Unternehmen rüsten sich gegen multiple Krisen
"Es zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die neuen geopolitischen Risiken aktuell umfassend analysiert und nicht einfach zur Tagesordnung übergeht", kommentiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier die neuen Ergebnisse aus dem WBO vom Frühjahr. "Multiple Krisen, wie sie die Unternehmen aktuell spüren, konnten und mussten bis dato noch selten in Geschäftsstrategien berücksichtigt werden."
Angesichts der neuen Notwendigkeiten setzten die Betriebe jetzt jedoch "voll auf Diversifizierung", um etwa bei Lieferketten, Produktionsstandorten sowie den Absatz- und Umsatzmärkten die Risiken zu streuen und Resilienzen aufzubauen, berichtet Treier. "Sie stellen ihre Geschäftsmodelle auf eine breitere Basis, um im Krisenfall besser gerüstet zu sein. Dazu sind aber zum Teil immense Investitionen nötig."
Alles andere als ein Selbstläufer
So gaben in der Erhebung 86 Prozent der Befragten an, dass der Prozess insgesamt sie vor Herausforderungen stelle. "Für viele Unternehmen ist Diversifizierung mittlerweile ein Muss – allerdings alles andere als ein Selbstläufer", sagt dazu der DIHK-Außenwirtschaftschef. "Viele Prozesse können nicht über Nacht geändert werden. Zudem sind die Unternehmen vorsichtiger geworden und wägen ihre Entscheidungen gründlich ab." All das verlangsame den notwendigen Prozess.
Konkret hat beispielsweise knapp die Hälfte der Unternehmen Schwierigkeiten, die passenden Lieferanten oder Geschäftspartner zu finden (47 Prozent). 29 Prozent sehen eine Herausforderung darin, geeignete Absatz- oder Beschaffungsmärkte zu identifizieren, 14 Prozent haben Probleme, Standorte mit geeigneter Infrastruktur für neue Niederlassungen oder Produktionsstätten zu ermitteln.
Auch die Kosten spielten bei der Diversifizierung eine Rolle: Für 27 Prozent ist das ein nennenswerter Faktor, ebenso wie ein erhöhter Planungsaufwand (20 Prozent). In Zeiten hoher Preissteigerungen und struktureller Herausforderungen wie Fachkräftemangel sind das zusätzliche Belastungen.
Rechts- und Regulierungsprobleme bremsen
"Es gilt zudem, politische Steine aus dem Weg zu räumen: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, intransparente Vorschriften in den einzelnen Ländern und Handelshemmnisse können die Diversifizierung ausbremsen", gibt Treier zu bedenken. Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten sehe in den vermehrten Rechts- und Regulierungsproblemen eine Herausforderung, knapp ein Viertel nenne Handelshemmnisse als Thema. "Es braucht dringend eine Offensive gegen diese Hemmnisse und für mehr Handelsabkommen."
Der DIHK-Außenwirtschaftschef zitiert eine weitere Sonderauswertung des AHK World Business Outlook, nach der 40 Prozent der deutschen Unternehmen an ihren internationalen Standorten eine Zunahme von politischem Einfluss auf Lieferketten wahrnehmen und 34 Prozent sich vor einer zunehmenden Fragmentierung der Weltwirtschaft sorgen.
Und er weist darauf hin, dass das weltweite Netz der Deutschen Auslandshandelskammern die Unternehmen etwa bei Geschäftsanbahnungen und der Erschließung neuer Märkte unterstützt.