print logo

Leben in Klein- und Mittelstädten liegt bei den Deutschen im Trend

Stadt oder Land? Wo wollen die Menschen in Deutschland wohnen? Analyse der Bertelsmann Stiftung untersucht aktuelle Trends des Wanderungsgeschehens.
Bertelsmann Stiftung | 02.07.2018
© Pixabay / congerdesign
 
Seit einiger Zeit gilt: Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt. Stimmt das? Und wenn ja, wohin genau? Im Datenportal Wegweiser-Kommune.de der Bertelsmann Stiftung werden verschiedene Wanderungsdaten, zum Beispiel nach Alter und Geschlecht, aber auch nach Ziel oder Herkunft, für alle Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern seit 2006 kostenlos bereitgestellt. So lassen sich für die Kommunen Wanderungsbewegungen detailliert nachvollziehen. Auf Basis dieser Daten hat jetzt das ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH die Zu- und Fortzüge in Deutschland analysiert. Das Ergebnis: Leben in der Stadt liegt im Trend. Dabei zieht es die Menschen aber nicht nur in die Millionen-Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Köln. Vor allem Mittel- und Kleinstädte wie Bad Neustadt an der Saale oder Aurich in Ostfriesland sind die Gewinner des aktuellen Trends. Neben kleineren Städten an den Rändern der Metropolen zählen aber auch Kommunen in ländlichen Räumen wie Finsterwalde im Landkreis Elbe-Elster oder Eschwege im Werra-Meißner-Kreis dazu.

Für die Analyse "Trend Reurbanisierung? Analyse der Binnenwanderung in Deutschland 2006 bis 2015" hat das ILS detailliert herausgearbeitet, dass neben den Großstädten auch Klein- und Mittelstädte vom Zuzug aus dem Umland profitieren – auch wenn nicht alle kleineren Städte in Deutschland von dieser Entwicklung profitieren können. Daneben konnte ein sogenannter "Überschwappeffekt" der Großstädte nachgewiesen werden. Das heißt, besonders die großen Großstädte verlieren zunehmend Bevölkerung an ihr direktes Umland, den "Speckgürtel". In den ländlichen Räumen setzt sich zudem die kontinuierliche Abwanderung dünn besiedelter Gebiete fort – allerdings auf einem relativ geringen Niveau. Strukturschwache Regionen jenseits städtischer Verdichtung sind dabei besonders von Schrumpfung betroffen.

Was macht den "Speckgürtel" attraktiv?



So heterogen die Entwicklungen auf regionaler Ebene sind, so vielfältig sind die Gründe für Bevölkerungsbewegungen innerhalb Deutschlands: Sie reichen vom Umzug wegen eines Arbeitsplatzwechsels oder in besseren – und vor allem bezahlbaren – Wohnraum bis zum Wunsch, im Alter in der Nähe der Kinder zu leben. "Neben den steigenden Mieten insbesondere in großen Städten wie Hamburg, München oder Berlin gibt es ein ganzes Bündel von Motiven für einen Umzug in eine kleinere Stadt", so Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Die Daten im Wegweiser Kommune zeigen, dass hohe Mieten ein starker Treiber für Bevölkerungsbewegungen sind (vgl. Karte 1 "Mietspiegel").

Aber auch die jeweilige Lebensphase der Menschen spielt eine wichtige Rolle für die Wanderungsbewegungen in vier verschiedenen Altersgruppen: Die jüngere Generation in Ausbildung und Studium zieht eher in die Großstadt, während Familien oder die älteren Generationen auch gerne in kleinere und mittlere Städte ziehen. "Für die kleinen und Mittelstädte ist dieser Trend eine Chance für Wachstum", so Mohn weiter. "Damit diese Städte auch in Zukunft für die Menschen als Lebensort attraktiv bleiben, ist eine moderne und funktionierende Infrastruktur eine zentrale Voraussetzung. Hier sind die Kommunen in der Pflicht, bei Investitionen und Stadtplanungen die richtigen Prioritäten zu setzen. Wenn man dabei an den öffentlichen Personennahverkehr, ärztliche Versorgung oder Breitbandausbau denkt, ist klar, dass viele kleinere Städte dies nicht ohne Unterstützung von Land und Bund schaffen können", so Petra Klug, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.

Erkenntnisse über Binnenwanderung für Stadtentwicklung nutzen



Neben der gestiegenen Zuwanderung nach Deutschland zählen Binnenwanderungen zu den entscheidenden Faktoren, die die Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung in den Städten und Gemeinden beeinflussen. Sie verändern die Alters- und Sozialstruktur der Bevölkerung maßgeblich – mit Konsequenzen für das Gemeinwesen.

Damit die verantwortlichen Entscheider in den Kommunen die richtigen Weichen für kommunale Planungen stellen, ist eine kleinräumige Betrachtung von Wanderungsbewegungen und die Analyse der Daten von entscheidender Bedeutung. Neben den Zu- und Fortzügen gilt dies vor allem auch für die Entwicklung in den verschiedenen Altersgruppen. So können aktuelle Trends der Raumentwicklung differenziert erkannt und für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik verwendet werden.

Zusatzinformationen



Für diese Auswertung hat das ILS im Auftrag der Bertelsmann Stiftung das aktuelle Wanderungsgeschehen auf Basis eines umfangreichen Datensatzes untersucht; er enthält Informationen über Fortzüge, Zuzüge und Wanderungssalden für die Jahre 2006 bis 2015 zu rund 1,2 Millionen Wanderungsströmen von den Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern in alle Kreise des Bundesgebietes.