Sturz vom Dach bei Klassenfahrt ist kein Arbeitsunfall
Auf einer Klassenfahrt in England hatte sich ein 17-jähriger Schüler 2012 schwer verletzt, als er alkoholisiert aus dem Fenster auf das Dach kletterte, um dort zu rauchen, und von dort abstürzte. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg verneinte nun einen Unfallversicherungsschutz des Schülers:
Auch eine Klassenfahrt kann dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfallen. Verunglückt ein Schüler auf der Klassenfahrt, kann das ähnlich einem Arbeitsunfall dazu führen, dass er Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält.
In dem nun entschiedenen Fall ging die Klasse mit den Lehrern in einen Pub. Der Geschädigte blieb mit drei anderen Schülern in der Jugendherberge zurück. Nachdem sie zunächst zwei Wodkaflaschen geleert hatten, wollten sie auf dem Dach der Herberge rauchen. Beim Zurückklettern stürzte der Schüler 6 Meter in die Tiefe und ist seitdem querschnittsgelähmt.
Der Schüler argumentiere im Gerichtsverfahren, dass das Sich-Betrinken auf der Gruppendynamik beruht habe; im betrunkenen Zustand habe man schlicht übersehen, wie gefährlich die Lage sei.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies die Klage nun ab.
Richtig ist dabei zunächst, dass Unfälle, die im Rahmen eines gruppendynamischen Verhaltens passieren, tatsächlich grundsätzlich dem Unfallversicherungsschutz unterliegen können.
In dem konkreten Fall aber stellte das Gericht fest:
„Das Herausklettern aus dem Fenster kann nicht als Ausdruck eines natürlichen und ungehemmten Spieltriebes gedeutet werden. Ob der Kläger als 17 ½ – Jähriger einem solchen Trieb noch unterliegt, ist zweifelhaft. Jedenfalls galt die konkrete Tätigkeit nicht der Realisierung eines Spieltriebes. Der Kläger hatte sich nicht etwa als Mutprobe oder zum Beweis seiner Kletterfähigkeiten aus dem Fenster auf das Dach begeben. Dieses Handeln war vielmehr durch das alles andere als kindliches Verlangen nach einer Zigarette veranlasst gewesen. Rauchen ebenso wie der sonstige Konsum von Genussmitteln entspringt weit mehr noch als die Einnahme fester oder flüssiger Nahrung persönlichen Angewohnheiten.“
Die Entscheidung, nicht wie zuvor vor dem Haus, sondern auf dem Dach zu rauchen, ist auch nicht durch eine konkrete gruppendynamische Situation motiviert gewesen, so das Gericht weiter: „Es ist gerade nicht das Ziel solcher Klassenfahrten, Alkoholexzesse zu fördern oder entsprechende Gelegenheiten zu schaffen.“
Das Gericht stellte auch fest, dass der Schüler sehr wohl noch in der Lage war, aus dem Fenster zu klettern und er damit offenbar nicht so sehr betrunken gewesen sein konnte, alternativ nicht auch die Treppe zu benutzen. Er wählte den Weg durch das Fenster vielmehr aus reiner Bequemlichkeit, so das Gericht, so dass seine Entscheidung nicht auf einer Gruppendynamik beruhte, sondern auf seiner individuellen Fehlentscheidung (zumal er als erstes durch das Fenster kletterte und ohnehin fraglich war, ob 4 Schüler überhaupt sich gruppendynamisch verhalten könnten).
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)
Auch eine Klassenfahrt kann dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfallen. Verunglückt ein Schüler auf der Klassenfahrt, kann das ähnlich einem Arbeitsunfall dazu führen, dass er Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält.
In dem nun entschiedenen Fall ging die Klasse mit den Lehrern in einen Pub. Der Geschädigte blieb mit drei anderen Schülern in der Jugendherberge zurück. Nachdem sie zunächst zwei Wodkaflaschen geleert hatten, wollten sie auf dem Dach der Herberge rauchen. Beim Zurückklettern stürzte der Schüler 6 Meter in die Tiefe und ist seitdem querschnittsgelähmt.
Der Schüler argumentiere im Gerichtsverfahren, dass das Sich-Betrinken auf der Gruppendynamik beruht habe; im betrunkenen Zustand habe man schlicht übersehen, wie gefährlich die Lage sei.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies die Klage nun ab.
Richtig ist dabei zunächst, dass Unfälle, die im Rahmen eines gruppendynamischen Verhaltens passieren, tatsächlich grundsätzlich dem Unfallversicherungsschutz unterliegen können.
In dem konkreten Fall aber stellte das Gericht fest:
„Das Herausklettern aus dem Fenster kann nicht als Ausdruck eines natürlichen und ungehemmten Spieltriebes gedeutet werden. Ob der Kläger als 17 ½ – Jähriger einem solchen Trieb noch unterliegt, ist zweifelhaft. Jedenfalls galt die konkrete Tätigkeit nicht der Realisierung eines Spieltriebes. Der Kläger hatte sich nicht etwa als Mutprobe oder zum Beweis seiner Kletterfähigkeiten aus dem Fenster auf das Dach begeben. Dieses Handeln war vielmehr durch das alles andere als kindliches Verlangen nach einer Zigarette veranlasst gewesen. Rauchen ebenso wie der sonstige Konsum von Genussmitteln entspringt weit mehr noch als die Einnahme fester oder flüssiger Nahrung persönlichen Angewohnheiten.“
Die Entscheidung, nicht wie zuvor vor dem Haus, sondern auf dem Dach zu rauchen, ist auch nicht durch eine konkrete gruppendynamische Situation motiviert gewesen, so das Gericht weiter: „Es ist gerade nicht das Ziel solcher Klassenfahrten, Alkoholexzesse zu fördern oder entsprechende Gelegenheiten zu schaffen.“
Das Gericht stellte auch fest, dass der Schüler sehr wohl noch in der Lage war, aus dem Fenster zu klettern und er damit offenbar nicht so sehr betrunken gewesen sein konnte, alternativ nicht auch die Treppe zu benutzen. Er wählte den Weg durch das Fenster vielmehr aus reiner Bequemlichkeit, so das Gericht, so dass seine Entscheidung nicht auf einer Gruppendynamik beruhte, sondern auf seiner individuellen Fehlentscheidung (zumal er als erstes durch das Fenster kletterte und ohnehin fraglich war, ob 4 Schüler überhaupt sich gruppendynamisch verhalten könnten).
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)