IWH-Insolvenztrend: Trotz Anstieg keine Dramatik bei Firmenpleiten
Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im November bei 808 (vgl. Abbildung 1). Das ist der höchste Wert in diesem Jahr. Im Oktober waren es 722 Insolvenzen. Die Zahl für November liegt 23% über dem Niveau des Vorjahresmonats. Jedoch sind im langfristigen Vergleich die derzeitigen Insolvenzzahlen weiter niedrig. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 wurden laut amtlicher Statistik im November 1.007 Personen- und Kapitalgesellschaften insolvent gemeldet.
Die Analyse des IWH zeigt, dass in den größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im November gemeldet wurde, gut 9.000 Arbeitsplätze betroffen waren (vgl. Abbildung 2). Die Zahl der betroffenen Beschäftigten liegt damit deutlich über dem Niveau der letzten zwölf Monate.
„Die Insolvenzzahlen entwickeln sich bisher verhaltener als von vielen erwartet“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung. Die Werte bleiben sogar hinter den vorsichtigen Prognosen der IWH-Insolvenzforschung zurück. Das IWH hatte vor einigen Monaten den vorläufig höchsten Wert des Jahres zutreffend für November prognostiziert, diesen aber mit 900 Insolvenzen etwas zu hoch geschätzt. Hingegen hatten Interessenvertretungen mehrerer Branchen aufgrund hoher Energiepreise und einer Reihe weiterer Kostensteigerungen vor einer Insolvenzwelle ungekannten Ausmaßes gewarnt und in diesem Zusammenhang für staatliche Unterstützung für die Mitgliedsunternehmen geworben. Die Insolvenzwelle ist bislang ausgeblieben. Für die kommenden beiden Monate rechnet das IWH ebenso wenig mit grundlegenden Veränderungen beim Insolvenzgeschehen.
Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3). Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.
Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesellschaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab. Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem werden auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbstständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haftende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet. Die Zahl der Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die monatliche Zahl der Regelinsolvenzen schwankt sehr viel stärker als die Zahlen des IWH-Insolvenztrends.