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EuGH: Netzsperren zu rechtsverletzenden Websites sind zulässig

Timo Schutt | 28.03.2014
Access-Provider können verpflichtet werden, ihren Kunden den Zugang zu Websites zu sperren, auf denen illegal urheberrechtlich geschützte Werke verbreitet werden. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 27.03.2014 entschieden.

Jedoch müsse dabei ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der unternehmerischen Freiheit der Provider und der Informationsfreiheit der Internetnutzer gewährleistet werden.

In dem Fall ging es darum, dass zwei Filmfirmen das Zugänglichmachen ihrer urheberrechtlich geschützten Filme ohne ihre Zustimmung auf der Website „kino.to“ dadurch verhindern wollten, dass sie bei Gericht einen Antrag gegen einen österreichischen Anbieter von Internetzugangsdiensten (Provider) stellten, ihren Kunden Zugang zu dieser Website zu gewähren. Der Provider hielt die Anordnung für unzulässig. Der österreichische Oberste Gerichtshof legte den Fall schließlich dem EuGH vor.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass ein Access-Provider verpflichtet werden kann, seinen Kunden den Zugang zu einer rechtsverletzenden Website zu sperren.

Der Provider sei als Vermittler zu betrachten, dessen Dienste zur Urheberrechtsverletzung genutzt werden. Für die Annahme der Vermittlereigenschaft sei weder ein besonderes Verhältnis zwischen der das Urheberrecht verletzenden Person und dem Vermittler erforderlich noch der Nachweis, dass die Kunden des Providers tatsächlich auf die zugänglich gemachten Werke zugreifen.

Im Rahmen einer solchen Anordnung würden zwar die Urheberrechte mit der unternehmerischen Freiheit des Providers und der Informationsfreiheit der Internetnutzer kollidieren. Im Fall mehrerer kollidierender Grundrechte sei es aber Sache der Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass sie sich auf eine Auslegung des EU-Rechts und ihres nationalen Rechts stützen, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten sicherstellt.

Die fragliche Anordnung würde den Wesensgehalt des Rechts des Providers auf unternehmerische Freiheit unangetastet lassen. Zum einen überlasse sie es dem Provider selbst, die konkreten Maßnahmen zu bestimmen. Daher könne er sich für die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden, die seinen Ressourcen und Möglichkeiten am besten entsprächen und mit den übrigen von ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu erfüllenden Pflichten und Anforderungen vereinbar seien. Zum anderen ermögliche sie es ihm, sich von seiner Haftung zu befreien, indem er nachweise, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Nach Ansicht des EuGH ist eine solche Anordnung grundrechtskonform, wenn die vom Provider ergriffenen Maßnahmen den Internetnutzern nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, und wenn sie Zugriffe auf illegal zugänglich gemachte Schutzgegenstände verhindern oder zumindest erschweren und die Internetnutzer zuverlässig davon abhalten, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen. Außerdem müssten die Internetnutzer – wie im Übrigen auch die Access-Provider – ihre Rechte vor Gericht geltend machen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, müssten die nationalen Behörden und Gerichte prüfen.

(EuGH, Urteil vom 27.03.2014, Aktenzeichen C-314/12)

Unsere Meinung

Die Auswirkungen dieser Entscheidung können zzt. noch nicht so recht abgeschätzt werden.
Es ist wohl nicht zu erwarten, dass ab sofort alle möglichen Webseiten gesperrt werden müssen. Ob überhaupt eine solche Sperre zulässig ist, hängt wesentlich von der Bewertung der Kollision der verschiedenen Grundrechte ab. Und diese Bewertung wird explizit den Inhalt der betreffenden Website als Maßstab heranziehen müssen.

Die Seite kino.to, die ohnehin nicht mehr online ist, hatte gerade das Ziel Urheberrechte massiv zu verletzten. Bei der Abwägung der Interessen der Filmindustrie mit den Rechten der Internetnutzer und derjenigen der Provider wird dieser Umstand gehörige Auswirkungen haben.

Ist eine Website grundsätzlich rechtlich neutral und befinden sich dort lediglich vereinzelt Rechtsverletzungen (nehmen wir als Beispiel einmal das Videoportal YouTube, auf welchem auch eine ganze Menge Rechtsverletzungen stattfinden oder auch die Verkaufsplattform eBay, wo immer wieder Plagiate auftauchen), wird die Abwägung der Grundrechte zu dem Ergebnis führen, dass eine Sperre unverhältnismäßig und damit unzulässig ist.

Die weitere Entwicklung, insbesondere die Reaktion der nationalen Gerichte auf diese Entscheidung wird mit viel Spannung zu verfolgen sein.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht