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Der Text spricht mich einfach nicht an – Gendern in Marketing-Texten

Sie arbeiten im Marketing? Dann ist es wahrscheinlich ein integraler Bestandteil Ihres Arbeitslebens, über die richtige Ansprache nachzudenken.
© Congree Language Technologies GmbH
 

Was Sie dabei beachten müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Egal, auf welche Phase des Vertriebszyklus Ihre Maßnahmen abzielen, ist eins immer gleich: Die Menschen, an die Sie sich richten, müssen sich angesprochen fühlen – im Sinne der sprachlichen Adressierung, aber auch emotional. Sie wollen Ihre Zielgruppe verstehen und achten, und nicht zuletzt wollen Sie, dass Ihr Unternehmen angemessen wahrgenommen wird. So weit, so gut.

Rund um die richtige Ansprache gibt es unzählige Theorien, Konventionen, Tipps und Tools. Wir wollen jedoch bei einem grundlegenden, aber häufig unterschätzten oder verkannten Aspekt beginnen: dem Gendern.

Was ist das?

Zunächst einmal: Gendern bedeutet nicht Gendermarketing, in dessen Rahmen, vereinfacht ausgedrückt, Geschlechterstereotype und Rollenbilder als relevanter Faktor für Markterfolg und Gewinnoptimierung eingesetzt werden. Gendern bedeutet hingegen eine bewusste sprachliche Sichtbarmachung und Adressierung mehrerer Geschlechter. Um drei beliebige Beispiele für die sprachliche Umsetzung zu nennen:

  • Die Ansprache aller Geschlechter, über Mann und Frau hinausgehend, mit dem Gendersternchen (Käufer*innen)
  • Die Doppelnennung (Käuferinnen und Käufer)
  • Die Umformulierung (Menschen, die unsere Produkte kaufen)

Bei Letzterem handelt es sich genauer gesagt um eine Variante des Genderns, die Geschlecht nicht explizit nennt, sondern hingegen sprachlich nicht deutbar macht. Durch das Nicht-deutbar-Machen wird die Irrelevanz der Geschlechtskategorie für eine bestimmte Aussage betont.

In der Praxis: Sie wollen aussagen, dass die Menschen, die ein Produkt kaufen, männlich oder weiblich sind? Dann nennen Sie beide grammatischen Geschlechter. Sie möchten auch auf Menschen jenseits der beiden Pole „männlich“ und „weiblich“ einbeziehen? Dann ist zum Beispiel das Gendersternchen angemessen. In Ihrer Aussage bietet die Information, welchem Geschlecht die bezeichneten Personen angehören, überhaupt keinen Mehrwert? Dann könnte man überlegen, sie einfach wegzulassen bzw. zu neutralisieren.

Was soll das?

Sie fragen sich vielleicht: „Wozu das Ganze? ‚Der Käufer‘ ist doch schon neutral? Jeder weiß doch, dass sich das nicht nur an Männer richtet …“ Das generische Maskulinum ist tief in unseren Sprachgebrauch verankert. Diese Konvention besagt: Personenbezeichnungen im grammatischen Maskulinum sind als geschlechtsneutral bzw. geschlechtsübergreifend zu interpretieren. Auf Nachfrage würden auch die meisten Frauen sagen, dass sie sich vom generischen Maskulinum mitgemeint fühlen.

Forschungsergebnisse, vor allem der Psycholinguistik, lassen jedoch etwas anderes vermuten. Studien wie von Gygax et al. (2008) und Oakhill et al. (2005) legen nah, dass das generische Maskulinum nicht in allen Fällen generisch interpretiert wird. Stattdessen gibt es Evidenzen dafür, dass das generische Maskulinum bei Personennamen dazu führt, dass unterbewusst das Geschlecht der Bezeichneten als männlich wahrgenommen wird. Siehe hierzu auch den SciLogs-Beitrag „Frauen natürlich ausgenommen“ des Linguisten Anatol Stefanowitsch.

Keine Angst vor der „Sprachpolizei“

Für uns im Marketing bedeutet das Gendern kein striktes Sprachgebot. Es gibt keine „Sprachpolizei“, die das generische Maskulinum abstraft. Gendern lässt sich vielmehr als Möglichkeit verstehen, noch direkter auf Menschen zuzugehen und sie anzusprechen. Angesprochen zu werden ist einfach persönlicher, als mitgemeint zu sein.

Auf der anderen Seite bieten Umformulierung und Partizip-Methode (die Lesenden, die Teilnehmenden) eine ganz andere Möglichkeit, nämlich, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und die Ebene des Geschlechts sowohl grammatikalisch als auch biologisch-sozial aus dem Content zu tilgen. Je nachdem, wie kommuniziert werden soll, gibt es viele verschiedene Methoden des Genderns. Einen Überblick, Tipps und Werkzeuge finden Sie zum Beispiel auf Portalen wie genderleicht.

Neue Wege gehen

Im öffentlichen Dienst ist es mittlerweile vorgeschrieben, diskriminierungsfrei zu formulieren und auch den dritten Geschlechtseintrag jenseits der Kategorien Mann und Frau zu berücksichtigen. So weit sind wir im Marketing nicht. Wir haben sprachlich alle Freiheiten. Zumeist gehen wir in der Ansprache jedoch die alten (bewährten?) Wege.

Einige von uns setzen ein wenig mehr auf Diversität:

  • Die Initiative Silbernetz verwendet auf ihrer Website und in der Plakatwerbung den Unterstrich, der ebenso wie das Gendersternchen alle Geschlechter adressiert.
  • Die Redaktion der Plattform LinkedIn verwendet das Gendersternchen, vor allem für den Nachrichtenüberblick.
  • Das Magazin ze.tt gendert überall mit Gendersternchen, auch in den sozialen Netzwerken.

Ja, aber

Gegenderten Texten sagt man nach, sperrig und unverständlich zu sein. Doch stimmt das? Unsere Beispiele zeigen, dass Gendern nicht unbedingt in sperrigen, ellenlangen, hässlichen Wortkonstrukten resultieren muss.

Und zur Verständlichkeit zeigen Untersuchungen wie jene von Braun et al. (2007), dass der Impact des Genderns auf die objektive Verständlichkeit eher als neutral zu bewerten ist.

Sie stehen nicht alleine da

Sie wollen sich näher mit dem Gendern befassen und das Grundprinzip auf Ihre eigene Arbeit übertragen? Prima. Falls Sie Respekt vor der Umsetzung des Themas haben, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Es gibt einiges zu beachten und wir alle wissen, dass alte Schreibgewohnheiten hartnäckig sein können. Wenn Sie eine Instanz suchen, die Ihnen beim gendergerechten Schreiben unter die Arme greift, könnte Software zur Autorenunterstützung eine Lösung sein.

Erschienen am 10.02.2020 auf www.marconomy.de.

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