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Osten liegt bei Produktivität weiterhin hinten

Hoher Anteil ländlicher Regionen hemmt ostdeutsches Produktivitätswachstum.
DIW Berlin | 23.10.2019
Osten liegt bei Produktivität weiterhin hinten © DIW Berlin
 
Trotz Annäherungsprozess bleibt Produktivität in Ostdeutschland niedriger als in Westdeutschland, im industriellen Sektor beträgt der Rückstand rund 20 Prozent – Starke ländliche Prägung und Produktionsschwäche der weniger stark besiedelten städtischen Räume sind Gründe für Produktivitätsdefizit des Ostens – Maßnahmen des Stadt-Land-Ausgleiches und industrielle Förderung verstädterter Gegenden in Ostdeutschland könnten Ausgleich schaffen

Obwohl sich das ostdeutsche Produktivitätsniveau seit der Vereinigung dem westdeutschen angenähert hat, besteht auch 30 Jahre nach dem Mauerfall eine deutliche Lücke. Wird allerdings der Regionstyp in die Analyse einbezogen, zeigt sich, dass die Unternehmen in vergleichbaren Regionen in Ost und West ähnlich leistungsfähig sind. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse einer Analyse, die auf den Ergebnissen einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) für die Bertelsmann Stiftung basiert. „Mit Blick auf die Produktivität sollten wir weniger über einen Ost-West-Unterschied sprechen, sondern uns verstärkt dem deutschlandweit bestehenden Stadt-Land-Gefälle widmen“, so Studienautor Alexander Schiersch, der die Studie gemeinsam mit Heike Belitz und Martin Gornig erstellt hat.

Aufholprozess stockt: Osten liegt bei Produktivität weiterhin hinten


In den vergangenen beiden Jahrzehnten konnten die Unternehmen in Ostdeutschland Teile ihres Produktivitätsrückstands gegenüber dem Westen aufholen. Lag die ostdeutsche Arbeitsproduktivität in der gewerblichen Wirtschaft zur Jahrtausendwende noch 35 Prozent unter dem westdeutschen Niveau, schrumpfte dieser Abstand bis 2017 auf rund 25 Prozent. In den letzten Jahren jedoch stagnierte dieser Wert. Während somit die Arbeitsproduktivität in der westdeutschen gewerblichen Wirtschaft knapp 50 Euro pro Stunde beträgt, sind es im Osten lediglich etwas weniger als 40 Euro pro Stunde. Ähnliche Abstände lassen sich auch für die Totale Faktorproduktivität beobachten, die neben der Effizienz des Arbeitseinsatzes auch die des Kapitaleinsatzes misst. Die verbleibende Differenz ist laut Studienautorin Heike Belitz auch auf regionalstrukturelle Faktoren zurückzuführen: „Der Osten ist wesentlich ländlicher geprägt als der Westen. Ländliche Regionen sind eindeutig weniger produktiv als städtische oder verstädterte Gegenden.“


Verstädterte Regionen in Ostdeutschland bieten Potential


Im Gegensatz zu Stadt und Land unterscheidet sich die durchschnittliche Produktivität in den verstädterten Räumen stark zwischen Ost und West. „Das bringt uns zu der Annahme“, so Studienautor Martin Gornig, „dass in diesen Gegenden Ostdeutschlands prinzipiell gute Chancen für Produktivitätswachstum bestehen.“ So schaffen es im Westen die verstädterten Räume Braunschweig und Ingolstadt als bedeutende Standorte der Automobilindustrie unter die hochproduktiven „Superstar-Regionen“, während die verstädterten Räume in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wesentlich schwächer abschneiden

„Mit Blick auf die Produktivität sollten wir weniger über einen Ost-West-Unterschied sprechen, sondern uns verstärkt dem deutschlandweit bestehenden Stadt-Land-Gefälle widmen“ Alexander Schiersch, Studienautor.


Stärkung der ländlichen Infrastruktur und industriepolitische Maßnahmen wünschenswert


Gerade im Osten ist der industrielle Sektor stark im ländlichen Raum verwurzelt. Gezielte Investitionen zur Stärkung der ländlichen Infrastruktur könnten die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um diesen Unternehmen langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen. Mit Blick auf konkrete Handlungsfelder bringt Studienautor Alexander Schiersch den schleppenden Breitbandausbau ins Spiel: „Eine moderne Kommunikationsinfrastruktur ist heutzutage unerlässlich für eine nachhaltige Wachstumsperspektive.“ Um dem Produktivitätsrückstand der verstädterten Regionen Ostdeutschlands entgegenzuwirken, könnten industriepolitische Maßnahmen ergriffen werden. Hierbei sollten sowohl die Schaffung regionaler Forschungsinfrastrukturen als auch die Clusterbildung innerhalb einzelner Branchen unterstützt werden.