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Die wertvollsten Konzerne der Welt

Rückkehr der Energiekonzerne, Einbruch bei Big Tech – kein deutsches Unternehmen mehr unter den Top 100.
Ernst & Young GmbH | 04.07.2022
Die wertvollsten Konzerne der Welt © freepik / sitthiphong
 

Der Kursrutsch an den Weltbörsen hat Billionenwerte vernichtet: Die Marktkapitalisierung – also der Wert der an der Börse gehandelten Aktien – der 100 teuersten Unternehmen der Welt sank im Verlauf des ersten Halbjahres um 17 Prozent bzw. 6,1 Billionen US-Dollar. Besonders betroffen waren Technologiekonzerne, deren Börsenwert insgesamt um
28 Prozent einbrach.

Die einzige Branche, die gegen den Trend zulegen konnte, ist der Energiesektor: Die Öl- und Gasunternehmen, die sich unter den Top 100 platzieren konnten, steigerten ihren Börsenwert um 19 Prozent. Der Erdölkonzern Saudi Aramco ist mit einem Börsenwert von 2,3 Billionen US-Dollar das teuerste Unternehmen der Welt – vor Apple.

An der Dominanz der US-Konzerne an den Weltbörsen hat sich insgesamt dennoch wenig geändert. Die Zahl der US-amerikanischen Unternehmen, die sich zur Jahresmitte unter den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt platzieren können, liegt bei 60 – vor einem halben Jahr waren es 61.

Im Ranking der wertvollsten Unternehmen der Welt können sich zur Jahresmitte hinter Saudi Aramco und Apple weitere acht US-Konzerne in den Top 10 platzieren: Microsoft, die Google-Muttergesellschaft Alphabet, Amazon, Tesla, Berkshire Hathaway, UnitedHealth, Johnson & Johnson und Meta.

Europäische Unternehmen schaffen es derzeit nicht unter die weltweiten Top 10, das wertvollste europäische Unternehmen ist aktuell der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé auf Rang 20.

Deutschland ist erstmals seit Beginn der EY-Erhebungen im Jahr 2006 nicht mehr in den Top 100 vertreten. Der höchstbewertete deutsche Konzern ist der Software-Anbieter SAP mit einem Börsenwert von 106 Milliarden US-Dollar auf Rang 113. Die Deutsche Telekom schafft es mit einem Börsenwert von 98 Milliarden US-Dollar auf Rang 120. Zudem belegt der Industriegasekonzern Linde, der seit der Fusion mit Praxair seinen Hauptsitz in Irland hat, Rang 74.

Das sind Ergebnisse einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die die Marktkapitalisierung der am höchsten bewerteten Unternehmen weltweit halbjährlich untersucht. Stichtag für die vorliegende Analyse ist der 30.06.2022 (Börsenschluss).

„Die massiven politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen im ersten Halbjahr haben deutliche Spuren an den Weltbörsen hinterlassen“, stellt Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY, fest. „Die erheblich eingetrübten Konjunkturaussichten, die hohe Inflation, steigende Zinsen und die massiven geopolitischen Spannungen haben zu einer tiefgreifenden Verunsicherung geführt – obwohl viele der Top-Konzerne nach wie vor hohe Gewinne ausweisen. In allen Weltregionen und fast allen Branchen verloren Unternehmen erheblich an Wert. Einzig Öl- und Gasunternehmen konnten von den stark gestiegenen Energiepreisen profitieren und verzeichneten steigende Aktienkurse.“

Ahlers rechnet mit einem sehr schwierigen zweiten Halbjahr: „Die Hiobsbotschaften häufen sich, viele Krisen, die sich teils gegenseitig befeuern, müssen bewältigt werden, die Gefahr einer weltweiten Rezession ist inzwischen real.“

Technologie-Werte unter Druck

Angesichts der Zinswende gerieten zuletzt vor allem hoch bewertete Wachstumsunternehmen unter Druck – die lange favorisierten Technologieunternehmen mussten teils massive Kurseinbrüche hinnehmen, nachdem sie infolge der Pandemie zuvor erhebliche Wertzuwächse verzeichnet hatten. Die Zahl der Tech-Konzerne im Top-100-Ranking ist seit Jahresbeginn von 27 auf 23 gesunken.

Laut Ahlers habe sich vor allem die Erwartungshaltung von Investoren geändert: „Zuletzt setzten Investoren eher auf Profitabilität als auf Wachstum. Das Geld sitzt nicht mehr so locker, die Anforderungen an Zielunternehmen und ihre Finanzkennzahlen steigen.“ Aber Ahlers betont: „Der Digitalisierungsschub, den die Pandemie ausgelöst hat, bleibt ein wichtiger Trend, der die Wirtschaft und die Börsen in den kommenden Jahren entscheidend prägen wird.“

Von den aktuell 23 Technologieunternehmen im Top-100-Ranking haben 17 ihren Hauptsitz in Nordamerika, vier in Asien und nur zwei in Europa. „Europa leidet aus Sicht vieler Investoren nach wie vor unter einem Mangel an vielversprechenden Technologiekonzernen von Weltformat. Die USA geben im IT-Sektor eindeutig den Ton an, viele dieser Tech-Unternehmen sind hochprofitabel und treiben die Digitalisierung der Wirtschaft und aller Lebensbereiche mit Macht voran. Als Gestalter dieses technologischen Wandels spielen allenfalls noch asiatische Konzerne eine Rolle – europäische Konzerne hingegen kaum, und das spiegelt sich im Börsenranking deutlich wider.“

Europa fällt zurück

Nicht zuletzt der Digitalisierungstrend hat das Gewicht Europas an den Weltbörsen in den letzten Jahren schrumpfen lassen: Vor der Finanzkrise – Ende 2007 – kamen noch 46 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt aus Europa. Inzwischen sind es nur noch 16. Besonders das Gewicht Deutschlands ist gesunken: Zum Jahresende 2007 fanden sich noch sieben deutsche Unternehmen unter den Top 100, Ende 2021 waren es noch zwei Unternehmen, aktuell befindet sich kein einziges deutsches Unternehmen unter den Top 100.

„Die schwache Aufstellung Europas und Deutschlands gerade im Technologiesegment sollte uns zu denken geben“, kommentiert Ahlers.“ Er führt die starke Entwicklung gerade in den USA auf die höhere Risikobereitschaft amerikanischer Unternehmensgründer, die hohe gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmertums sowie die teilweise deutlich besseren Finanzierungsbedingungen zurück: „Vor allem in den USA ist es jungen Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, völlig neue Konzepte und Geschäftsmodelle zu entwickeln und damit ganze Branchen zu revolutionieren – diese Unternehmermentalität zahlt sich aus. Europa hat in all diesen Bereichen Nachholbedarf.“

Ahlers sieht allerdings weiter Chancen für deutsche Konzerne, mittelfristig zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören: „Die Digitalisierung birgt gerade für einen Industrie- und Hochlohnstandort wie Deutschland grundsätzlich enorme und derzeit teils noch ungenutzte Potenziale. Die Art und Weise, wie in Zukunft produziert wird, wird sich weiter verändern. Deutsche Industriekonzerne können diese Entwicklung entscheidend prägen und in diesem Bereich US-Konzernen Paroli bieten.“

Energieunternehmen erleben kleine Renaissance an den Börsen

Bis zuletzt schien es, als sei die große Zeit der Ölmultis an Weltbörsen vorbei. So waren Ende 2011 noch vier Ölkonzerne unter den Top 10 weltweit, das teuerste Unternehmen der Welt war damals Exxon. Seitdem hatten sich die Gewichte massiv zugunsten von Technologieunternehmen verschoben. Die Zahl der Energiekonzerne, die sich unter den Top 100 platzieren konnten, sank binnen zehn Jahren von 20 (Ende 2011) auf fünf (Ende 2021) – um im ersten Halbjahr dieses Jahres wieder leicht auf sieben zu steigen.

„Der Krieg in der Ukraine und die anschließenden Verwerfungen auf den Energiemärkten haben gezeigt, dass die vermeintlich sichere Energieversorgung gerade in Europa tatsächlich auf tönernen Füßen steht“, sagt Ahlers. „Die Energiepreise erreichen Rekordniveaus. Ein drohender Gasmangel entpuppt sich als fundamentale Bedrohung für viele große Volkswirtschaften, darunter Deutschland. Die Preise für Öl, Gas und Strom werden wohl auf absehbare Zeit hoch bleiben.“