Bio-Lebensmittel immer beliebter
„Mehr Kundinnen und Kunden kauften auch 2021 mehr Bio. Mehr Bauern, Lebensmittelherstellerinnen und Händler setzten auf Öko. Obwohl die Politik der letzten Jahre ziemlich öko-feindlich war“, kommentiert Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Bio-Entwicklung 2021 und ergänzt:
“Es liegt jetzt an den Regierenden, allen voran Bundesminister Cem Özdemir, nicht nur 30 % Bio bis 2030 und Öko als Leitbild auszurufen, sondern alle erforderlichen Weichen für den Umbau unseres Agrar- und Ernährungssystems zu stellen. Öko ist das Herz dieses Umbaus. Und versorgt die Höfe, die Unternehmen und die Ernährung mit den Veränderungen, die besonders drängen. Mit mehr Bio sind weniger Tiere auf den Höfen, bekommen dafür aber mehr Platz. Artenvielfalt darf auf den Acker, synthetische Pestizide oder Dünger sind tabu. Die Betriebe werden mit Bio zukunftsfest. Wertschöpfungsketten werden resilienter. Mit Bio im Einkaufskorb es-sen die Menschen gesünder, gentechnikfrei und klimafreundlicher – ob zuhause oder in Kitas, Schulen oder Kantinen.“
Andres betont: „Die Ernährungswende muss jetzt der Energiewende folgen. Und Bio ist die Erneuerbare Energie der Lebensmittelwirtschaft und Ernährung! Mit Bio kann man genau die Dinge, die sich Bundesregierung vornimmt, schaffen. Nur eine Systemumstellung bringt auch eine andere Systemleistung – genauso wie beim Wechsel von Kohle- auf Sonnenenergie. Und Bio bietet ein System, was heute schon auf tausenden Betrieben ökonomisch und ökologisch funktioniert, ein Kontrollsystem und eine Kennzeichnung mitbringt, die alle Lebensmittel vom Apfel übers Brot bis zur Wurst einschließt. Die 30 % Bio bis 2030 sind schaffbar. Jetzt anpacken und damit auch die Ökologisierung der übrigen 70 % gleich mit auf den Weg bringen!“
Bio-Entwicklung in Zahlen
Landwirtschaft: Jeder 7. Hof wirtschaftet ökologisch, insgesamt 35.716 Höfe in ganz Deutschland. Im Jahr 2021 stellten 320 Betriebe auf Bio um, 13,6 % aller Höfe in Deutschland sind Bio-Betriebe. Mit den neuen 81.762 ha im Jahr 2021 beträgt die gesamte Öko-Fläche jetzt 1.784.002 ha. In den letzten sechs Jahren stellten die heimischen Öko-Betriebe über eine halbe Million Hektar Landwirtschaftsfläche um. Das 2021-Flächenplus von 4,8 % sorgte für zusätzliche 81.762 Bio-Hektar. Allein die von den Bio-Verband-Höfen beackerten Flächen summierten sich auf 1.142.022 ha (+ 5,4 %) und machten rund zwei Drittel der gesamten Öko-Fläche aus.
Bio-Lebensmittelherstellung: Auch die Öko-Herstellung entwickelte sich weiter. 7 % mehr Bio-Lebensmittelhersteller, -Abpack- und -Gastronomiebetriebe stärkten regionale Wertschöpfungsketten. Insgesamt 17.350 Unternehmen in dem Bereich sorgten für gute, sichere Arbeitsplätze und vielfältiges Essen. Seit 2015 stiegen 24 % mehr Betriebe in die Bio-Verarbeitung ein. Gleichzeitig schrumpfte in der Bundesrepublik die Anzahl der Mühlen, Molkereien oder fleischverarbeitenden Betriebe weiter. Eine BÖLW-Umfrage zeigt: Bio-Hersteller setzen verstärkt auf heimische Rohstoffe und pflegen regionale Zusammenarbeit. Wo andere abbauen, baut Bio-Wertschöpfung und Ernährungskultur auf.
Bio-Marktentwicklung: 2021 gaben die Deutschen 15,87 Mrd. €* (+ 5,8 %, 2020: 14,99 Mrd. €) für Bio-Lebensmittel und -Getränke aus. Die Verkaufsmengen stiegen um bis zu 5 %. Der Bio-Markt blieb nach dem Rekordjahr 2020 weiter stark in einem stagnieren Gesamtmarkt für Le-bensmittel.
Topseller: Die Nachfrage nach Öko-Fleisch, -Milchalternativen und -Butter stieg 2021 besonders mit Umsatz-Wachstumsraten zwischen 27 und 14,6 %. Der Bio-Anteil am Gesamtmarkt erreichte bei Pflanzendrinks 62,4 %, bei Fleischersatz 26,6 %, Eier stiegen auf knapp 17 %, Mehl auf über 15 %. Der Bio-Anteil am deutschen Lebensmittelmarkt erhöhte sich auf vorläufige 6,8 %.
LEH: Die Kundinnen und Kunden kauften Bio an allen Verkaufsplätzen: Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) erreichte 2021 einen Bio-Umsatz von insgesamt 9,88 Mrd. € und einen Anteil am Bio-Markt von 62,3 %. Die Vollsortimenter und die Discounter trugen in ähnlichem Maße zu dieser Marktentwicklung bei. Während die Discounter bei den Frischeprodukten wie Bio-Milch oder -Gemüse stärker zulegten, war bei den Vollsortimentern und den Drogeriemärkten das Trocken-sortiment stärker gefragt, wozu etwa Mehl oder Öl gehören. Deutlich gewannen die Bio-Marken-produkte.
Sonstige Einkaufsstätten: Die sonstigen Einkaufsstätten** konnten mit 2,41 Mrd. € satte 7,4 % mehr umsetzen. Der Marktanteil dieser Geschäfte blieb mit 15,2 % stabil. Anhaltend hoch waren die Online-Verkäufe von Bio-Lebensmitteln. Hier scheinen sich die geänderten Einkaufsgewohn-heiten etabliert zu haben.
Bio-Fachhandel: Der Umsatz des Naturkostfachhandels 2021 lag mit etwa 13 % deutlich über dem Vor-Corona-Niveau von 2019, schwächte sich 2021 aber leicht ab. Insgesamt verkauften die Bio-Fachhändler im Jahr 2021 Bio-Lebensmittel und -Getränke im Wert von 3,58 Mrd. €***. Die Bio-Fachgeschäfte erreichten 2021 einen Marktanteil von 22,6 %.
Politische Einschätzung der Bio-Entwicklung: Wie gelingt 30 % Bio?
Andres: „Dass viele neue Bäuerinnen und Bauern die Bio-Chance ergriffen, ist gut. Dass so viele Kundinnen und Kunden zu mehr Bio greifen, zeigt, dass immer größere Teile der Gesellschaft dabei mithelfen werden, Landwirtschaft und die Art und Weise, wie wir essen, nachhaltig zu ändern.“
20 % der Bäuerinnen und Bauern wollen auf Bio umstellen, so viel wie nie. Das ergab eine neue Umfrage. Für die Bio-Ziele Europas (25 %) bzw. Deutschlands (30 %) bis 2030 entscheiden sich aber aktuell noch zu wenige Höfe für Öko. Damit 30 % der Landwirtschaft ökologisch werden, braucht es bis 2030 jedes Jahr 12 % mehr Öko-Fläche. Und es muss dafür gesorgt werden, dass die Waren der Höfe auch ihre Abnehmerinnen und Abnehmer finden.
Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des BÖLW geht auf einige konkret anstehende politische Aufgaben ein: „Wichtig ist, dass die EU-Agrarpolitik (GAP) national so gestaltet wird, dass sie zum 30 % Bio-Ziel passt. Die aktuellen Pläne, die in diesen Tagen festgeschnürt werden, benachteiligen Bio-Betriebe immens, anstatt sie zu unterstützten.“ Röhrig betont: “Landwirtinnen und Landwirte setzen darauf, dass ihre Umweltleistungen, die sie mit Bio erbringen, auch künftig mit der GAP angemessen honoriert werden.“
Eine weitere wichtige Weiche, welche die Regierenden laut Röhrig stellen müssen, sei der Umbau der Tierhaltung. Auch hier müsse Bio das Herz und das Ziel der Transformation sein – sowohl bei der geplanten Haltungskennzeichnung als auch bei der Finanzierung des Tierhaltungsumbaus. Bio müsse bei der geplanten Kennzeichnung klar und eigenständig erkennbar sein. Ganz so, wie die Kundinnen und Kunden es bei der bekannten Eierkennzeichnung gewohnt sind.
Röhrig abschließend: „Bei der Transformation muss die Bundesregierung die gesamte Lebensmittelkette in den Fokus nehmen, insbesondere die Bio-Verarbeitung. Denn nur mit einer geeigneten Infrastruktur können Umstellungen breit in der Fläche gelingen und im Laden gute Bio-Lebensmittel aus der Region verfügbar sein. Genauso müssen Bio und Ernährung auch in der Forschung und der Bildung auf dem Lehrplan stehen – von der Kita über die allgemein- und berufsbildenden Schulen bis in die Universitäten und Institute.“
* Bio-Umsatzberechnung durch den Arbeitskreis Bio-Markt. Zum Arbeitskreis Bio-Markt gehören: Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), BioVista, Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Prof. Dr. Katrin Zander (Universität Kassel), Klaus Braun (Klaus Braun Kommunikati-onsbe-ratung), Prof. Dr. Paul Michels (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf) und Nielsen.
** sonstige Geschäfte: Bäckereien, Metzgereien, Obst-/Gemüse-Fachgeschäfte, Wochenmärkte, Ab-Hof-Verkauf, Abo-Kisten, Versandhandel, Tankstellen, Reformhäuser. Die Umsatzgröße der sonstigen Einkaufsstätten orientiert sich an den im BÖLN-Projekt „Bio-Marktschätzung“ ermittel-ten Werten.
*** ohne Non-Food