Das Forum Veranstaltungswirtschaft zieht Zwischenbilanz
Seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 treffen sie sich in irgendeiner Konstellation fast täglich – selbstverständlich unter Beachtung aller Hygienevorschriften: die Vertreter*innen der maßgeblichen Verbände der Veranstaltungswirtschaft, des sechsgrößten Wirtschaftszweigs des Landes. Das Dach ihres digitalen Arbeitsraums ist das ‘Forum Veranstaltungswirtschaft’. Darunter identifizieren die Verbandsvertreter*innen die täglich dramatischer werdenden Probleme der Branche, analysieren Hilfsangebote des Bundes und der Länder und verhandeln mit der Politik mit dem Ziel, die vorhandenen Angebote für die Branche passgenauer zu gestalten und Regelungslücken zu schließen. Dazu verhandeln sie täglich mit Staatssekretären der Bundesministerien, Bundestagsabgeordneten und den mit der Umsetzung von Förderprogrammen betrauten Ministerialbeamten. Nach zehn Monaten der Zusammenarbeit ziehen die Verbandsvertreter*innen erstmalig Bilanz:
First in, last out
„Unsere Verbände repräsentieren Soloselbständige, kleine, mittlere und große Unternehmen aus allen Bereichen unseren Wirtschaftszweigs“, berichtet Linda Residovic, Geschäftsführerin des Verbands für Medien und Veranstaltungstechnik (VPLT). „Sie sind Veranstaltungsdienstleister, Betreiber von Veranstaltungszentren, Konzert-, Tournee- und Festivalveranstalter sowie Musikclubs. Alle eint das gleiche Schicksal: sie waren von den Infektionsschutzmaßnahmen als erste betroffen, mussten ihre Tätigkeit als Erste einstellen und werden wohl auch die Letzten sein, die irgendwann ihre Berufe wieder ausüben können.“
Ihre wichtigste Aufgabe sehen die Verbände des Forums neben den laufenden Vorbereitungen einer Öffnungsperspektive für die Veranstaltungswirtschaft in ihrem beharrlichen Einsatz für die Optimierung der Überbrückungshilfen des Bundes. Timo Feuerbach, Geschäftsführer des Verbands der Europäischen Veranstaltungs-Centren (EVVC) dazu: „Trotz der beachtlichen Hilfsprogramme werden zahlreiche Unternehmen unserer Branche die Krise wirtschaftlich nicht überleben. Wir müssen daher weitere Anstrengungen unternehmen, damit die Hilfen wirklich da ankommen, wo sie dringend gebraucht werden.“
Förderprogramme wurden optimiert
Übereinstimmend berichten die Verbandsvertreter aber auch mit gewissem Stolz über das bereits Erreichte. Dazu habe man sich zunächst Gehör verschaffen müssen. Die Demonstrationen der AlarmstufeRot hätten daran einen großen Anteil gehabt. Sie hätten erstmalig die Vielfalt des Wirtschaftszweigs transparent gemacht und der Politik eindrucksvoll veranschaulicht, wie groß und bedeutend er wirklich ist. Als Folge des daraus erwachsenen kontinuierlichen Dialogs mit den Länderregierungen, dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesfinanzministerium sowie der EU-Kommission, wurde der EU-Beihilferahmen im Oktober 2020 um 3 Mio. Euro erhöht. Auch das Kurzarbeitergeld sei nach stetem Drängen der Verbände erhöht und verlängert worden. Während ursprünglich Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro keine Hilfen beantragen konnten, wurde die Schwelle soeben auf 750 Millionen angehoben. Schließlich habe man erreicht, dass die Höhe der monatlichen Fördergrenze der Überbrückungshilfe von 50 Tsd auf 1,5 Mio. Euro erhöht wurde.
Kulturbereich wurde gestärkt
Für die Kulturveranstalter habe man die Gutscheinregelung durchsetzen können und mit der Beauftragten für Kultur und Medien ein 80 Millionen schweres Förderprogramm für Konzert- und Festivalveranstalter ausgehandelt. "Darüber hinaus wurden die Musikclubs sowie kleine und mittlere Festivals mit einem ‚Neustartprogramm‘ in Höhe von 33 Mio € ausgestattet und können sich investive Schutzmaßnahmen über ein Investitionsprogramm finanzieren lassen.“ freut sich Axel Ballreich, erster Vorsitzender der LiveKomm. Zur Absicherung zukünftiger pandemiebedingter Veranstaltungsausfälle wurde für den Kulturbetrieb ein milliardenschwerer Ausfallfonds angestoßen. Rückwirkend ab März 2020 werden nun Vorbereitungs- und Ausfallkosten abgesagter Veranstaltungen erstattet.
November-/Dezemberhilfe für tausende Drittbetroffene geöffnet
Als einen der herausragenden Erfolge des Forums betrachtet Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), die bei der November-/Dezemberhilfe durchgesetzte Antragsberechtigung der mittelbar indirekt von Lockdown-Maßnahmen betroffenen Unternehmen. „Dienstleister oder z.B. Künstlervermittler, die nicht unmittelbar vom Veranstalter sondern von einem Dritten – z.B. einem Subunternehmer des Veranstalters oder einem Künstler - beauftragt wurden, wären ohne unseren Einsatz bei diesen wichtigen Programmen leer ausgegangen.“ Tausende Betroffene seien heute nur aufgrund dieser von den Verbänden erreichten zunächst nicht vorgesehen Ergänzung antragsberechtigt.
Weiterhin erhebliche Herausforderungen
„Wir haben zwar viel erreicht, aber leider stehen immer noch erhebliche Herausforderungen vor uns“ sagt Marcus Pohl, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen der Veranstaltungswirtschaft (isdv). So müsse auch den Tochtergesellschaften von Veranstaltungsunternehmen ein gerechter Zugang zu den Fördermitteln gewährt werden. „Von den größeren Veranstaltungskonzernen sind tausende Soloselbständige, Dienstleistungsbetriebe und KünstlerInnen wirtschaftlich abhängig. Wenn sie uns wegbrechen, werden wesentliche Ziele der Erhaltung des Veranstaltungsbetriebs verfehlt.“ Der BDKV-Präsident ergänzt: „Auch die Vermittlungsagenturen von Künstlern*innen sind in der Vergangenheit aus verschiedensten Gründen durch wirklich jedes Fördernetz gefallen. Wir fordern nachdrücklich, dass auch bei Künstleragenturen – ebenso wie bei den Reisebüros – entgangene Vermittlungsprovisionen als förderfähige Fixkosten anerkannt werden.“
Die Agenda des Forums ist aber auch damit noch nicht abgearbeitet: So wird dafür gekämpft, dass es auch für Einzelunternehmer - wie für die Soloselbständigen bereits erreicht –eine Betriebskostenpauschale gibt. Die Laufzeit aller Hilfsprogramme und Maßnahmen müsse mindestens bis Ende 2021 verlängert werden. Da Versicherer pandemiebedingte Veranstaltungsausfälle nicht mehr absicherten, müsse auch für den B2B-Bereich – wie bereits für die Kulturwirtschaft - dringend ein Ausfallfonds geschaffen werden, durch den alle an der Durchführung von Veranstaltungen Beteiligte gegen zukünftige pandemiebedingte Veranstaltungsausfälle abgesichert werden. Last but not least: Damit die beachtlichen Hilfsmittel endlich schneller dort ankommen, wo sie gebraucht werden, müssten die Programme und der Zugang zu den Hilfsmitteln vereinfacht werden.