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GfdS wählt »Zeitenwende« zum Wort des Jahres 2022

Das Wort des Jahres 2022 ist Zeitenwende. Diese Entscheidung traf eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden.
GfdS wählt »Zeitenwende« zum Wort des Jahres 2022 © GfdS, Spirale
 

Das keineswegs neue Wort, das speziell für den Beginn der christlichen Zeitrechnung, in allgemeinerer Bedeutung auch für jeden beliebigen Übergang in eine neue Ära steht, wurde in diesem zweiten Sinne prominent von Bundeskanzler Scholz verwendet. Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 markiere eine »Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes«. Bundespräsident Steinmeier sprach im gleichen Zusammenhang von einem »Epochenbruch«. Die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik musste sich völlig neu ausrichten. Verhältnisse zu anderen internationalen Partnern wie China wurden gleichfalls kritisch beleuchtet. Bei vielen Menschen fand auch eine emotionale Wende statt. Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa, gar vor einem dritten Weltkrieg waren vielfach zu spüren.

Ebenfalls auf den Russland-Ukraine-Krieg bezieht sich der widersinnig anmutende Ausdruck Krieg um Frieden (Platz 2). Für die Moskauer Propaganda handelt es sich um eine militärische Spezialoperation, für viele, insbesondere in der NATO, schlicht um einen Angriffskrieg. Auch in politischen Parteien mit pazifistischer Tradition verbreitete sich die Ansicht, dass die Ukraine mit Waffen unterstützt werden müsse, um ihre staatliche Integrität verteidigen und später einen dauerhaften Frieden in Osteuropa erreichen zu können.

Sprachraum: Krieg

Das Ereignis des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine erfasst die Gesellschaften weltweit. Wir werden mit Wörtern konfrontiert, die wir schon durch die Geschichte (z.B. »Blitzkrieg«) verblassen sahen. Und nun sind sie leider wieder hochaktuell. Aber auch neue Begriffe oder Begriffszusammenhänge fordern uns täglich dazu auf, uns mit dem Gegenstandsbereich Krieg auseinanderzusetzen. Dies beobachtet die GfdS sehr genau und versammelt an dieser Stelle wissenswerte und hilfreiche Informationen.

Die Gaspreisbremse (Platz 3), auch Gaspreisdeckel genannt, ist nur eines der Instrumente, mit der die Bundesregierung auf die eklatanten Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen zu reagieren versucht. Deutschland erlebt derzeit nach verbreiteter Auffassung die schwerste Krise seit 50 Jahren. Die Teuerung trifft große Teile der Bevölkerung hart: Die Wortbildung Inflationsschmerz (Platz 4) bringt dies anschaulich zum Ausdruck.

Das Umweltbündnis »Letzte Generation« machte 2022 immer wieder spektakulär auf den drohenden Klimawandel aufmerksam. Aktivisten klebten sich in Museen an Kunstwerken fest, auf Straßen, Autobahnen und sogar Flughafen-Rollfeldern, um diese zu blockieren und eine Räumung durch die Polizei zu erschweren. Die Protestaktionen der Klimakleber (Platz 5), die auch Rettungswege versperrten, wurden in der Öffentlichkeit kontrovers debattiert.

Schon 2021, noch als Bundesfinanzminister wollte Olaf Scholz die »Bazooka« auspacken, um »mit Wumms aus der Corona-Krise zu kommen«. 2022 plante dann die Ampelkoalition neben der Gaspreisbremse (s. o.) auch noch eine Strompreisbremse. Das sei dann sogar ein Doppel-Wumms (Platz 6), so Scholz, mittlerweile als Bundeskanzler. Die kraftbetonte Bild- und Lautlichkeit, erkennbar dazu gedacht, möglichst große Bevölkerungskreise anzusprechen, empfanden manche eher als unangemessen flapsig.

Die Covid-Pandemie ist keineswegs vorbei, aber in vielen Lebensbereichen hat eine neue Normalität (Platz 7) Einzug gehalten, zu der nur noch teilweise Maskenpflicht, Abstandsregelungen und andere Corona-Maßnahmen gehören.

Sprachraum: Corona

Die Corona-Pandemie hat uns auch sprachlich in vielen Bereichen unseres täglichen Lebens beeinflusst. Wir haben die sprachlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit Corona im Auge behalten und teilen in einer mehrteiligen Serie unsere Beobachtungen und Erkenntnisse aus verschiedenen Perspektiven.

Mit dem 9-Euro-Ticket (Platz 8) wurde im Sommer 2022 der Versuch unternommen, für möglichst viele Menschen den öffentlichen Personennahverkehr attraktiv zu machen. Die hoch subventionierte Monatskarte wurde von Juni bis August insgesamt etwa 52-Millionen-mal verkauft. Auch wenn das System erwartungsgemäß rasch an seine Grenzen kam und die Verkehrsmittel teilweise komplett überfüllt waren, galt die Maßnahme vielen als Erfolg; die Politik sah sich aufgefordert, über Folgemodelle, z. B. ein 49-Euro-Ticket, nachzudenken.

Glühwein-WM (Platz 9) oder auch Winter-WM steht für die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Das arabische Emirat, dem vorgeworfen wurde, die Auslosung durch Bestechung für sich entschieden zu haben, erschien von Anfang an nicht als geeigneter Austragungsort. Nicht nur wurden Verletzungen von Menschenrechten in dem Land kritisiert, sondern auch die klimatischen Bedingungen. Zur Vermeidung der großen Sommerhitze beschloss man, das Turnier im November und Dezember stattfinden zu lassen. Doch aus Sicht vieler deutscher Fußballfans passen Public Viewing und Weihnachtsmarkt nicht zusammen.

Die Waschlappentipps (Platz 10) beziehen sich auf die durchaus ernst gemeinten, aber überwiegend ironisch aufgenommenen Empfehlungen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann zum Energiesparen. Unter anderem ließ er wissen, man müsse nicht dauernd duschen: »Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung.« Was die sprachinteressierte Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang lernen konnte: Die Textilindustrie nennt den guten alten Waschlappen bevorzugt Seiftuch.