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Halbjahresbilanz 2017 - Kritik an Online-Werbung stark gestiegen

Werberat: Sprunghafter Anstieg der Kritik aus der Bevölkerung an Inhalten von Internet-Werbung.
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In der ersten Hälfte des laufenden Jahres entschied der Deutsche Werberat über 57 Fälle gegenüber 37 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (+54 Prozent). Damit betrug Online-Werbung fast ein Viertel der vom Gremium zu entscheidenden Werbemaßnahmen – gefolgt von TV-Spots und Plakatwerbung.

Für besorgniserregend hält der Werberat den Trend gegenwärtig nicht. „Es hat den Eindruck als würde die Internetwerbung gegenwärtig organisiert unter Beobachtung gestellt, um ein Beschwerdeverfahren beim Werberat einleiten zu können. Dies betrifft insbesondere die Rubrik geschlechter-diskriminierende Werbung“, so Julia Busse, Sprecherin des Werberats in Berlin. Die Beanstandungsquote der Internet-Werbung liege mit 32 Prozent ungefähr gleichauf mit dem Wert über alle Werbemittel hinweg (27 Prozent). Ferner verteilten sich die einzelnen Beschwerdefälle auf verschiedene Formen der Digitalwerbung wie eigene Internetseiten von Unternehmen, Firmenkanäle in sozialen Netzwerken, Display- und Videowerbung in fremden Online-Diensten sowie Mobile-Werbung.

Nur fünf Öffentliche Rügen nötig

Insgesamt hatte der Werberat in den ersten sechs Monaten über 241 kritisierte Werbemaßnahmen zu entscheiden (1. Halbjahr 2016: 223 Fälle). In 66 Fällen schloss sich das Gremium der Bürgerkritik an. 55 Werbemaßnahmen wurden nach der Intervention des Werberats eingestellt und 6 entsprechend der Kritik abgeändert. Fast ausnahmslos folgten die Unternehmen den Beanstandungen des Werberats. Nur in fünf Fällen musste der Werberat öffentlich auf die mangelnde Einsicht der Unternehmen aufmerksam machen und eine Rüge aussprechen. Die Durchsetzungsquote stieg damit auf 92 Prozent.

Beschwerdegründe im 1. Halbjahr 2017


Im Mittelpunkt der Kritik aus der Bevölkerung standen nach wie vor Proteste mit dem Vorwurf der Herabwürdigung oder Diskriminierung von Personen, meist Frauen. Sie machten im Berichtszeitraum mit 150 Fällen rund 60 Prozent der von Kritik betroffenen Werbung aus. Verfestigt hat sich hierbei der Trend des vergangenen Jahres, wonach den Werberat zu diesem Thema besonders viele überzogene Beschwerden erreichen und die Beschwerdeführer nur ihre eigenen Maßstäbe gelten lassen wollen. In 67 Prozent dieser Fälle lag kein Verstoß gegen die weithin anerkannten Verhaltensregeln des Werberats vor.

So kritisierten Beschwerdeführer beispielsweise den Online-Spot eines Möbelhauses zum Thema Deko. Gezeigt wird eine Frau, die auf den bereits zum Essen gedeckten Tisch noch eine Karaffe mit Waser stellt. Der Mann – abgelenkt durch sein Handy – bemerkt nicht, dass die Karaffe als Vase für einen Blumenstrauß gedacht ist und schüttet sich gedankenverloren Wasser daraus in sein Glas. Mit einem nachsichtigen Lächeln stellt die Frau die Blumen in die Karaffe, der Mann guckt verdutzt. Die Beschwerdeführer kritisierten die Werbung als geschlechterdiskriminierend: Frauen würde zugeschrieben, mit einem vermeintlichen Sinn für das Ästhetische unnütze Produkte in der Wohnung zu drapieren, während Männer ausschließlich deren praktischen Einsatz sehen würden. Der Werberat lehnte die Beschwerden ab. Dass bei dem gezeigten Pärchen die Frau gern dekoriert und der Mann hierfür keinen Sinn zu haben scheint, bedeute keine Diskriminierung von Frauen oder Männern. Der Spot spiegele reales Kundenverhalten und beinhalte erkennbar keine Diskriminierung oder Abwertung.

Auch die Beschwerde gegen die Fahrzeugwerbung eines Getränkelieferdienstes, zeigt die zum Teil weit überzogene Protestkultur: Die seitlich an dem Fahrzeug angebrachte Werbefolie zeigt eine trinkende Frau vor einer Meereskulisse. Zu sehen ist der Oberkörper der Frau im Bikini, daneben der Werbetext „… wir bringen die Frische!“ Der Werberat sah im Gegensatz zur Beschwerdeführerin keine sexistische Blickfangwerbung vorliegen, da weder eine Pose noch ein Slogan oder das Motiv selbst irgendeinen sexistischen Bezug erkennen ließen.

Weitere Beschwerdegründe waren Verstöße gegen ethische Mindestanforderungen (24 Fälle), Diskriminierung von Personengruppen (22) oder Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen (10). Die übrigen Inhalte der Werbekritik blieben im einstelligen Bereich.

Beschwerden über Wahlkampfwerbung?


Leicht abgenommen hat im ersten Halbjahr der Anteil an Beschwerden über Werbung, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Werberats fällt, etwa weil Verstöße gegen rechtliche Bestimmungen geltend gemacht werden (zum Beispiel irreführende Werbung) oder weil sich die Kritik nicht gegen Wirtschaftswerbung richtet. In diese Rubrik fallen auch Beschwerden gegen die Werbung von NGOs, Behörden oder auch Parteien. Insgesamt gingen Beschwerden zu 133 Werbemaßnahmen ein, was erneut die Funktion der Selbstkontrolleinrichtung als erste Anlaufstelle für Beschwerden aus der Bevölkerung über Werbung verdeutlicht. Der Werberat geht davon aus, dass die Anzahl der Beschwerden wegen des Bundestagswahlkampfes im zweiten Halbjahr noch einmal ansteigt.