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Digitalisierung tritt auf der Stelle

Die Unternehmen in Deutschland bleiben bei ihrer durchwachsenen Selbsteinschätzung in punkto Digitalisierung.
Stand der Digitalisierung in Schulnoten © DIHK
 

Wie auch im Vorjahr bewerteten die Unternehmen den eigenen Digitalisierungsgrad im Durchschnitt mit der Schulnote "befriedigend" (2,9). Dabei setzen sie viel daran, aufzuholen.

Hauptmotiv: flexiblere Prozesse

Angesichts der schnellen Entwicklung der Technologie und den weiteren wirtschaftlichen Herausforderungen gelingt der Sprung nach vorn jedoch kaum: So nennen 37 Prozent (im Vorjahr 36 Prozent) einen Mangel an zeitlichen und 34 Prozent (unverändert) einen Mangel an finanziellen Ressourcen als Haupthemmnis bei der digitalen Transformation.

"Durch steigende Preise und Fachkräftemangel werden die Unternehmen gezwungen, bei ihren eigenen Digitalisierungsbemühungen Prioritäten zu setzen", sagt Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung. "Beim Blick in die Motive für Digitalisierung macht sich das starke Bedürfnis der Unternehmen nach Effizienz und Flexibilität bemerkbar."

43 Prozent der Unternehmen (Vorjahr: 39 Prozent) wollen mithilfe der Digitalisierung ihre laufenden Kosten senken, ganze 75 Prozent (Vorjahr: 51 Prozent) nutzen die Digitalisierung zur Flexibilisierung von Arbeitsabläufen – etwa durch ortsunabhängige Inspektion mithilfe von Virtual-Reality-Brillen. Auch der starke Anstieg des mobilen Arbeitens fließt hier mit ein.

Die Fokussierung auf Flexibilität und Effizienz beschränkt den Spielraum für innovative Entwicklungen und neue Geschäftsmodelle. So sind bei den Digitalisierungs-Motiven Themen wie die strategische Unternehmensentwicklung (32 Prozent nach 37 Prozent im Vorjahr), Nutzensteigerung (28 Prozent nach zuvor 30 Prozent) oder Neuentwicklungen (26 Prozent nach 31 Prozent) rückläufig gegenüber der 2022. Nothnagel: "Das zeigt, dass die Unternehmen zwar in schrittweise Veränderungen investieren, große strategische Sprünge allerdings derzeit hintenanstellen müssen."

Fachkräftemangel und Bürokratie bremsen Fortschritte

Neben den unternehmensinternen Herausforderungen hemmen auch externe Faktoren die zügige Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben: Knapp jeder fünfte Umfrageteilnehmer (21 Prozent, im Vorjahr 24 Prozent) klagt über den anhaltenden Mangel an IT-Fachkräften. Vor allem Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten nennen den IT-Fachkräftemangel sogar als zweitgrößte Herausforderung (34 Prozent).

Regularien und bürokratischer Aufwand werden als weitere Hemmnisse angeführt: So verspüren 16 Prozent der Unternehmen große Unsicherheit bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben, bei den kleineren Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten sind es sogar 23 Prozent.

In den freien Antwortmöglichkeiten berichten Unternehmen zudem von kostspieligen und zeitintensiven Prozessen, die unter anderem auf die unzureichende Digitalisierung der öffentlichen Hand zurückzuführen sind. Hier erweisen sich zum Beispiel Medienbrüche oder fehlende Schnittstellen als Probleme.

Beim Ausbau der digitalen Infrastruktur geht es immerhin kontinuierlich voran: 75 Prozent der Befragten geben an, dass die aktuelle Verfügbarkeit ihrem Bedarf entspricht (gegenüber 71 Prozent im Jahr 2021 und 65 Prozent im Jahr 2020). Zum Bild gehört aber noch immer, dass jedes vierte Unternehmen eine unzureichende Internetversorgung hat. 

Sorge vor Cyberkriminalität bleibt

Mit voranschreitender Digitalisierung, Datennutzung und Vernetzung nimmt auch das Risiko für Unternehmen zu, Opfer von digitaler Erpressung, Sabotage und Spionage zu werden. Die Betriebe bewerten Sicherheitsrisiken daher weiterhin als große Herausforderungen (20 Prozent nach 23 Prozent im Vorjahr). Zwar haben die Unternehmen die Gefahren häufig bereits erkannt und technische Vorkehrungen getroffen. Doch das Risiko bleibt bestehen – wie nicht zuletzt die jüngsten Attacken zeigen. 

Politischer Handlungsbedarf weiterhin groß 

Um diese vielschichtigen Herausforderungen meistern zu können, benötigen die Unternehmen auch Veränderungen bei den Rahmenbedingungen. "Die Politik darf digitalpolitische Vorhaben nicht auf die lange Bank schieben", mahnt Ilja Nothnagel. "Was wir jetzt brauchen, sind praxistaugliche regulatorische Anforderungen, die angemessen und rechtssicher ausgestaltet sind." Insbesondere die datenschutzrechtlichen Unklarheiten, die in der Praxis bestehen, müssten geklärt werden. Andernfalls drohe eine langjährige Unsicherheit.

Prozesse vor allem zwischen Betrieben und Verwaltungen sollten, so Nothnagel, schnell und digital abgewickelt werden können. "Die Unternehmen brauchen ein breites Unterstützungsangebot. Benötigt werden neben spezifischen Anlaufstellen und Fördermöglichkeiten vor allem niedrigschwellige Basisangebote, die die Unternehmen bei den ersten Schritten der Digitalisierung unterstützen. Darüber hinaus sind Kompetenzaufbau und leistungsfähiges Internet weitere wichtige Voraussetzungen. Nur dann werden sie die erforderlichen Kapazitäten haben, um betriebliche Digitalisierungsprojekte zügig voranzutreiben."