Medienhäuser entfernen sich weiter vom Kerngeschäft
Deutsche Medienunternehmen investieren weiter verstärkt in digitale Geschäftsmodelle, auch zunehmend losgelöst von ihrem eigentlichen Kerngeschäft. Sie folgen vielfach Konsumententrends und akquirieren auch in entfernteren Bereichen wie neuen Mobilitätskonzepten oder dem Vertrieb physischer Güter. Denn für Medienunternehmen wird es immer schwieriger, im Kerngeschäft zu wachsen: Das Mediennutzungsverhalten der Konsumenten wird vielfältiger und Werbebudgets werden dementsprechend breiter verteilt. Das geht aus der heute veröffentlichten Studie „Auf zu neuen Ufern – Transformationsaktivitäten in der deutschen Medienindustrie“ der internationalen Strategieberatung EY-Parthenon hervor. Die Studie wirft einen genauen Blick auf die nicht-markenbezogenen Aktivitäten der Medienunternehmen – abseits vom Kerngeschäft.
„Der Trend, dass Medienhäuser vermehrt in Unternehmen abseits ihres Kerngeschäfts investieren, setzt sich fort“, sagt Dr. Sebastian Priebe, Projektleiter der TMT-Practice im Hamburger Büro von EY-Parthenon anlässlich der Vorstellung der Studie. Dies gelte, obwohl die Medienunternehmen auch ihr Kerngeschäft zunehmend transformieren und an die digitalen Möglichkeiten sowie die veränderten Kundenbedürfnisse anpassen.
Weiter steigende Beteiligungsaktivität, allerdings eher kleinteilige Transaktionen
Die M&A-Aktivität der Medienhäuser und damit auch die Diversifizierung der nicht markenbezogenen Online-Aktivitäten ist 2019 weiter gestiegen, allerdings insgesamt mit eher kleinteiligen Transaktionen und kaum „Lighthouse Deals“: So gab es in 2019 insgesamt 62 M&A-Transaktionen (37 Zukäufe und 25 Verkäufe). Die Gesamtzahl der nicht markenbezogenen Digital-Investments der Medienhäuser in Deutschland stieg dadurch um 3% auf insgesamt 488 Betei-ligungen (2018:476).
Als wesentliche, marktbewegende Themen waren daneben vor allem der Einstieg eines italienischen TV-Konzerns bei P7S1 sowie die Beteiligung eines großen US-Finanzinvestors an Axel Springer zu verzeichnen.
Zunehmendes Interesse an Start-ups und Konsumtrends
Inkubatoren haben im Vergleich zum Vorjahr verstärkt an Popularität gewonnen und stiegen in ihrer Anzahl um 11%, während andere Beteiligungsformen tendenziell eher stagnierten oder rücklä ufig waren. „Medienhäuser versuchen frühzeitig, profitable Konsumtrends zu erschließen oder Fähigkeiten aufzubauen und investieren daher in Start-ups mit innovativen Geschäftsmodellen“, so Priebe
Erfolgreiche Experimente mit Paid Services und Verkauf physischer Güter
„Die Investitionen abseits des Kerngeschäfts entfernen sich auch zunehmend von werbebasierten Modellen sowie von Paid Content“ erläutert Priebe. Investitionen in Werbemodelle sind beispielsweise seit 2016 rückläufig, zuletzt um 4 %. Stattdessen investieren die Medienhäuser vermehrt in andere B2C-Geschäftsmodelle, die mittlerweile 38 % aller Beteiligungen ausmachen. Das Wachstum im B2C-Bereich wird insbesondere durch Paid Services (+10 %) und den Ver-kauf physischer Güter (+9 %) getrieben.
Reife Beteiligungen diversifizieren sich
Ausgewählte digitale Geschäftsmodelle in der Medienwelt haben inzwischen erhebliche Reife erreicht und diversifizieren sich wiederum selbst Dies gilt auch für vereinzelte Portfolio-Unternehmen der Medienhäuser. Um solche Leuchtturminvestitionen entwickeln sich kleine Ökosysteme oder die Medienhäuser schaffen sie aktiv durch ergänzende M&A-Transaktionen. Beispiele sind etwa XING (maßgeblich aufgebaut durch Burda) oder StepStone als Job-Portal von Axel Springer.
Unterschiedliche Strategien der Medienhäuser
Offensichtlich gibt es bei der Diversifizierung keine „One-fits -all“ -Strategie. Die Medienhäuser versuchen, individuell funktionierende Nischen bzw. differenzierte Positionen zu besetzen. Die Studie der Strategieberatung EY-Parthenon arbeitet dabei unterschiedliche strategische Marschrichtungen und Positionen der einzelnen Medienhäuser heraus: Als differenzierte Modelle lassen sich von außen beispielsweise eine „Innovationsorientierung“ (Axel Springer), die Aufst ellung in „Themen-Clustern“ (ProSiebenSat.1), die „Diversifikation und Digitalisierung rund um das eigene Produkt-Portfolio“ (Ströer), ein primäres Agieren als „Finanzinvestor“ (Holt-zbrinck über Holtzbrinck Ventures) sowie ein „Kategorie-Fokus“ (Burda) beobachten, die in der EY -Parthenon-Studie weiter detailliert sind. In ihren jeweiligen Richtungen arbeiten die Unter-nehmen an Umschichtung, Wachstumsoptionen (z. B. Internationalisierung) und an der operativen Professionalisierung der Beteiligungsunternehmen. „Dafür bauen sie nötige Kompeten-zen rund um M&A, Trendscouting, Portfoliomanagement sowie Hintergrundwissen in den Märkten ihrer Assets auf“, sagt Sebastian Priebe