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Digital führende Medienhäuser bauen Vorsprung aus

Studie: Medienunternehmen investieren verstärkt in B2B-Angebote und konzentrieren bei weniger Zukäufen ihre Investitionen auf das Inland.
EY-Parthenon GmbH | 23.10.2018
Die Zentrale des Spitzenreiters Axel Springer in Berlin. © Wikimedia / Assenmacher CC-Lizenz
 
Die deutschen Medienunternehmen verfügen mittlerweile über ein breites Portfolio digitaler Geschäftsmodelle, die nicht zu ihrem ursprünglichen Kerngeschäft zählen und sind bei neuen Investitionen und Zukäufen deutlich selektiver geworden. Nach jahrelangen zweistelligen Wachstumsraten stagnierten die nicht markenbezogenen Online-Aktivitäten der Medienkonzerne im Jahr 2017 mit 438 Beteiligungen nahezu auf dem Niveau von 2016 (431). Die bereits stark digitalisierten Medienkonzerne werden immer digitaler, während sich die Nachzügler schwertun, Impulse zu generieren. Unternehmen, die frühzeitig in digitale Geschäftsmodelle investiert haben, betrieben auch 2018 aktives Portfoliomanagement mit Umschichtungen und Portfoliobereinigungen. Aktuell investieren Medienunternehmen verstärkt in Business-to-Business-Angebote, ziehen Inkubatormodelle Venture-Capital-Investments vor und konzentrieren ihre Investitionen unverändert auf das Inland (rd. 75%). Dies sind zentrale Ergebnisse der aktuellen Studie „Ist der Rausch schon vorbei?“ der Strategieberatung EY-Parthenon, die seit 12 Jahren die Entwicklung der nichtmarkenbezogenen Online-Aktivitäten untersucht, die den großen Medienunternehmen mittlerweile erhebliche Umsatz- und Ergebnisbeiträge liefern.

Aktuell scheinen Medienhäuser jedoch zunehmend Schwierigkeiten zu haben, attraktive Deals zu finden – erste Sättigungstendenzen treten auf. „Wir beobachten eine weitere Professionalisierung der digitalen M&A-Tätigkeiten innerhalb der Medienhäuser“, sagte Andreas von Buchwaldt, Partner von EY-Parthenon, anlässlich der Veröffentlichung der Studie. „Neuinvestitionen erfolgen nun deutlich selektiver“. Damit einhergehend sei auch eine Abnahme der Risikobereitschaft bei neuen Investments zu spüren.

Digitale Aufsteiger können nicht Schritt halten


Zwar steigt der Digital-Umsatzanteil bei allen Medienkonzernen deutlich, jedoch wachsen die digitalen Vorreiter immer noch deutlich schneller – der Abstand zu den Verfolgern vergrößert sich. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass sich die digitalen Marktführer jahrelang in Bezug auf die Verwaltung ihrer Assets eine nur mit Mühe aufzuholende Expertise aufgebaut haben: „Die Kompetenzen diversifikations-erfahrener Medienhäuser, Zukäufe schneller und besser zu integrieren, sind ein klarer Wettbewerbsvorteil“, sagte Michael Rzesnitzek, Partner von EY-Parthenon, „allerdings fällt es den Unternehmen immer schwerer, das digitale Umsatzwachstum auch direkt in ein Gewinnwachstum umzusetzen“.

B2B-Modelle im Trend


Bei den Geschäftsmodellen scheinen B2B-Services der große Gewinner zu sein. Bereits im Jahr 2016 baute etwa jeder dritte Neuzugang auf ein B2B-Modell. Im Jahr 2017 haben besonders Axel Springer, DuMont, ProSiebenSat.1 und Ströer mit insgesamt 13 Beteiligungen in diesem Bereich weiter stark zugelegt. Dieser Trend zu B2B setzte sich bislang auch 2018 fort. Auffällig ist, dass sich die überwiegende Mehrheit der Aktivitäten auf die Bereiche Technical Support & Platform und Ad Networks bezieht. Direktes Synergiepotenzial ist bei vielen äufen nicht zu erkennen, die Aktivitäten werden wohl zum Großteil als Perspektivinvestitionen angesehen.

Im B2C E-Commerce-Bereich sind potenzielle große Neubeteiligungen nur noch sehr vereinzelt auf dem Markt zu finden. Positive Impulse kommen insbesondere durch die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle, die perspektivisch weitere Märkte und Investmentopportunitäten schaffen.

Verschiebung von Werbeaktivitäten zu Lead Generation


Beteiligungen in Ventures, die ihr Geschäftsmodell auf Werbung bauen, sind nach der positiven Entwicklung der letzten Jahre erstmals zurückgegangen. Den nur acht neuen Investments in diesem Bereich standen elf Abgänge gegenüber. Dieser Trend ist allerdings nicht bei allen werbebasierten Modellen zu erkennen. Während in den Unterkategorien Video und Search keine Veränderung zu beobachten ist, war im Jahr 2017 im Bereich Display ein Nettoabgang von acht Investments zu verzeichnen, im Bereich Lead Generation jedoch ein Nettozugang von drei.

Inkubatoren auf dem Vormarsch, weniger Venture Capital-Beteiligungen


Medienunternehmen präferieren nach wie vor direkte Beteiligungsformen (70 Prozent). Damit lassen sich die jeweiligen Investments besser kontrollieren und Lerneffekte erzielen. Vor allem die großen digitalen Anführer unter den deutschen Medienunternehmen leisten sich zudem Inkubatoren (20 Prozent). „Inkubatormodelle erlauben es, ausreichend Einfluss auf die Investments zu nehmen, bieten aber trotzdem genug Freiraum, damit sich die Start-ups selbstständig weiterentwickeln und nicht von einer Konzernmentalität gebremst werden“, sagte Andreas von Buchwaldt. Die restlichen 10 Prozent sind Venture-Capital-Beteiligungen. Auch bei den aktuellen Investments liegen direkte und Inkubator-Beteiligungsformen klar vorn, während Venture-Capital-Beteiligungen überwiegend abgestoßen werden.

Beginn der großen Konsolidierung und Refokussierung


Ein detaillierter Blick auf die Aktivitäten der betrachteten Medienkonzerne zeigt, dass auch die Aktivitäten innerhalb der Portfolios abgeflacht sind. Gab es im Jahr 2016 noch insgesamt 110 Zu- und Abgänge, waren es 2017 nur noch 84 Veränderungen. Axel Springer, ProSiebenSat. 1, Madsack und die DuMont Mediengruppe als aktivere Spieler haben trotz alledem mindestens 20 Prozent ihrer Portfolios verändert. Dabei scheinen die genannten Unternehmen sich nicht nur mit insgesamt 33 Zugängen zu vergrößern und zu fokussieren, sondern auch ihr bestehendes Portfolio bereinigen und neu ausrichten zu wollen, wie die teilweise hohen Abgangszahlen zeigen.

Axel Springer zeigt mit insgesamt 14 Zugängen und nur fünf Abgängen den größten Appetit bei der Erweiterung des bestehenden Portfolios und bleibt mit 99 Beteiligungen der Spitzenreiter bei den Gesamtaktivitäten. ProSiebenSat.1 zeigt bei den Zu- und Verkäufen insgesamt ein ausgeglichenes Bild. Man trennte sich zwar von neun Beteiligungen, hat aber mit zehn Neuzugängen in vergleichbarer Stärke aufgestockt. Ströer setzte seine Aufholjagt mit fünf neuen Investments ohne Abgänge weiter fort. Insgesamt halten diese drei Häuser, Axel Springer, ProSiebenSat.1 und Ströer, zusammen 53 Prozent des Aktivitätenbestands. Bei den kleineren Playern konnten nur noch Madsack (+6) und Burda (+4) einen Zuwachs digitaler Aktivitäten verzeichnen.

Auch 2018 hat sich diese Entwicklung bislang fortgesetzt: So bliebt beispielsweise Axel Springer seiner mehrgleisigen Strategie treu und investierte einerseits frühzeitig in internationale Start-ups, spielte andererseits aber auch bei Late-Stage-Investments mit. Nach zahlreichen Investitionen in u.a. finanzritter.com, govolunteer.com oder hypcloud.de wurden weitere Seed-Investitionen in Startups wie beispielsweise bookitgreen.com getätigt. Aber auch Minderheitsbeteiligungen bei Uber (2017) und Magic Leap, einem Mixed-Reality-Unternehmen (2018), fanden sich auf dem Einkaufszettel.

Bei ProSiebenSat.1 begann 2018 mit einem Paukenschlag – ein US-Finanzinvestor beteiligte sich mit 25,1 Prozent an der neugeschaffenen NuCom, die insgesamt 10 Unternehmen aus dem P7S1-Digitalportfolio versammelt. Kurz darauf ging NuCom auf weitere Einkaufstour und ergänzte das Ökosystem rund um Anker-Investment Verivox um die Anbieter Aboalarm und Outbank. Nachdem sich DuMont im Vorjahr noch von mehr als einem Dutzend Beteiligungen getrennt hatte, wurde im Jahr 2018 bereits wieder durch den eng verbundenen Investmentfonds Capnamic investiert – jüngst etwa in die Energiemarkt-Plattform Lumenaza und Coding-Spezialist Acellere.

Gruner + Jahr setzte seine Communities-of-Interest Strategie weiterhin fort und hat das Portfolio u.a. um einen Anbieter für kulinarische Stadtführungen (eat-the-world.com), sowie einen Onlineshop für Nahrungsergänzungsmittel (onolabs.com) weiter ausgebaut. Mehrheitsbeteiligungen dominieren
Der Beteiligungsbestand der Medienunternehmen besteht rund zur Hälfte aus 100-Prozent- Beteiligungen, Mehrheitsbeteiligungen machen weitere 23 Prozent des Portfolios aus. Die restlichen 32 Prozent sind Minderheitsbeteiligungen. Minderheitsbeteiligungen scheinen bei risikoreicheren Investitionen bevorzugt zu sein. Nach einem vorsichtigen Ausprobieren kann entweder ausgebaut oder abgestoßen werden. Dementsprechend ist dort auch eine besonders hohe Aktivität. Für Beteiligungen näher am Kern werden zunehmend engere und vollständige Bindungen eingegangen. „Medienunternehmen beginnen langfristiger zu denken“, sagte Dr. Sebastian Priebe, Projektleiter bei EY-Parthenon, „die Fluktuation in den Portfolios wird auf lange Sicht abnehmen, der Fokus richtet sich dann vermehrt auf die Stärkung der vorhandenen Aktivitäten“.

Auslandsaktivitäten stagnieren ebenfalls – Zukäufe hauptsächlich in Nachbarländern


Nachdem in den letzten Jahren im Ausland zweistellige Wachstumsraten zu beobachten waren, stagnieren die Zukäufe ebenfalls nahezu. Noch sind jeweils rund 20 Prozent der Auslandsbeteiligungen in den USA und Großbritannien angesiedelt. Betrachtet man die aktuellen Auslandzukäufe der Medienunternehmen, stellt man fest, dass viele in unseren direkten Nachbarländern stattfinden, obwohl in den Vereinigten Staaten ein deutlich größerer Bestand vorhanden ist. Gründe dafür mögen zum einen die kulturelle Nähe und zum anderen einfachere Steuerungsmöglichkeiten sein. Die Abgänge sind über alle Länder verteilt, finden jedoch genauso wie in Deutschland verstärkt im B2C-Bereich mit E-Commerce-Shops und Marktplätzen statt.