Auslaufmodell Autokauf: Veränderungsdruck auf Hersteller wächst
Elektromotor statt Verbrenner, Updates wie beim Smartphone und Fahren ohne Fahrer – nie zuvor stand der Automobilsektor vor größeren Umbrüchen. Hinzu kommt: Der Trend geht vom eigenen Auto zur Nutzung über Leasing, Abos und Carsharing. In einer aktuellen globalen Studie prognostiziert Deloitte, dass der Markt für Pkw-basierte Mobilitätsangebote fortan jährlich um 5 Prozent wachsen wird. In den fünf europäischen Top-Märkten (Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien) wird sich der Gesamtumsatz demnach von rund 73 im Jahr 2022 auf etwa 141 Milliarden Euro bis zum Jahr 2035 verdoppeln; in den USA erwartet Deloitte ein Marktwachstum von umgerechnet rund 130 auf 258 Milliarden Euro im Jahr 2035.
Dass sich die Mobilitätsgewohnheiten verändern, hat mehrere Gründe, wie Sebastian Pfeifle, globaler Leiter für automobile Mobilität bei Deloitte, weiß: „Wir beobachten schon länger, dass insbesondere jüngere Menschen flexibel unterwegs sein wollen. Sie sind auch bei anderen Produkten – etwa Filmen und Serien – gewohnt, spontan wählen zu können. Hinzu kommt, dass ein eigenes Auto aktuell im Hinblick auf den Wiederverkaufswert wenig attraktiv erscheint. Verbrenner sind eine auslaufende Technologie und auch bei Elektroautos herrscht aufgrund der sich schnell entwickelnden Batterietechnik große Unsicherheit bezüglich des Restwerts.“
Bei einer von Deloitte durchgeführten globalen Verbraucherbefragung gab die Hälfte der 18- bis 34-jährigen in Deutschland Befragten an, aufgrund ihrer Erfahrungen mit Sharing-Modellen zu hinterfragen, ob sie zukünftig noch ein eigenes Auto benötigten. Auch sagten 33 Prozent in dieser Altersgruppe aus, sich vorstellen zu können, das eigene Auto gegen ein Auto-Abo einzutauschen.
Zukünftiger Marktanteil von Leasing bei 41 Prozent
Auto-Abonnements sind ein wesentlicher Treiber des Wandels. Laut Deloitte-Prognosen werden sie im Jahr 2035 in den europäischen Kernmärkten einen Marktanteil von 16 Prozent haben. Insgesamt werden Vehicle-on-Demand-Lösungen beim Umsatz jährlich um 11 Prozent zulegen. Noch verbreiteter wird das Leasing sein, dessen Marktanteil 2035 laut Prognose bei 41 Prozent liegen wird. Angetrieben vom Leasing-Geschäft werden sich die Einnahmen aus Finanzdienstleistungen in den europäischen Top-5-Automärkten fast verdoppeln.
Deloitte prognostiziert trotz nur moderat steigender Absatzzahlen für Neufahrzeuge in den europäischen Kernmärkten ein deutliches Marktwachstum für automobile Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Die Zahl der geleasten Wagen und solchen mit noch flexibleren Nutzungsmodellen wie etwa Auto-Abos oder Carsharing steigt deutlich, während der klassische Kauf in bar oder per Kredit zurückgeht. Dementsprechend verschiebt sich der Besitz von Privatpersonen zu Autobanken und anderen Mobilitätsanbietern. In den europäischen Top-5-Automärkten werden diese im Jahr 2035 70 Prozent der Neuwagen besitzen (2022: 49%) und Privatkunden nur noch 30 Prozent (2022: 51%).
„Autohersteller laufen Gefahr, zu Lieferanten degradiert zu werden“
Mobilitätsexperte Pfeifle erklärt: „Die Gewinne im Autosektor ordnen sich neu. Der einmalige Verkauf eines Autos weicht breiteren Dienstleistungen rund um das Fahrzeug. Der schrumpfende Markt für klassische Kreditfinanzierung setzt die Autobanken und die Hersteller unter Druck, da ihre Finanzierungssparten einen erheblichen Anteil der Konzerngewinne erwirtschaften. Autohersteller laufen zudem Gefahr, den Kontakt zu den Endkunden zu verlieren und zu Lieferanten von Mobilitätsunternehmen degradiert zu werden.“
Stellen sich Hersteller und ihre Autobanken aber konsequent auf den Wandel ein, winken ihnen höhere Gewinne. Wie die Analyse von Deloitte zeigt, kann das Management eines Fahrzeugs über den gesamten Lebenszyklus um 50 bis 60 Prozent rentabler sein als das aktuelle Geschäftsmodell der Hersteller mit einmaligen Verkäufen der Fahrzeuge an Kunden. Neben Mobilitätsangeboten beinhaltet das Management über mehrere Zyklen beispielsweise auch Services rund um Fahrzeug und Fahrer sowie das Recycling.
Verbraucher vertrauen Herstellern
Bei den Endkunden genießen die Automobilhersteller bereits einen großen Vertrauensvorschuss. Bei der Verbraucherumfrage gaben 30 Prozent der hierzulande Befragten an, sie würden Herstellern und ihren konzerneigenen Finanzinstituten am ehesten zutrauen, Mobilitätsplattformen mit verschiedenen Dienstleistungen anzubieten. Deutlich abgeschlagen folgen etablierte Mobilitätsdienstleister (13%) und schließlich Mietwagenanbieter (11%).
„Bislang haben viele Hersteller dem Potenzial von Mobilitätsdienstleistungen und Services rund ums Fahrzeug zu wenig Beachtung geschenkt. Ein Grund dafür sind die vielfältigen Herausforderungen der Branche. So geht etwa der Wandel Richtung E-Mobilität mit einem enormen Investitionsbedarf einher. Die Hersteller sollten dennoch gezielt in ihre konzerneigenen Banken und Mobilitätsservices investieren. Nur so können sie ihre Position als Hauptakteure in der automobilen Wertschöpfungskette auch zukünftig beibehalten“, so Sebastian Pfeifle.
Für die Studie „Future of Automotive Mobility“ hat Deloitte hochrangige Top-Entscheider aus dem Automobilsektor interviewt sowie eine Befragung bei 9.500 Verbrauchern in zehn wichtigen Automärkten durchgeführt; in Deutschland wurden rund 1.000 Personen befragt. Mithilfe eines von Deloitte entwickelten Simulationstools wurden Prognosen zur Marktentwicklung erstellt.