitionen aufgeschoben.
Das Europäische Institut für Tagungswirtschaft EITW untersuchte die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Veranstaltungsmarkt in Deutschland und hat verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt. 9 von 10 Veranstaltungen könnten in diesem Jahr ausfallen [1].
Messen müssen Präsenz zeigen
Branchenmessen sind wichtig, um nach der Krise den wirtschaftlichen Aufschwung voranzutreiben. Der regionale, nationale und internationale Treffpunkt für ganze Branchen bietet vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen einen wichtigen Vertriebszweig. Hier treffen sich Messebesucher und Aussteller zu einem persönlichen Gespräch, tauschen sich aus und informieren sich über die neusten Trends. Als wichtiger Impulsgeber ist eine Messe Plattform für Innovationen und Kooperationen. Vorträge und Seminare werden zur Weiterbildung besucht.
Darüber hinaus profitiert auch die Hotel- und Tourismusbranche von solchen Veranstaltungen. Es werden Einnahmen für Hotels, Catering, Restaurants und den Einzelhandel generiert. Auch diese Branchen sind von der Krise massiv betroffen und könnten von der Wiederaufnahme der Veranstaltungen profitieren.
Vor 2020 – Vor Corona
Wie sah Ihr Messebesuch im letzten Jahr aus? Alle halbe Stunde ein anderer Termin, von einer Halle in die andere eilen. Produktpräsentationen direkt nebeneinander. Ein dichtes Gedränge bei den Vorträgen. Auf dem Gang sind wir Tausenden von Menschen begegnet. Jeden Abend eine andere Party. Wie soll das in Zeiten von Corona gehen? Jeder Zweite bleibt trotz geöffneter Geschäfte zu Hause. [2]
In 2020 – Während Corona
Die Aussteller finden schnell andere Wege, um ihre Kunden zu erreichen. Events werden abgesagt oder finden online statt. Es gibt neue Formate und neue Player [3]. Unternehmen bauen ihren Messestand im eigenen Betrieb oder führen online Webinare und Kongresse durch. Doch ist das ein Ersatz für einen Messeauftritt und wie geht es weiter mit Großveranstaltungen? Werden alle abgesagt? Besprechung im 1,5 m Abstand und mit Mundschutz? Die Risikogruppe muss draußen bleiben, die Jugend darf feiern? Ohne Corona-App kein Einlass?
Was spricht für die Veranstaltung von Messen?
Fachmessen und Fachkongresse unterscheiden sich grundlegend von Sportveranstaltungen oder gar Volksfesten. Im Fokus stehen der Austausch von Informationen und die Weitergabe von Wissen. Bei diesem persönlichen Austausch ist es durchaus möglich, den Mindestabstand einzuhalten.
Durch verschiedene Gegebenheiten kann die Besucherdichte so gering wie möglich gehalten werden, was bei anderen Großveranstaltungen wie beispielsweise Fußballspielen nicht möglich wäre.
Zum einen finden die Veranstaltungen meist über mehrere Tage statt, zum anderen bieten die Hallen eine große Fläche. Beides ermöglicht den Veranstaltern, die Besucher bestmöglich zu verteilen. Die Vorgehensweise würde sich dabei an dem Vorgehen der Supermärkte und Einzelhandelsgeschäften orientieren, was sich in den letzten Wochen als erfolgreich herausgestellt hat [4].
Ausreisemaßnahmen und die Aufhebung von Reisebeschränkungen müssen mit den Genehmigungen zur Durchführung von Ausstellungen und Veranstaltungen in Einklang gebracht werden. Kleinere regionale oder nationale Ausstellungen und Veranstaltungen machen hierbei den Anfang [5].
Die mögliche Vorgehensweise
The Global Association of the Exhibition Industry (ufi) hat ein Dokument [4] veröffentlicht, welches einen Planungsrahmen für die Organisation von Ausstellungen und B2B-Handelsveranstaltungen in der Erholungsphase der COVID-19-Krise definiert. Es gilt als Ergänzung zu den bestehenden Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften und sollte in Verbindung mit den WHO-Richtlinien betrachtet werden.
Die dort aufgeführten Maßnahmen zielen darauf ab, die Ausstellungen sicher und kontrolliert zu organisieren. Die Maßnahmen sind während des Aufbaus (Planungsphase), der Ausstellung (Betriebsphase) und nach der Veranstaltung (Überprüfung nach der Veranstaltung) zu ergreifen. Diese beinhalten:
- Gewährleistung der personellen und persönlichen Sicherheit
- Risikoanalyse durchführen
- Verwendung Präventionsmaterial (z.B. Masken, Desinfektionsmittel, Einwegtücher)
- Ermöglichung einer physischen Distanzierung
- Einführung von Absperrungen und Markierungen des Bodens für Raumvorschriften, Warteschlangen und öffentliche Räume (z.B. Eingangshalle, Toiletten, Restaurants)
- Durchsichtige Trennwände an den Schaltern am Eingang und beim Kundendienst
- Großzügige Abstände zwischen den Ständen und Gängen
- Erhöhung der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen
- Zugangskontrolle: Gesundheitsscreening (z.B. Temperaturmessung)
- Richtlinien erarbeiten, die den Interessensgruppen, die das Screening nicht bestehen, den Zugang verwehren (z.B. Isolationsbereiche einrichten)
- Verwaltung von Reinigungs-, Sanitär- und Desinfektionsregelungen
- Sanitär- und Handwaschstationen bereitstellen
- Festlegung Kontaktrichtlinien (Kein Händeschütteln, kontaktlose Bezahlung, Platz für sichere Interaktion zwischen Aussteller und Besucher)
- Klimaanlagen und Luftfilterung für Veranstaltungsorte/Ausstellungshallen
- Frequenz Abfallentsorgung anpassen
- Verbesserte Reinigungs- und Desinfektionsregelungen für Exponate, Stände und Werbematerialen
- Umsetzung der Massenkontrolle
- Verwaltung Teilnehmerfluss (Überwachung Zufahrtswege, Warteschlangen, Eingänge, Trennung der verschiedenen Bereiche der Veranstaltungen)
- Anpassung des Registrierungsprozesse und Verwaltung der Einrichtung, um die Zahl der Kontakte zu minimieren (Förderung Online-Registrierung)
- Verwaltung Anzahl der Beteiligten auf dem Messegelände (mehr Zeit für den Auf- und Abbau)
- Verwaltung Teilnehmerzahl auf dem Ausstellungsgelände (Begrenzung Teilnehmer auf Grundlage der Bruttoquadratmeterfläche des Veranstaltungsortes, Zuweisung von Eintrittskarten zu bestimmten Zeitfenstern wie Tagen und Stunden)
- Verwaltung Catering-Angebot, um physische Distanz zu ermöglichen und zusätzliche Hygienemaßnahmen zu fördern (Tische mit großen Abständen stellen, Vermeidung Buffet, Angebot vorverpackter Lebensmittel)
- Förderung und Durchsetzung von Maßnahmen
- In einem rechtlichen Rahmen arbeiten, der Pflichten und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten klar definiert
- Einrichtung und Aufrechterhaltung einer direkten Kommunikation mit lokalen Behörden
- Einrichtung medizinischer Servicestellen
- Durchführung einer Schulung zur Seuchenprävention (z.B. Umgang Desinfektionsmittel, Reinigung öffentlicher Plätze)
- Überprüfung Registrierungsdetails vor Ort und Verwaltung der Verfahren zur Information der Gesundheitsbehörde
- Überwachung neuer Informationsquellen (z.B. Gerüchtekontrolle)
- Verfahren zur Klärung von Bedenken vor Ort und zur Beantwortung der Fragen der Teilnehmer (Hotline)
- Überwachung der Massenbewegungen in Echtzeit (Einsatz von Technologie zur Verfolgung der Teilnehmer während der Veranstaltung; Armbänder, Apps)
Beispiel: IFA 2020 in neuer Form
Die diesjährige IFA wird aus vier eigenständigen Veranstaltungen mit je 1000 Teilnehmern pro Tag vom 3. bis 5. September 2020 stattfinden. Sie bietet die erste Ausstellungsmöglichkeit für die Consumer Electronics- und Home Appliances-Industrie seit dem Ausbruch der Pandemie. Neue Produkte und Dienstleistungen können direkt den Medien und so auch den Konsumenten sowie dem Handel präsentiert werden. Die IFA findet traditionell zum besten Zeitpunkt für Marken, Hersteller und den Handel auf der ganzen Welt statt: Kurz vor der wichtigsten Verkaufssaison des Jahres, die vom Singles Day über den Black Friday, Cyber Monday, Weihnachten bis Chinese New Year reicht. [6]
Beispiel: Fachmesse Dmexco
Seit Mitte Mai steht fest: die Dmexco findet wie geplant im September in Köln statt. Fachmessen und Fachkongresse sind in Nordrhein-Westfalen ab dem 30. Mai wieder erlaubt. Allgemein muss sich die Dmexco an die neuen Gegebenheiten anpassen und Maßnahmen schaffen, die einen reibungslosen und vor allem sicheren Ablauf garantieren. Dazu hat die Fachmesse bereits einige vorläufige Ideen bekannt gegeben:
- Hygiene & Abstand
- Konsequente Vorgaben für die Prozesse an den Eingängen, in den Hallen und auf den Ständen
- Vollregistrierung aller Teilnehmer
- Nutzung der Flexibilität und Größe des Geländes
- Nutzen der Möglichkeiten des digitalen Leitsystems
Genauere Informationen zu den Rahmenbedingungen werden sich in den nächsten Monaten entwickeln. [7]
Clubs, Konzerte und Festivals
Während Ausstellungen und Fachmessen bereits einen Funken Hoffnung verspüren und sich für die Wiederaufnahme der Veranstaltungen bereit machen, tappen Clubs, Künstler und Festivalveranstalter weiterhin im Dunkeln. Auch in näherer Zukunft wird sich daran nichts verändern. Sie werden die Letzten sein, die ihre Tore für die Besucher öffnen können. Es gilt nach Alternativen zu suchen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Alternative Nummer 1 scheint aktuell das Autokino zu sein, was durch Corona ein regelrechtes Revival durchlebt. Denn es bietet einen klaren Vorteil: Die Distanzierung. Wer zu zweit im eigenen Auto sitzt, kann sich nur schwer bei den anderen Teilnehmern anstecken. Vor allem Künstler, wie Sänger oder Comedian nutzen das Autokino, um ihre Fans weiterhin zu unterhalten.
Beispiel: CarWatchFestival mit Bülent Ceylan
So trat Bülent Ceylan auf dem CarWatchFestival in Viernheim auf. Während seines Live-Auftritts standen ca. 200 Autos vor ihm, die durch Warnblinker und Lichthupe ihre Begeisterung zum Ausdruck gebracht haben. Denn ob die Zuschauer wirklich gelacht haben, konnte Ceylan nicht hören. [8]
Abiturverleihung im Autokino
In Waghäusel, die Heimat der marketing-BÖRSE, wurde die Festwiese Eremitagegarten in ein Autokino mit Bühne umgewandelt. Geplant ist Comedy und Livemusik. Jetzt hat der Initiator auch eine Anfrage eines Gymnasiums vorliegen [7]. Dieses kann sich sehr gut vorstellen im Autokino ihr Abiturfest zu veranstalten mit Rede des Rektors und Übergabe der Abiturzeugnisse. Das ist live und festlicher als die Zusendung der Zeugnisse mit der Post und bleibt sicherlich den Abiturienten lange im Gedächtnis. [9]
Quellen
[1] EVVC Europäischer Verband der Veranstaltungs Centren e.V.
https://www.marketing-boerse.de/news/details/2019-erholung-des-veranstaltungsmarktes-braucht-zeit/167205
[2] McKinsey
https://www.marketing-boerse.de/news/details/2019-mckinsey-furcht-vor-langfristiger-rezession-nimmt-zu/167247
[3] Frank Puscher
https://www.marketing-boerse.de/fachartikel/details/2022-events-in-der-digitalbranche-was-kann-online/167881
[4] The Global Association of the Exhibition Industry (ufi)
https://www.ufi.org/wp-content/uploads/2020/06/Framework_for_reopening_the_exhibition_industry_Post_COVID-19.pdf
[5] European Exhibition Industry Alliance
http://www.exhibition-alliance.eu/sites/default/files/projects/files/EEIA%20Joint%20Position%20Paper_24042020.pdf
[6] Messe Berlin
https://www.marketing-boerse.de/news/details/2021-ifa-will-fuer-2020-in-neuer-form-stattfinden/167751
[7] Koelnmesse
https://go.dmexco.com/de/dmexco-2020-informationen-zu-corona
[8] Bülent Ceylan
https://buelent-ceylan.de/events/open-hair-special-viernheim-4/
[9] Badische Neuste Nachrichten
https://bnn.de/lokales/bruchsal/im-waghaeuseler-autokino-werden-vielleicht-bald-abschlusszeugnisse-ueberreicht